Von Beginn an stand sie im Koalitionsvertrag, lange traute sich niemand an sie heran, nun macht sich der Finanzminister an ihre Ausarbeitung: Die Aktienrente. Auf diese Punkte sollte die Bundesregierung dabei achten.
Ein Kommentar von Cristian von Angerer, Chief Investment Officer bei Inyova
Ende August weilte Christian Lindner einen Tag in Stockholm. Der Finanzminister traf seinen Amtskollegen Mikael Damberg, um sich über den schwedischen Staatsfonds auszutauschen. Der Presse gegenüber lobte Lindner das schwedische Modell: Von ihm könne man lernen, dass Deutschland seine Abneigung gegen Aktien und Wertpapiere überwinden müsse. Die derzeitige, „rein gegenwartsorientierte“ Rente in Deutschland sei in einer alternden Gesellschaft kein Garant für Sicherheit. Es brauche einen Kapitalstock, der langfristig wachse und jährlich höhere Rendite erwirtschaften kann.
Damit stürmt der Finanzminister durch offene Türen. Die Deutschen warten seit Monaten darauf, dass die Aktienrente ausgearbeitet wird. Bisher war es bei der Ankündigung geblieben: Das Projekt steht im Koalitionsvertrag, zuerst sollen rund zehn Milliarden Euro als Kapitalstock bereitgestellt werden. Verwaltet werden soll das Geld von der Bundesbank.
Nun tut sich also etwas. Das ist gut. Denn bliebe Berlin untätig, würden die Beitragssätze der deutschen Rentenversicherung ins Unermessliche steigen – von derzeit 18,6 Prozent auf bis zu 23 Prozent im Jahre 2035, so erste Prognosen.
Die Aktienrente bringt nur etwas, wenn sie klug gestaltet wird
Bei aller Euphorie darüber, dass sich bei einem Problem, das keinen Aufschub gewährt, etwas bewegt, sollte sich Lindner allerdings in Erinnerung rufen, dass die Aktienrente nichts bringt, wenn ihre Ausarbeitung nicht ausreichend durchdacht wird. Zum Beispiel dadurch, dass man sie nicht nachhaltig gestaltet.
Denn in der Aktienrente liegt die historische Chance, auch beim Klima- und Umweltschutz voranzukommen. Die Wirtschaft muss auf Nachhaltigkeit im Sinne des Pariser Klimaabkommens umgestaltet werden.
Die Unternehmen verspüren auch von privater Seite Druck: Immer mehr Investoren fordern ein aktiveres Vorgehen bei Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Ziehen die adressierten Unternehmen nicht mit, drehen die Anleger schon mal den Geldhahn ab. Auch der Staat sollte dabei nicht tatenlos zusehen.
Große Investmentgesellschaften kündigten Anfang 2020 an, Beteiligungen von Unternehmen abstoßen zu wollen, die mehr als 25 Prozent ihres Umsatzes mit der Erzeugung von Kohle verdienen. Wenn selbst die freie Wirtschaft so entschieden vorprescht, warum dann nicht auch der Staat? Wichtig ist dabei, deutlich zu machen, dass nachhaltiges Wirtschaften nicht auf Kosten der Rendite gehen muss.
Umweltfreundlichen Entwurf
Worauf sollte Finanzminister Lindner achten, wenn er die Aktienrente nachhaltig ausgestalten will? Zwei Punkte sind dabei besonders wichtig. Erstens: Im Rahmenwerk der Aktienrente sollten vor allem nachhaltige Investitionen gefördert werden.
Würde Lindner gesetzlich verankern, dass ein bestimmter Prozentsatz der vom Staat erworbenen Anteile der Aktienrente in Unternehmen investiert werden muss, die nachweislich umweltfreundlich wirtschaften oder darüber hinaus eine positive Entwicklung anstoßen, würde die Bundesregierung die Kaufkraft von zig Millionen Deutschen indirekt der Nachhaltigkeit und dem Umweltschutz zugutekommen lassen.
“Unsaubere” Betriebe sollten derweil außen vor bleiben. Ein Beispiel ist der Pflegevorsorgefonds, der etwa in den Ölmulti ExxonMobil, den Bergbau-Riesen AngloAmerican oder in die Ölbohrfirma Canadian Natural Resources investiert. Diesen Fehltritt sollte Lindner bei seiner Aktienrente auslassen.
Zweitens: Deutschland braucht eine lebendige Aktienkultur. Um die zu begründen, sollte Lindner mit seiner Aktienrente nicht nur passiv in Aktien, Fonds und ETFs investieren, sondern auch den Geist von „Active Ownership“ fördern. Das bedeutet etwa, vom Stimmrecht der Aktionär*innen Gebrauch zu machen und den damit verbundenen Einfluss auf die Unternehmen zu nutzen, der ihnen für ihre Anteile am Unternehmen zusteht, zum Beispiel zum Wohle der Umwelt.
Active Ownership lässt sich in drei Bereiche einteilen: 1. Shareholder Engagement – der Dialog mit dem Unternehmen. 2. Voting – die Ausübung des Stimmrechts und 3. Shareholder Activism – das Unternehmen zum Handeln zu bewegen, wenn der Dialog keine Früchte trägt, etwa durch öffentlichen Druck, Gegenanträge, Wahlvorschläge oder Reden auf der Hauptversammlung.
Fazit
Die Entwicklung und Einführung einer Aktienrente ist überfällig und sollte mit Hochdruck auf den Weg gebracht werden. Angesichts der wachsenden Problemstellungen rund um Ressourcenknappheit und Klimakrise ist es jedoch ratsam, in nachhaltige Unternehmen zu investieren und sich den gestalterischen Möglichkeiten des Active Ownership zu entsinnen. Tut Lindner das, stellt er die Weichen der Wirtschaft auf Umweltschutz.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Lindner will Deutsche-Post-Anteile für Aktienrente verwenden
Bundesfinanzminister Christian Lindner will einem Pressebericht zufolge staatseigene Aktien der Deutschen Post für die sogenannte Aktienrente nutzen. Die angestrebte Startsumme für den von Lindner schon angekündigten Kapitalstock namens 'Generationenkapital' liegt bei zehn Milliarden Euro.
die Bayerische setzt auf `blaue Nachhaltigkeit´
Nachhaltig und flexibel vorsorgen
Der Druck auf die Eigenkapitalquoten im Mittelstand lässt nach
Die Anpassungsfähigkeit des Mittelstands hat den Druck auf die Eigenkapitalquoten während der Energiekrise verringert. Rund drei Viertel der Unternehmen blicken bezüglich ihrer Eigenkapitalausstattung optimistisch auf das Gesamtjahr 2023.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Goldpreis erreicht neuen Rekordwert
Der Goldpreis hat mit 3.600 US-Dollar je Feinunze ein neues Allzeithoch erreicht. Welche Faktoren die Rallye treiben – und warum Analystin Sarah Schalück von der apoBank den Trend noch lange nicht am Ende sieht.
Globale Renditeanstiege: Langläufer geraten unter Druck
Die Renditen 30-jähriger Staatsanleihen steigen weltweit auf neue Höchststände. Der Kapitalmarkt signalisiert: Die Phase fiskalischer Schonung ist vorbei. Emissionsdruck, politische Unsicherheiten und strukturelle Zweifel an der Schuldentragfähigkeit erzwingen eine Neubewertung. Was Anleger jetzt erwarten – und Staaten herausfordert.
KI-Aktien: Ist der Hype überschritten – oder beginnt Europas Chance?
Die KI-Euphorie hat die Börsen im Griff – doch wie tragfähig sind die Bewertungen von Nvidia, Microsoft & Co.? Während US-Tech dominiert, eröffnen sich in Europa Chancen abseits des Rampenlichts. Mike Judith, Partner und Chief Sales Officer bei TEQ-Capital, ordnet den Markt ein – und zeigt, wo Anleger jetzt genau hinschauen sollten.
Depotbanken verwahren fast 3 Billionen Euro
Die Verwahrstellen in Deutschland haben im ersten Halbjahr 2025 fast 3 Billionen Euro für Fonds verwahrt – ein neuer Rekord. Doch hinter dem Wachstum steht auch eine deutliche Marktkonzentration: Fünf Anbieter dominieren fast 70 Prozent des Geschäfts.
Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk
Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.