Qualifizierte Mitarbeiter sind ein wesentlicher Faktor für den Unternehmenserfolg. Unternehmen, die bei der Rekrutierung integrativer vorgehen und in Maßnahmen zur Förderung von Vielfalt, Teilhabe und Integration („Diversity, Equity and Inclusion“ – DEI) investieren, finden besser geeignete Mitarbeiter. Dies kann zu Wettbewerbsvorteilen und besseren Ergebnissen für Anleger führen. Es gibt zunehmend dafür Belege, dass Unternehmen, die bei der Messung von ethnischer, kultureller und geschlechtsspezifischer Vielfalt gut abschneiden, eine höhere Profitabilität aufweisen als ihre Konkurrenten.
Gayle Baldwin, Senior Research Analyst and Portfolio Manager - Equities und Vivian Lubrano, Portfolio Manager - Equities bei AllianceBernstein
Viele Arbeitgeber geben an, dass sie sich bemühen, ihre Rekrutierungsprozesse fairer zu gestalten. Eine Umfrage des HR Research Instituts ergab jedoch, dass ein Großteil der Befragten hierbei noch nicht systematisch vorgeht. Oft orientieren sich Unternehmen zudem an festgelegten Quoten, um eine vielfältige Belegschaft zu entwickeln.
Unserer Einschätzung nach ist das jedoch nicht unbedingt der beste Ansatz. Denn der Versuch, einfach nur mehr Frauen oder Minderheiten auf die Gehaltsliste zu setzen, bedeutet nicht automatisch, dass Personalabteilungen die richtigen Leute für die jeweilige Position finden. Der Schlüssel liegt vielmehr darin, kreativere Methoden zu entwickeln, um die talentiertesten Mitarbeiter für eine Stelle zu finden, indem man Vorurteile ausräumt, die möglicherweise verhindern, dass vielfältige Talente an Bord geholt werden.
Anleger sollten deshalb auf drei Arten von integrativen Rekrutierungstaktiken achten, die eine strategische Verschmelzung von zukunftsorientierten Neueinstellungen und einer auf Vielfalt ausgerichteten Denkweise signalisieren:
1. Neudefinition von Qualifikation
Personalverantwortliche lassen sich leicht von eindrucksvollen Lebensläufen beeinflussen. Abschlüsse von Spitzenuniversitäten oder Berufserfahrung bei renommierten Unternehmen können einen Kandidaten in gutem Licht erscheinen lassen.
Doch viele wichtige „weichere“ Kompetenzen wie Kreativität, intellektuelle Neugier oder Problemlösungsfähigkeit werden in solch einem Lebenslauf oft nicht abgebildet – und können über Erfolg oder Misserfolg bei einer Neueinstellung entscheiden. Wenn ein Unternehmen gezielt auf diese Fähigkeiten testen würde, würde es möglicherweise hoch qualifizierte Mitarbeiter finden, die nicht dem Standardprofil für eine bestimmte Stelle entsprechen.
Ein erfolgreiches Beispiel dafür ist Infosys, ein indisches IT-Dienstleistungsunternehmen. Das Unternehmen wollte verstärkt Mitarbeiter mit Kundenkontakt in den USA einstellen. Dabei wurde festgestellt, dass für Einstiegspositionen kritisches Denken ein wichtigerer Erfolgsfaktor ist als ein Ingenieurabschluss. Das Unternehmen zog daraus Konsequenzen und etablierte Partnerschaften mit Community Colleges und Liberal Arts Colleges in den USA, um Studenten mit ausgeprägter kritischer Denkfähigkeit zu finden, denen man nachträglich Programmieren beibringen konnte. An diesen Colleges studieren in der Regel mehr Frauen und Minderheiten. Durch die Nutzung dieses Potenzials konnte Infosys seinen Mitarbeiterstamm in den USA vergrößern und gleichzeitig diversifizieren.
Ein weiteres Beispiel: Lkw-Fahrer gilt gemeinhin als Männerberuf. Doch SG Holdings, ein japanisches Speditions- und Logistikunternehmen, hat erfolgreich mit diesem Schema gebrochen. Angesichts der alternden Bevölkerung Japans hatte das Unternehmen Schwierigkeiten, ausreichend männliche Fahrer zu rekrutieren. SG Holdings investierte deshalb in Technologien, die den körperlich fordernden Teil der Arbeit reduzierten. Die Investition in Wechselbrücken-Lkw mit austauschbaren Containern ermöglichte es dem Unternehmen beispielsweise, die Aufgabe des Beladens der Lkw von der des Fahrens zu trennen. Infolgedessen konnte SG Holdings mehr Frauen, ältere und sogar körperlich eingeschränkte Fahrer für seine Flotte gewinnen.
2. Die Aufmerksamkeit auf untypische Talente richten
Personalabteilungen verharren oft in vertrauten Routinen. Bewerber werden beispielsweise aus ähnlichen Hochschulen und Unternehmen ausgewählt, was Vielfalt stark einschränkt. Kreative Einstellungsprozesse sollten offen dafür sein, auch an eher untypischen Orten nach geeigneten Kandidaten zu suchen. Das Unternehmen Herc Holdings zum Beispiel vermietet schwere Baumaschinen. In diesem Geschäft sind Sicherheit und die Einhaltung von Verfahren von größter Bedeutung – genau wie beim Militär. Herc Holdings suchte deshalb sehr erfolgreich unter US-Militärveteranen, Reservisten und Mitgliedern der Nationalgarde nach neuen Mitarbeitern und wurde in einem sehr vielfältigen Pool von ausgebildeten Soldaten fündig.
In Europa wiederum sind Flüchtlinge aus Krisenherden oft hoch motiviert, nach der Flucht aus ihrer Heimat ein neues Leben aufzubauen. Das französische IT-Unternehmen Capgemini hat dieses Potenzial erkannt und in Großbritannien ein Programm ins Leben gerufen, um Flüchtlinge in digitalen Berufen auszubilden, zu vermitteln und so dem Fachkräftemangel in diesem Sektor entgegenzuwirken. Auch der französische Kosmetikkonzern L’Oréal hat im Jahr 2022 damit begonnen, Flüchtlinge in seine Belegschaft zu integrieren.
3. Abbau von unbewusster Voreingenommenheit
Vorurteile und unbewusste Voreingenommenheit sind vielleicht eines der größten Hindernisse beim Aufbau einer vielfältigen Belegschaft. Das wachsende Bewusstsein für diese Problematik hat zur Entwicklung verschiedener Instrumente geführt, die dazu beitragen können, Vorurteile abzubauen und Integration zu fördern.
Thermo Fisher Scientific, ein US-amerikanischer Anbieter von wissenschaftlichen Instrumenten, bewertet zum Beispiel alle Stellenausschreibungen mit einem Tool, das sprachliche Voreingenommenheit reduzieren soll – also Wörter, die potenzielle Bewerber ungewollt von einer Bewerbung abhalten könnten. In Großbritannien bietet das Industrieunternehmen IMI Schulungen zum Thema unbewusste Voreingenommenheit an und fordert von Headhuntern, dass sie Kandidaten in einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis auswählen. Das Ergebnis: Drei Jahre in Folge war die Hälfte der von IMI eingestellten Ingenieurabsolventen weiblich.
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