Die Annahmequoten bei Arbeitgeber-Angeboten für eine betriebliche Altersvorsorge sind seit jeher gering. Eine neue WTW-Studie bestätigt nun die mangelnde Akzeptanz in den Belegschaften. Zeit, einmal hinter die Kulissen zu schauen.
Ein Kommentar von Manfred Baier, Vorstandsvorsitzender, Bundesverband pauschaldotierte Unterstützungskasse e.V.
Dieses Umfrage-Ergebnis zur Lage der Entgeltumwandlung für die versicherungsförmige betriebliche Altersvorsorge (bAV) dürfte die Unternehmen kaum überrascht haben und noch viel weniger ihre Anbieter, die Versicherer: Nur in vier von zehn Unternehmen nutzt mehr als die Hälfte der Mitarbeitenden das Angebot ihrer Arbeitgeber (AG). Das zeigt eine neue Studie des internationalen Beratungsunternehmens Willis Towers Watson (WTW), der expertenReport berichtete.
Die Studie hält fest, dass sich zuletzt während der multiplen Krisensituation die Arbeitnehmenden (AN) bei ihrem Sparverhalten in Zurückhaltung übten. Das ist sicher korrekt, trifft aber auf die allermeisten Finanzprodukte zu. Und die Zurückhaltung bei der Umwandlung war auch schon lange vor den Krisen festzustellen, als die Menschen noch viel stärker zum Sparen neigten.
Die WTW-Studie macht zu Recht einen noch anderen Aspekt aus: Die AG würden zwar in großer Zahl ein bAV-Modell vorhalten, dies aber zu wenig kommunizieren. Wenn der Versicherungsvertrieb gleichzeitig mit Einsparungen bei Steuern und Sozialabgaben sowie mit Mitarbeitergewinnung am hart umkämpften Arbeitsplatz argumentiert, warum bewerben die AG damit ihr bAV-Angebot trotzdem nicht viel stärker?
Die versicherungsförmige bAV ist kein Vorteil im Wettbewerb am Arbeitsmarkt
Ist es, weil diese Argumente selbst die AG nicht recht überzeugen? Angeblich können 90 Prozent der befragten Unternehmen eine versicherungsförmige bAV anbieten, sie tun es aber kaum. Denn die 90 Prozent drücken auch aus, dass man sich damit als AG eben nicht von Wettbewerbern am Arbeitsmarkt abgrenzen kann. Und die finanziellen Anreize für die AG sind ebenfalls recht überschaubar.
Und auch das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) hat da nicht viel helfen können, vor allem nicht im Mittelstand. Denn es hat mit der Tarifbindung einen entscheidenden Geburtsfehler. Welcher noch so fürsorgliche Unternehmer im Mittelstand stellt sich ohne Not unter den verlängerten Arm einer Gewerkschaft? Bislang keiner.
Hohe Durchdringung und hohe Arbeitgeberzulagen in versicherungsfreien bAV-Durchführungswegen
Da lohnt doch mal ein Seitenblick auf versicherungsfreie bAV-Durchführungswege, wo die Durchdringungsquoten mit rund 90 Prozent etwa doppelt so hoch sind – Traumwerte. Dort werden die bAV-Beiträge in der Regel im Unternehmen selbst angelegt und so zur Innenfinanzierung oder zur Ablösung teurer Kredite genutzt. Manche legen Kapital auch direkt an. Zudem genießen diese internen Versorgungswerke (gemeinhin in Form einer pauschaldotierten Unterstützungskasse konzipiert) als soziale Einrichtungen mancherlei steuerliche Vorzüge.
Hier sind also die Anreize besonders hoch, die Unterstützungskasse im Unternehmen zu bewerben. So hoch, dass die Unternehmen statt der in der versicherungsförmigen bAV üblichen gesetzlichen Mindestzulage von 15 Prozent freiwillig in aller Regel 30 oder 50 Prozent hinzugeben, oft sind es sogar 100 Prozent. Auch das lässt die Herzen von bAV-Beratern höherschlagen.
Dass die Belegschaften so deutlich für die Annahme einer Gehaltsumwandlung zugunsten einer U-Kasse votieren, dürfte noch weitere Gründe haben:
- Eine anständige Verzinsung. Sie rührt vor allem daher, dass die Betriebsrentner keine Produktkosten zu tragen haben, ihre Beiträge verzinsen sich vom ersten Euro an. Anders als bei Versicherungen, die sogar in den letzten Jahren vermehrt bezüglich Reduzierungen der Beitragsgarantien von sich reden machten (man stelle sich den Image-Schaden vor: Nicht einmal die Rückzahlung der gezahlten Beiträge wollten diese Versicherer gewährleisten, wer ist denn da noch bereit einzuzahlen? Zum Glück für die AN sind die Zinsen zuletzt wieder gestiegen …).
- Klare Kalkulierbarkeit durch die Auszahlung des Versorgungsanspruches in einer Summe, eine Rentenauszahlung wird bei U-Kassen kaum praktiziert. Damit wissen Betriebsrentner genau, mit welchem Betrag sie wann rechnen können, sie können ihn besser anlegen als bei einer Versicherung oder einfach frei darüber verfügen.
- Mehr Sicherheit, denn ein Konto bei einer U-Kasse gleicht aufgrund ihrer klaren Kalkulierbarkeit im Grunde einem Sparbuch. Und sollte der AG seiner Zahlungsverpflichtung aufgrund einer Insolvenz nicht nachkommen können, dann sind die AN-Ansprüche durch den Pensionssicherungsverein (PSV) abgesichert, weit besser, als es ein Protektor als Absicherungseinrichtung der Versicherer je tun könnte.
Es dürfte klar werden, dass nicht die niedrigere Sparneigung der AN und nicht die schlechte Kommunikation der AG der wahre, tiefere Grund für die Zurückhaltung in den Belegschaften ist, sondern die mangelnde Attraktivität der Versicherungen mit ihren hohen Kosten sowie der angeschlagene Ruf ihrer Anbieter.
Kann da ein verantwortungsbewusster Unternehmer seinen Mitarbeitenden gegenüber ruhigen Gewissens noch eine versicherungsbasierte bAV kommunizieren oder gar bewerben, wenn selbst die BaFin einen großen Teil der Pensionskassen unter verschärfter Beobachtung hat, ihr Geschäftsmodell infrage stellt und große Versicherer ihr Neugeschäft mit Lebensversicherungen längst eingestellt
haben? Und wie kann ein Unternehmen hinter einem Produkt einer Versicherungsgesellschaft stehen, bei dem es womöglich sogar selbst in die Haftung rutscht?
Die WTW-Studie stellt übrigens auch fest, dass bei versicherungsförmigen bAV-Modellen die Teilnahmequote steigen würde, wenn die AG mehr hinzuschießen würden. Klingt logisch, allein: Warum sollten die Unternehmen das tun? Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind aufgeklärter, als manche Versicherer glauben. Das sollten auch die bAV-Berater erkennen und ihr Angebotsportfolio zumindest erweitern. Ihre Kollegen aus der versicherungsfreien bAV zumindest freuen sich seit Jahren über zweistellige Zuwachsraten.
Fazit
Die Schuld für die anhaltende Schwäche in der versicherungsbasierten bAV liegt nicht bei den Arbeitgebern oder den Belegschaften, sondern bei den Versicherern und ihren unzulänglichen Produkten. Auch bAV-Berater sollten ihr Geschäftsmodell auf den Prüfstand stellen.
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