Vergleich zum vergangenen Herbst hat sich der wirtschaftliche Ausblick in Deutschland stark erholt. Schienen Abschwung und schwere Rezession beim letzten Deloitte CFO Survey vor einem halben Jahr noch fast unvermeidlich, so sieht die Mehrzahl der 140 CFOs die Situation jetzt weit weniger düster: Die Geschäftsaussichten – zuletzt extrem negativ – liegen wieder im positiven Bereich (Indexwert: +14 Prozent).
Auch wenn der Krieg in der Ukraine andauere und die Inflation hierzulande hoch bleibe, helle sich die Stimmung unter den Unternehmen spürbar auf, erläutert Dr. Alexander Boersch, Chefökonom bei Deloitte. Er konstatiert:
Die Geschäftsaussichten sowie Investitions- und Einstellungspläne erholen sich.
Das dürfte vor allem damit zu tun haben, dass die befürchtete Gasknappheit ausgeblieben ist, während gleichzeitig fallende Energiepreise und die Öffnung der Wirtschaft in China unerwarteten konjunkturellen Rückenwind verliehen haben. Allerdings bleiben die Risiken hoch, vor allem im Hinblick auf den engen Arbeitsmarkt und die geopolitischen Spannungen, erklärt der Chefökonom.
Positive Erwartungen trotz anhaltender Inflation
Einhergehend mit dem Aufwärtstrend erwartet die Mehrheit der Unternehmen steigende Umsätze, der Indexwert klettert auf 40 Prozent. Dennoch sehen die Finanzvorstände eine Stagnation der operativen Margen, vor allem infolge der andauernden Inflation. Trotz des aktuellen Rückgangs wird für die nächsten zwölf Monate mit einer Inflation von im Durchschnitt 6,3 Prozent gerechnet, weit entfernt vom Zwei-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank.
Dessen ungeachtet steigen Beschäftigungs- und Investitionsbereitschaft in den leicht positiven Bereich und erreichen aktuell Indexwerte von neun beziehungsweise vier Prozent. Generell jedoch verläuft die Erholung sehr branchenspezifisch.
Der positive Umschwung zeigt sich besonders deutlich im Dienstleistungssektor, wo fast die Hälfte der Finanzvorstände optimistischer als noch vor drei Monaten ist. Dieser Sektor umfasst auch Banken, Versicherungswesen, Technologie, Telekommunikation, Tourismus, Transport und Logistik.
Uneinheitliche Konjunkturentwicklung in den Sektoren
Der Aufwärtstrend betrifft nicht alle Wirtschaftszweige. So rechnen die CFOs im Technologiesektor mit der stärksten Steigerung in punkto Beschäftigung und Investitionen. Einen Rückgang bei beiden Werten erwartet hingegen der Handel. Hier sieht ein Drittel der Unternehmen aktuell schlechtere Geschäftsaussichten als noch vor drei Monaten.
Auch Großunternehmen mit mehr als einer Milliarde Umsatz sind bei ihrer Vorhersage deutlich zurückhaltender – und liegen in ihren Erwartungen für Beschäftigung und Investitionen deutlich unter dem Durchschnitt (Indexwert -18 Prozent beziehungsweise -10 Prozent). Einer der Gründe dürfte mit der starken Unsicherheit im internationalen Umfeld zu tun haben, die Großunternehmen besonders stark betrifft.
Die Geschäftsaussichten werden von CFOs aus der Immobilienbranche sowie der Maschinenbaubranche am negativsten gesehen – beide Sektoren stehen durch steigende Zinsen, hohe Rohstoffpreise und Nachfragerückgang zunehmend unter Druck.
Größte Risiken durch Arbeitsmarkt und Geopolitik
Die stärksten Risiken sehen die Finanzvorstände weiterhin im Fachkräftemangel (64 Prozent) und bei den steigenden Lohnkosten (61 Prozent), dicht gefolgt von geopolitischen Risiken (58 Prozent) und einem Nachlassen der Inlandsnachfrage. Alle diese Werte sind gegenüber der letzten Befragung im Herbst deutlich gefallen. Am stärksten nachgelassen hat jedoch das Geschäftsrisiko durch steigende Energiekosten, das gegenüber der vorangegangenen Befragung um 34 Prozent gefallen ist und nun bei 41 Prozent liegt.
Insgesamt zeige der CFO Survey Frühjahr 2023 eine deutliche Besserung der wirtschaftlichen Aussichten, so Börsch. „Inwiefern dies in einer nachhaltigen Trendumkehr mündet, bleibt wegen der hohen Unsicherheit unklar. Aber die verbesserten Geschäftsaussichten sowie das positive Bild bei Beschäftigungsabsichten und Investitionsbereitschaft deuten auf ein Ende der akuten Krise hin und lassen auf einen sich anbahnenden Aufschwung in der zweiten Jahreshälfte hoffen.“
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