Datensparsamkeit hemmt personalisierte Gesundheitsvorsorge

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Das Gesundheitswesen durchläuft einen massiven Wandel hin zu Digitalisierung und personalisierter Prävention. Laut einer neuen PwC-Umfrage steht die Mehrheit der deutschen Teilnehmer*innen diesem Wandel positiv gegenüber und möchte individuell vorsorgen. Viele schrecken jedoch vor der Weitergabe ihrer Daten zurück oder können sich Prävention nicht leisten. Für eine erfolgreiche Transformation müssen alle Stakeholder ihre Geschäftsmodelle und Services grundlegend adaptieren.

Gesundheitsbranche wird und muss sich rasant wandeln, um den Ansprüchen der Patient*innen sowie neuen Technologien gerecht zu werden. Eine besonders große Bedeutung kommt dabei der personalisierten Medizin zu, die seit einiger Zeit einen Innovationsschub erlebt und vor allem für die Prävention von Krankheiten immer relevanter wird.

Während das Thema Prävention für die große Mehrheit der Deutschen (72 Prozent) eine wichtige beziehungsweise sehr wichtige Rolle spielt, setzen die meisten noch auf klassische Methoden wie eine gesunde Ernährung oder regelmäßigen Sport.

Gesundheitsapps sowie der Weitergabe ihrer Daten stehen viele Befragte dagegen skeptisch gegenüber. Zudem ist Prävention für viele zu teuer. Zu diesen Ergebnissen kommt die Studie „From healthcare to life care“ von PwC und Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC, in der die Voraussetzungen und Möglichkeiten von Präzisionsmedizin und Prävention untersucht werden.

In einer Umfrage, die für die Studie in mehreren europäischen Ländern und den USA durchgeführt wurde, geben 44 Prozent der befragten Deutschen an, nicht über genügend Geld zu verfügen, um sich Präventionsmaßnahmen leisten zu können.

Dabei würden 22 Prozent maximal 30 Euro pro Jahr für Gesundheitsvorsorge ausgeben, und weitere 28 Prozent würden bis zu 100 Euro investieren. Mögliche Hebel, um mehr Prävention zu erreichen, sind bessere Informationen und leichterer Zugang.

So fühlen sich 23 Prozent unzureichend beim Thema Vorsorge informiert und 21 Prozent geben an, nicht ausreichend Zugang zu Präventionsmöglichkeiten zu haben. Mangelndes Vertrauen in Vorsorgemaßnahmen halten 19 Prozent der Befragten in Deutschland von Prävention ab.

Daten als Schlüssel für personalisierte Medizin

Vor allem die Skepsis gegenüber digitalen Vorsorgeanwendungen wie Apps oder Wearables sowie der Weitergabe individueller Daten ist noch groß. Lediglich 17 Prozent der Umfrageteilnehmer*innen teilen bereits Gesundheitsdaten zu Präventionszwecken, und nur 18 Prozent nutzen digitale Tools wie Gesundheits-Apps oder könnten sich dies vorstellen.

Dabei kommt gerade individuellen Daten eine Schlüsselrolle bei der Transformation in Richtung personalisierter Medizin zu. Mithilfe von Datenanalysen und Künstlicher Intelligenz können sie entscheidende Informationen liefern, um Krankheiten vorherzusagen und zu verhindern.

Sie bilden zudem die Grundlage für die Entwicklung von passenden Arzneimitteln und Therapien. Das gilt vor allem für die personalisierte Medizin, bei der die Therapie individuell an einzelne Patient*innen auf der Grundlage beispielsweise ihrer Genetik, ihrer Metabolomik, ihres Umfelds und ihres Lebensstils angepasst wird.

Ein Gesundheitswesen, das auf personalisierter Medizin, individueller Prävention sowie der Nutzung digitaler Tools beruhe, funktioniere nach ganz anderen Regeln als unser bisheriger Ansatz und schaffe vollkommen neue Wertschöpfungspotentiale, so Dr. Thomas Solbach, Co-Autor der Studie und Partner bei Strategy& Deutschland. Er prognostiziet:

In Zukunft wird Heilen nicht mehr bedeuten, erst dann auf Patient*innen zu schauen, wenn sie bereits krank sind.

Vielmehr werde es darum gehen, den individuellen Menschen so gut zu verstehen und zu schützen, dass er oder sie möglichst gar nicht erst krank wird. Eine wichtige Voraussetzung dafür seien jedoch Daten. Und zwar sowohl über Krankheiten und Risikofaktoren als auch über Präventivmaßnahmen wie Impfungen und bildgebende Diagnostik.

Personalisierte Medizin: ein wachsender Markt

Laut Studie liefern entsprechende Pilotprojekte bereits vielversprechende Ergebnisse. So sammelt etwa das gemeinnützige Open Source Imaging Consortium (OSIC) anonymisierte Daten, die in einer von PwC und Microsoft Azure entwickelten Datenbank gespeichert werden.

Mithilfe von Künstlicher Intelligenz können die Forscher*innen auf dieser Grundlage besser prognostizieren, welche Menschen auf welche Therapie ansprechen werden. Das Bodylogical-Tool von PwC, mit dem ein digitaler Zwilling des menschlichen Körpers erstellt wird, verfolgt ein ähnliches Ziel. Mit dem „Digital Twin“ können Pharmaunternehmen simulieren, wie sich eine Behandlung auf verschiedene Patienten auswirkt.

Der individualisierten Gesundheitsversorgung auf Basis von Daten und künstlicher Intelligenz gehöre die Zukunft, weiß Michael Burkhart, Leiter Gesundheitswesen bei PwC Deutschland. Erforderlich sei dafür aber die Zusammenarbeit zwischen Gesundheitsdienstleistern, Pharmaunternehmen, Kostenträgern, Technologieunternehmen, Forschung und dem öffentlichen Sektor, um die notwendige Akzeptanz bei den Patient*innen zu schaffen.

Hier stehen wir noch ganz am Anfang und müssen einige Hürden meistern, berichtet Burkhart weiter. Die PwC-Analyse zeige jedoch klar, dass die personalisierte Medizin eine Chance sei, die Gesundheitsversorgung auch bei steigendem Fachkräftemangel weiterhin zu verbessern, ohne dass sich die Gesamtkosten des Gesundheitssystems
erhöhen.

Methodik der Umfrage

Im Rahmen der Studie wurden 1.500 Personen aus den USA, dem Vereinigten Königreich, Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Japan befragt, wobei die USA und Deutschland den größten Anteil der Befragten ausmachten. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer*innen lag bei 41 Jahren. Bei den meisten Fragen waren Mehrfachnennungen möglich.