Wer stirbt, hinterlässt auch ein digitales Erbe. Doch nur die Wenigsten kümmern sich um ihren digitalen Nachlass. Im Testament ist in der Regel klar bestimmt, wer Haus und Grund, das Vermögen und wertvolle Gegenstände nach dem Tode bekommen soll. Doch was mit den persönlichen digitalen Daten nach dem Ableben passiert, ist in den seltensten Fällen geklärt.
Ein Fehler, denn eine solche "digitale Erbmasse“ häufen mittlerweile nahezu alle Menschen in ihrem Leben an, wie Maximilian Kleyboldt, CFP®, Vorstandsmitglied des Financial Planning Standards Board Deutschland e.V. (FPSB Deutschland), erläutert.
Ob Daten aus sozialen Netzwerken, E-Mails oder Benutzerkonten für Online-Banking oder andere Plattformen im Web – durch die Digitalisierung umfassen Nachlässe und Erbschaften immer häufiger auch digitale Bestandteile.
Und das dürften inzwischen bei den meisten sehr viele Daten sein. Denn immer mehr digitale Spuren werden bewusst oder auch unbewusst hinterlassen. Diese elektronischen Daten, die nach dem Tod der Benutzer*innen weiter existieren, werden als "digitales Erbe" oder "digitaler Nachlass" bezeichnet. Die Rechte gehen an die Erb*innen über. Für Erblasserinnen und Erblasser ist es somit sehr bedeutsam, wer nach seinem Ableben welche Daten erhält, in denen eventuell wertvolle Informationen über Vermögenswerte bis hin zu privatesten Geheimnissen gespeichert sind. Wichtig ist vor allem, dass auch die Erbinnen und Erben Zugang im Todesfall erhalten und Kenntnis über den Zugang haben. Der "Facebook-Fall" löste einen rechtswissenschaftlichen Diskurs hinsichtlich des digitalen Nachlasses aus, nachdem Facebook den Eltern den Zugang zum Account der verstorbenen Tochter verweigert hatte.
Unwissenheit über digitale Spuren
Einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov zufolge, haben sich dennoch nur acht Prozent der volljährigen Deutschen bisher intensiv mit der Regelung des digitalen Nachlasses beschäftigt. Ein Hindernisgrund ist dabei Unwissenheit: Viele Menschen wissen gar nicht, dass auch E-Mail-Accounts oder Konten in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram zum „Digitalen Erbe“ gehören.
Nachfolgeplaner Kleyboldt, der neben seiner Vorstandstätigkeit auch Stellvertretender Direktor im Wealth Planning bei der Bethmann Bank in Frankfurt am Main ist, hat deshalb einen Rat:
Der digitale Nachlass findet derzeit im Rahmen der Nachfolgeberatung wenig bis keine Berücksichtigung. Wer sein digitales Erbe schon zu Lebzeiten ordentlich regelt, macht seinen Hinterbliebenen vieles leichter. Je sensibler und sorgfältiger bereits zu Lebzeiten mit den Spuren im Netz umgegangen wird, desto einfacher ist es für die Erben, den digitalen Nachlass zu verwalten
Diese müssen sonst etwa Daten und bestehende Accounts löschen sowie vereinbarte Abos und Kaufverträge kündigen, schließlich enden diese Verträge nicht automatisch. Sinnvoll ist beispielsweise, zunächst eine Übersicht aller Accounts mit Benutzernamen und Kennwörtern zu erstellen. In einer Vollmacht können Erblasser*innen zudem frühzeitig festlegen, was nach dem Tod mit Accounts, Passwörtern und anderen digitalen Spuren, wie Daten in Cloud-Diensten, passieren soll und wer die Zugriffsrechte erhält.
Erben erhalten Daten-Zugriff
Und noch etwas sollten Erblasser*innen beachten: Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs geht das digitale Erbe komplett auf die erbberechtigten Hinterbliebenen über, so dass sie auf die Daten zugreifen dürfen – selbst wenn es sich um private Chats handelt. Laut BGH steht in diesem Fall das Erbrecht über dem postmortalen Persönlichkeitsrecht, dem Fernmeldegeheimnis sowie dem Datenschutz. Wer jedoch verhindern will, dass einer der Erben auf ein Nutzerkonto zugreifen kann, sollte eine*n Testamentsvollstrecker*in einsetzen, der beziehungsweise die den Zugriff der Erb*innen verhindert und die Datenbestände löscht beziehungsweise Nutzerkonten kündigt.
Jede Erblasserin und jeder Erblasser sollte sich frühzeitig um die Regelung des eigenen Nachlasses kümmern, egal, ob dieser aus klassischen Sachwerten wie einer Immobilie oder Aktien oder digitalen Werten besteht, fasst FPSB-Vorstand Kleyboldt zusammen. Ohne Hinweise auf Benutzernamen, Passwörter oder PINs können im schlimmsten Fall sogar Vermögenswerte unerkannt bleiben. Das gilt insbesondere für Konten bei reinen Online-Banken, restlichem Paypal-Guthaben oder auch Vermögenswerten in Kryptowährungen. Die Herausforderung für die Nachfolgeberatung bezüglich des digitalen Nachlasses ist das Spannungsfeld zwischen Dokumentation und Diskretion.
Check-Liste für den digitalen Nachlass
- Die wichtigste Maßnahme: Kümmern Sie sich um das Thema "digitaler Nachlass“.
- Anfertigung einer dokumentierten Übersicht der Aktivitäten im Internet
- Zugangssicherung für bestimmte beziehungsweise definierte Personen gewährleisten
- Benutzerkennung und Passwort sowie entsprechende Aktualisierungen sollten der vorgesehenen Person in geeigneter Weise bekannt sein, um sie in die Lage zu versetzen, im entscheidenden Zeitpunkt auf den jeweiligen Account zugreifen zu können.
- Integrieren Sie Ihre Vorstellungen und Wünsche bezüglich Ihres digitalen Vermögens in Ihren Vollmachten.
- Machen Sie sich auch vertraut mit den Nutzungsbedingungen der von Ihnen in Anspruch genommenen digitalen Dienstleistungen und den jeweiligen anbieterspezifischen Regelungen, insbesondere für die Stellvertretung und die Fälle des Versterbens.
- Suchen Sie das Gespräch mit der von Ihnen ausgewählten Person und unterrichten Sie diese in geeigneter Form über Ihre Wünsche für den Fall der Fälle.
- Erblasser*innen ist zu raten, bei Online-Aktivitäten und bei der Speicherung von Daten grundsätzlich zwischen geschäftlichen und privaten Daten sowie ggf. Vermögenswerten und Nicht-Vermögenswerten zu trennen.
- Anlage einer digitalen Vorsorgemappe: Verschlüsselung des Dokuments mit einem sogenannten Master-Passwort. Dieses braucht nicht regelmäßig geändert werden und kann den Erben beispielsweise im Rahmen der letztwilligen Verfügung mitgeteilt werden.
- Checken Sie aktuelle Vollmachten oder das bestehende Testament in Bezug auf den digitalen Nachlass.
- Abschließend gilt es natürlich darauf hinzuweisen, dass dies nur einen Ausschnitt der möglichen Aktivitäten umfasst, und insbesondere die rechtlichen Fragestellungen dieser Aspekte zusätzlich mit dem*r persönlichen Rechtsberater*in erörtert werden sollten.
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