Die Rolle der lebenslangen Rente in der geförderten Altersvorsorge

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Aufgrund der großen Herausforderungen, vor denen die gesetzliche Rentenversicherung steht, wird es immer wichtiger, dass Menschen „mit eigenem Geld für das Alter sparen“. Der aktuelle Koalitionsvertrag sieht die Prüfung einer gesetzlichen Anerkennung von privaten Altersvorsorgeprodukten vor, die ein höheres Renditepotenzial als die Riesterrente aufweisen sollen. Die Frage, wie das angesparte Geld ausbezahlt werden soll, scheint bisher in der Diskussion allerdings kaum eine Rolle zu spielen.

Vor diesem Hintergrund hat das Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften (ifa) im Auftrag des GDV einen Realitäts-Check typischer Vorurteile in Bezug auf die lebenslange Rente vorgenommen und die Risiken von Produkten quantifiziert, die kein lebenslanges Einkommen bieten.

Bedeutung der lebenslangen Rente zur Absicherung des Lebensstandards

Wenn im Alter der gewünschte Lebensstandard stark eingeschränkt werden muss, weil das selbst angesparte Geld aufgebraucht ist und die gesetzliche Rente nur noch einen deutlich niedrigeren Lebensstandard erlaubt, so stellt dies eine große Belastung dar.

Die Finanzierung des gewünschten Lebensstandards besteht – insbesondere bei finanziell schwächer gestellten Bevölkerungsgruppen, für welche eine staatliche Förderung besonders wichtig ist – zu einem großen Teil in der Finanzierung regelmäßiger Ausgaben.

Eine lebenslange Rente sichert das Risiko ab, welches daraus resultiert, dass niemand wissen kann, wie alt er oder sie wird, und daher nicht planen kann, bis zu welchem Alter die regelmäßigen Ausgaben finanziert werden müssen.

Vorurteile in Bezug auf die lebenslange Rente

Es gibt zahlreiche Vorurteile gegen die lebenslange Rente. Die meisten basieren auf dem fundamentalen Fehler, nur die theoretisch ungünstigste Leistung einer lebenslangen Rente zu betrachten und diese mit der erwarteten oder gar erhofften Leistung anderer Produkte zu vergleichen. Dies ist aus fachlicher Sicht schlicht unsinnig.

Ein sinnvoller Vergleich muss einerseits die garantierte (ungünstigste) und andererseits die mögliche Leistung miteinander vergleichen: Beim Vergleich der möglichen Leistungen sind bei Produkten, die als Alternative zu Rentenversicherungen vorgeschlagen werden (zum Beispiel typischen Fondsentnahmeplänen) höhere Entnahmen darstellbar.

Andererseits weisen diese Produkte überhaupt keine Untergrenze für die Leistung auf. Zudem besteht das Risiko, dass man länger lebt, als das Geld reicht. Somit sind Alternativprodukte per se weder besser noch schlechter, aber für das Ziel lebenslange Ausgaben zu finanzieren in aller Regel weniger gut geeignet.

Es wird auch oft behauptet, dass Rentenversicherungen zu unflexibel seien oder in der Rentenauszahlphase zu chancenarm anlegen. Tatsächlich gibt es in der privaten Altersvorsorge eine große Vielfalt von Rentenversicherungsprodukten mit höherer Flexibilität oder chancenreicherer Kapitalanlage. Bei bisherigen geförderten Produkten schließt der Gesetzgeber allerdings oft einen großen Teil der möglichen Produktvielfalt von vorneherein aus.

Das unterschätzte Risiko

Produkte, die kein lebenslanges Einkommen bieten, sind viel riskanter als sie auf den ersten Blick erscheinen. Dies sieht man bereits an einem einfachen Beispiel:

Wir betrachten einen Fonds mit einer erwarteten Rendite von 6 Prozent und eine 65-jährige Person, die vermeintlich „vorsichtig“ genau den Betrag aus dem Fonds entnimmt, den man monatlich bis zum festgelegten Alter von 90 Jahren entnehmen könnte, wenn der Fonds gleichmäßig genau mit der erwarteten Rendite von 6 Prozent wächst. In diesem Beispiel kann monatlich rund 50 Prozent mehr entnommen werden als bei einer lebenslangen klassischen Rente.

Berücksichtigt man jedoch, dass der Fonds, selbst wenn er langfristig in Erwartung die erhoffte Rendite von 6 Prozent erzielt, diese nur unter marktüblichen Schwankungen erwirtschaften kann, so ist die Dauer, die das Geld reichen wird, aus heutiger Sicht zufällig.

Die Wahrscheinlichkeit, dass der gewünschte Betrag wirklich bis zum Alter 90 entnommen werden kann, beträgt dann überraschenderweise lediglich 32,4 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, dass man länger lebt, als das Geld reicht, beträgt nach Sterbetafeln des statistischen Bundesamtes für Männer fast 50 Prozent und für Frauen über 55 Prozent.

Dem Risiko stehen auch Chancen gegenüber. Auf diese sollte man aber nur spekulieren, wenn man sich dies leisten kann, das heißt wenn bei schlechtem Verlauf nicht der gewünschte Lebensstandard in Gefahr ist. Daher können Produkte, die kein lebenslanges Einkommen garantieren, durchaus eine wichtige Rolle in der Ruhestandsplanung spielen – zur Anlage von Geldern, die nicht zur Finanzierung regelmäßiger Ausgaben benötigt werden.

Konsequenzen für staatlich geförderte Produkte

Aus fachlicher Sicht sind bei staatlich geförderten Altersvorsorgeprodukten weiterhin Anreize zur Verrentung wünschenswert, damit zumindest diejenigen Bürger, deren gesetzlicher Rentenanspruch absehbar unter einem gewissen Niveau liegt, ihre lebenslangen Ausgaben durch ein lebenslanges Einkommen absichern.

Darüber hinaus sollte sehr genau überlegt werden, welcher Ausschnitt der möglichen Produktvielfalt bei staatlich geförderten Produkten zugelassen wird. Einschränkungen durch bisherige gesetzliche Vorgaben verstärken Vorurteile gegen lebenslange Renten, reduzieren in manchen Fällen die subjektive Attraktivität und in anderen Fällen den objektiven Nutzen der angebotenen staatlich geförderten Lösungen.

Die gesamte Stellungnahme des ifa steht hier zum kostenlosen Download zur Verfügung.