Mit der Vermittlerrichtlinie IDD im Jahr 2018 kamen mit dem Produktfreigabeverfahren (POG, Product Oversight Governance) neue Anforderungen auf die Versicherer zu.
Nach den Erfahrungen des Instituts für Finanz- und Aktuarwissenschaften (ifa) aus vielen Projekten wurden quantitative Analysen im Zuge des Produktfreigabeverfahrens in der Lebensversicherung in der Vergangenheit nur in beschränktem Umfang durchgeführt. Hierzu gab es bisher auch kaum konkrete Vorgaben.
Das ändert sich nun durch zwei Äußerungen von offizieller Seite: EIOPA hat am 31.10.2022 mit der Veröffentlichung „Methodology to assess value for money in the unit-linked market“ Klarstellungen für fondsgebundene und hybride Produkte vorgenommen.
Für die deutschen Versicherer sind insbesondere die Äußerungen der BaFin im „Merkblatt zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten“ relevant, welche bis zum 15.01.2023 konsultiert werden und für alle kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukte relevant sein werden.
Für die Produktentwicklung ergeben sich aus dem BaFin-Merkblatt quantitative Anforderungen zur Darlegung des Kundennutzen, die insbesondere Ablaufleistung und Rückkaufswert betreffen. Dazu sind Szenarioanalysen durchzuführen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Rendite nach Kosten oberhalb der Inflationserwartung zeigen müssen.
Im beispielhaften Fall von drei Szenarien soll unter „hinreichend“ dabei nicht nur das optimistische, sondern auch das mittlere Szenario verstanden werden. An dieser Stelle sind aber noch viele Detailfragen offen: Wie werden die Szenarien ermittelt? Wird dafür ein stochastisches Modell verwendet? Wie geht Inflation in das Modell ein? Wie wird das Modell an den Kapitalmarkt kalibriert? Wie viele Szenarien werden betrachtet? Was bedeutet „mit hinreichender Wahrscheinlichkeit“?
Beim Thema Rückkaufswerte sind Zeitpunkte für die Analyse der vorzeitigen Vertragsbeendigung zu ermitteln. Hierbei kommt der Ermittlung von angemessenen Stornoawahrscheinlichkeiten für das jeweilige Produkt eine größere Bedeutung zu als bisher. Auch im Rahmen der Vertriebsvergütung sind diesbezüglich umfangreiche Analysen auf Vertriebspartnerebene durchzuführen.
Zu POG gehört zudem die Produktüberwachung. Durch das BaFin-Merkblatt wird nun klargestellt, dass die Prüfung des Kundennutzens entsprechend den Regeln der Produkteinführung laufend wiederholt werden muss. Dabei sollten dann die Erkenntnisse aus dem Bestandsgeschäft – insbesondere hinsichtlich Szenarienauswahl und Stornoannahmen – einfließen.
Themen:
LESEN SIE AUCH
BaFin: Neues Merkblatt zu kapitalbildenden Lebensversicherungen
Mit ihrem jüngst veröffentlichten Merkblatt zum Schwerpunkt der wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekte will die BaFin sicherstellen, dass kapitalbildende LV einen angemessenen Kundennutzen bieten. Außerdem sollen Exzesse im Provisionsvertrieb dieser Produkte verhindert werden.
Provisionsrichtwert: BaFin-Entwurf wirft Fragen auf
Mit dem nun veröffentlichten Merkblatt-Entwurf beendet die BaFin die Debatte um einen Provisionsrichtwert. Jedoch läuft die Aufsicht Gefahr, sich zu einseitig auf die Kostenseite von Produkten zu fokussieren. Ein Kommentar von VOTUM-Vorstand Martin Klein.
BaFin rückt Kundennutzen und Stornoquoten in den Fokus
Die BaFin hat ihre Prioritäten für 2025 vorgestellt. Besonders Unternehmen mit hohen Stornoquoten müssen mit genauerer Prüfung rechnen.
Provisionsrichtwert: BaFin-Merkblatt verfehlt seinen Zweck
VOTUM bemängelt: Der Entwurf des BaFin-Merkblatts formuliert unter dem Vorwand, den Versicherungsgesellschaften Anleitungen für ihre Produktentwicklungsprozesse zu geben, nahezu ausschließlich Vorgaben und Eingriffe in die Gestaltung der Vertriebsvergütung.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Recyclingbranche unter Feuer: Warum Entsorger kaum noch Versicherungsschutz finden
Brände in Recyclinganlagen nehmen wieder zu – und mit ihnen die Prämien. Für Vermittler stellt sich die Frage: Wer bietet überhaupt noch tragfähigen Versicherungsschutz für diese Hochrisiko-Branche? Die Hübener Versicherung bleibt eine der letzten Adressen mit Branchenspezialisierung.
Insolvenzverfahren bei ELEMENT Insurance AG: Wie über 300.000 Verträgen abgewickelt werden sollen
Die ELEMENT Insurance AG muss nach Überschuldung und Rückversicherer-Aus abgewickelt werden. Über 300.000 Verträge wurden bereits beendet, die Schadenbearbeitung läuft weiter. Insolvenzverwalter Friedemann Schade setzt auf digitale Tools und konstruktive Lösungen – auch im Streit mit einem ehemaligen Dienstleister.
PKV bleibt 2025 stabil – doch Prävention bleibt politische Baustelle
Die private Krankenversicherung (PKV) zeigt sich zum Wahljahr 2025 widerstandsfähig und finanziell solide. Das geht aus der aktuellen SFCR-Studie von Zielke Research hervor: Die durchschnittliche Solvency-II-Quote liegt bei beachtlichen 515,55 Prozent. Kein einziges der untersuchten Unternehmen unterschreitet die gesetzlichen Kapitalanforderungen – ein Signal für Stabilität und Verlässlichkeit in unsicheren Zeiten.
Wüstenrot & Württembergische trotzt Krisenjahr – starker Auftakt 2025 nährt Gewinnhoffnungen
Trotz massiver Unwetterschäden und steigender Kfz-Kosten hat die W&W-Gruppe 2024 mit einem Gewinn abgeschlossen – und startet 2025 mit starkem Neugeschäft optimistisch ins neue Jahr. Vorstandschef Junker sieht die Gruppe auf stabilem Kurs.