Online Art Trade Report: Fractional Ownership löst NFTs ab

© GuGGGar – stock.adobe.com

Der Umsatz des Online-Kunstmarktes stieg 2022 um 6 Prozent auf 10,8 Mrd. US-Dollar. Aufgrund gestiegener Lebenshaltungskosten planen 30 Prozent der Käufer, in den nächsten 12 Monaten weniger online zu kaufen. Digitale Kunst bleibt als Spekulationsobjekt beliebt und kommt mit einem neuen Trend: Fractional Ownership zeigt viel Potential. NFTs sind für Kunstkäufer fast kein Thema mehr.

Der Online-Verkauf von Kunst und Sammlerstücken stieg im Jahr 2022 um 6 Prozent auf weltweit schätzungsweise 10,8 Mrd. US-Dollar. Nach zwei turbulenten Jahren mit beispiellosem Wachstum ist der Wert damit wieder auf das einstellige Vor-Pandemie-Niveau zurückgekehrt.

Aktuelle Zahlen aus dem Hiscox Online Art Trade Report zeigen allerdings, dass nicht nur das Ende der Beschränkungen, sondern auch die aktuelle wirtschaftliche Unsicherheit für den Rückgang der Wachstumsraten verantwortlich sind. So geben 30 Prozent aller Kunstkäufer an, dass sie in den nächsten 12 Monaten weniger kaufen werden, weil sie über weniger Einkommen verfügen. Vor dem Hintergrund der gestiegenen Lebenshaltungskosten ist dieser Anteil bei jüngeren (32 Prozent) und neuen Kunstkäufern (35 Prozent) etwas höher.

Parallel lässt sich ein weiterer Trend beobachten: Mit dem Aufkommen der Onlinebanken und Neobroker, wie der amerikanischen Plattform Robin Hood oder Trade Republic aus Deutschland, investieren vor allem junge Menschen vermehrt an der Börse. Fast 70 Prozent der Nutzer sind dabei jünger als 35 Jahre, und fast die Hälfte sind Neulinge, die zum ersten Mal in Kapitalmärkte investieren [1].

Investiert wird dabei nur ein Teil des verfügbaren Geldes, oft bleibt eine größere Summe als Sicherheitspuffer auf dem regulären Konto [2]. Gerade in finanziell herausforderndem Umfeld sind solche Investitionen mit kleinen Budgets attraktiv, sodass das Anlagevolumen im Segment der Neobroker 2023 etwa 451,60 Mrd. Euro betragen wird [3].

Digitale Kunst als Investitions- und Spekulationsobjekt

Der Online Art Trade Report zeigt, dass sich diese Entwicklung nicht nur auf die Kapitalmärkte beschränkt: Immer mehr Menschen betrachten Kunst als Investition, wobei fast zwei Drittel (63 Prozent) dies als einen starken oder sehr starken Anreiz für den Kauf von Kunst angeben. Erneut ist dieses Motiv bei jüngeren Käufern (68 Prozent) besonders ausgeprägt.

Das Konzept der Investition in Kunst aus reiner Renditeerwartung ist per se nicht neu. Kunst-Investmentfonds, vom British Rail Pension Fund im Jahr 1974 bis zum Fine Art Fund im Jahr 2001, haben diejenigen angezogen, die nach höheren Renditen und einer Diversifizierung gegenüber den üblichen Anlagen suchten.

Mit Blick auf den digitalen Kunstmarkt war der regelrechte Hype um NFTs (Non-Fungible-Tokens) während der Pandemie der erste Ausschlag in diese Richtung. Im Rahmen der Befragung im Jahr 2022 gaben mehr als acht von zehn (82 Prozent) NFT-Käufern an, dass es ihnen mehr um die Investition als um die Kunst geht.

Spätestens seit den medienwirksamen Zusammenbrüchen bedeutender Player wie FTX oder Luna hat sich dieser Markt rasant abgekühlt, und NFT-Verkäufe liegen in fast allen Bereichen – einschließlich Volumen und Preis – um mehr als 90 Prozent niedriger als im Vorjahr.

Der aktuelle Report bestätigt diesen Trend, denn der Anteil derer, die bereits ein NFT erworben haben, hat sich über das vergangene Jahr um lediglich einen Prozentpunkt von 19 auf 20 Prozent erhöht. Noch weniger (12 Prozent) Kunstkäufer werden in den kommenden 12 Monaten wahrscheinlich ein NFT kaufen (gegenüber 27 Prozent im Jahr 2022), wobei Käufer in allen Altersgruppen die Aussichten für dieses Jahr ähnlich vorsichtig einschätzen.

Die Hintergründe für diese Zurückhaltung liegen klar in den jüngsten Marktturbulenzen: Knapp 40 Prozent (39 Prozent) gaben an, dass sie das Ende der Spekulationsblase abwarten wollen, 37 Prozent wünschen sich außerdem eine stärkere Regulierung des NFT-Marktes.

Was die ausschließlich digital existierenden Kunstwerke angeht, die man als NFT kaufen kann, sei der große Hype ganz klar am Ende, berichtet Alina Sucker, Underwriting Manager Art & Private Clients bei Hiscox Deutschland. Nicht zuletzt deswegen, weil die allermeisten Käufer vorrangig ein Investitions- und seltener ein spezielles Kunst-Interesse gehabt haben, sodass zeitweise auch künstlerisch weniger interessante Stücke zu teilweise sehr hohen Preisen ihre Abnehmer fanden.

Ganz anders sehe die Prognose aber bei NFTs aus, die für physische Kunstwerke als Verifizierungstoken eingesetzt werden und damit das Jahrhundert alte Problem lösen können, die Provenienz zweifelsfrei nachzuweisen – hier sehe Hiscox noch sehr viel Potential, auch im Bereich Classic Cars oder andere Collectibles, wo wir es auch häufig mit Fälschungen zu tun haben, ordnet Sucker die Marktsituation ein.

Neuer Trend im Bereich Digital Art Investment

Mit der zunehmenden Popularität des Konzepts der Demokratisierung von Kunstinvestitionen entstehen laufend neue Modelle. Und die aktuellen Zahlen lassen vermuten, dass die Lücke, die NFTs im digitalen Kunstmarkt hinterlassen, nicht unbesetzt geblieben ist: Laut Hiscox Online Art Trade Report 2023 zeigt der Trend zum „Fractional Ownership“ deutliches Potenzial.

Dieser Begriff bezeichnet eine Form von Besitz, bei dem meist wertvolle Gegenstände gemeinsam beschafft und genutzt werden. Und obwohl aktuell nur 9 Prozent der befragten Kunstkäufer aussagen, in den letzten 12 Monaten in einen Anteil an einem Kunstwerk oder Sammlerstück investiert zu haben, gaben 61 Prozent an, dass sie dies in den nächsten 12 Monaten wahrscheinlich tun würden, bei den jüngeren Käufern sogar mehr als drei Viertel (78 Prozent).

Dass dieses Konzept einen Nerv trifft, hängt zunächst mit der Erschwinglichkeit von Kunst zusammen, eine der größten Marktteilnahmebarrieren. So hat die Preisinflation auf dem Kunstmarkt in den letzten 20 Jahren dazu geführt, dass investitionswürdige Kunst für die meisten Sammler und Investoren unerschwinglich geworden ist und der Markt für Außenstehende und Anfänger oft unerreichbar wirkt.

Obwohl fast ein Fünftel (18 Prozent) bereit wäre, mehr als 100.000 US-Dollar auszugeben, wird der Großteil (64 Prozent) der potenziellen Käufer von sogenanntem Bruchteilseigentum im Jahr 2023 weniger als 10.000 US-Dollar ausgeben. Damit weist dieses Modell deutliche Parallelen zur Anlegeverhalten der Neobroker auf.

Denn gleichzeitig sorgt die Volatilität der Wirtschaftslage dafür, dass das Thema Sicherheit eine stärkere Rolle in der Investitionsstrategie spielt. Bei den Neobrokern etwa sind ETFs (Exchange Trade Funds) momentan deutlich gefragter als zuvor, da diese als vergleichsweise risikoarmes Anlagevehikel gelten [4].

Analog dazu weisen auch Kunstwerke eine überdurchschnittliche Wert- und Krisenstabilität auf, weshalb die überwiegende Mehrheit (86 Prozent) der Kunstkäufer, die in den nächsten 12 Monaten den Erwerb von Anteilseigentum in Erwägung ziehen, ihr Anlageportfolio erweitern wollen, um den unsicheren wirtschaftlichen Aussichten zu begegnen. Dazu sagt Alina Sucker:

Wir sehen in unserer Praxis einen deutlichen Trend zum Fractional Ownership, das es einem erlaubt, auch in Zeiten knapperer Budgets Kunstwerke teilweise zu erwerben.

Abgesehen von reiner Kunst sei Fractional Ownership auch bei Ferienimmobilien und bei hochwertigen Oldtimern immer stärker im Kommen. Diese Entwicklung stelle ganz neue Anforderungen an die entsprechenden Versicherungslösungen – in den Versicherungsverträgen passe Hiscox flexibel an, wenn es Änderungen beim Ownership gebe.

Digitaler Kunstmarkt: Aktuelle Entwicklung

Die Daten des Hiscox Online Art Trade Report 2023, der nun zum 10. Mal in Folge veröffentlicht wurde, deuten darauf hin, dass die Pandemie den jährlichen Umsatz des Online-Kunstmarktes um 5,4 Mrd. US-Dollar ansteigen ließ. Hätte sich das Wachstum wie vor der Pandemie fortgesetzt (4 Prozent jährliches Wachstum), wären die Umsätze im Jahr 2022 nur etwa halb so hoch gewesen wie heute. Während sich der Markt wieder auf ein langsameres, gleichmäßigeres Tempo einstellt, ist er auch für härtere wirtschaftliche Zeiten gewappnet.

Robert Read, Leiter des Bereichs Kunst und Privatkunden bei Hiscox, erklärt: „Die Covid-19-Pandemie war ein bedeutender Katalysator für den Markt, der seinen Wert und Umfang in relativ kurzer Zeit steigerte. Obwohl dieses Wachstum nicht nachhaltig war, hat es sich als äußerst vorteilhaft erwiesen, da es den Käufern ein höheres Maß an Vertrauen und Zuversicht vermittelt hat.“

Einige der wichtigsten Zugangsbarrieren seien abgebaut worden, was frühere Online-Skeptiker zu regelmäßigen Online-Käufern gemacht habe, so Read weiter. Der Online-Kunstsektor stehe, wie so viele andere auch, vor potenziell schwierigen Zeiten, aber dies in einer stabileren Verfassung, als dies sonst der Fall gewesen wäre. Die Herausforderung einer schleppenden Wirtschaftsentwicklung sei in unseren Ergebnissen bereits erkennbar, aber das Ausmaß der Auswirkungen bleibe abzuwarten.

Weitere Ergebnisse des Hiscox Online Art Trade Reports

  • Online-Verkäufe sind 2022 gewachsen, aber langsamer: Der Umsatz wird auf 10,8 Milliarden Dollar geschätzt, ein Anstieg von 6 Prozent gegenüber 10,2 Milliarden Dollar im Jahr 2021, was 15,9 Prozent aller Kunstverkäufe entspricht. Ein bedeutender Sprung: Zwei Jahre beschleunigten Wachstums lassen den Wert des Online-Kunstmarktes um rund 5,4 Milliarden Dollar steigen.
  • Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise: 30 Prozent der Online-Käufer werden ihre Kunstkäufe im kommenden Jahr einschränken. Nur 18 Prozent der jüngeren Online-Sammler planen, in den nächsten 12 Monaten einen Kauf zu tätigen, was einem Rückgang von 44 Prozent im Jahr 2022 entspricht. Ein Viertel (26 Prozent) der neuen Kunstkäufer gab an, dass sie im kommenden Jahr wahrscheinlich Kunst kaufen werden, im Vergleich zu 57 Prozent im Jahr 2022.
  • Wenig Bedenken hinsichtlich des ökologischen Fußabdrucks: 54 Prozent der Online-Kunstkäufer machen sich wenig oder keine Gedanken über die Umweltauswirkungen des Online-Kaufs von Kunst. Weniger als ein Drittel (32 Prozent) gab an, dass sie bereit wären, für eine nachhaltigere Art des Online-Kunstkaufs mehr zu bezahlen.
  • Vertrauen und Zuversicht steigen: 51 Prozent der Kunstkäufer gaben an, dass ihr Vertrauen und ihr Interesse am Online-Kunstkauf während der Pandemie gestiegen sind.

Der Hiscox Online Art Trade Report 2023 verfolgt die Trends am Online-Kunstmarkt der letzten 10 Jahre und zeigt, dass der Markt für den digitalen Kunstkauf in diesem Zeitraum einen Boom erlebt hat. Der Umsatz hat sich im Vergleich zu 2012 verfünffacht (von 1,6 Mrd. US-Dollar im Jahr 2012 auf 10,8 Mrd. US-Dollar im Jahr 2022), und auch der Anteil der Sammler, die online kaufen, ist gestiegen (von 38 Prozent im ersten auf 78 Prozent im Zehnjahreszeitraum).

Anmerkungen:

[1] DIW-Studie: https://assets.traderepublic.com/assets/files/202202_DIW_study_motives_and_behavior_new_generation_of_investors.pdf

[2] GIM-Studie: GIM Whitepaper „Neobroker (R)evolution“ – g-i-m.com

[3] Statista: Neobrokers – Weltweit | Statista Marktprognose.

[4] GIM-Studie: GIM Whitepaper „Neobroker (R)evolution“ – g-i-m.com