Die zuletzt stark gestiegenen Bauzinsen haben vielen Kaufinteressenten einen Strich durch die Rechnung gemacht. Inzwischen kann sich selbst die Mittelschicht Wohneigentum in vielen deutschen Städten nicht mehr leisten.
Eine immowelt Analyse zur Wohnkostenbelastung von Singles bei der Finanzierung einer 60-Quadratmeter-Wohnung zu derzeit gängigen Konditionen (10 Prozent Eigenkapital zuzüglich Nebenkosten, 2 Prozent Tilgung, 3,5 Prozent Zinsen, 10 Jahre Laufzeit) zeigt: Mit einem Einkommen von 3.500 Euro brutto (umgerechnet 2.246 Euro netto), was dem Deutschlandmittel entspricht, müssen Alleinlebende in 56 von 80 Großstädten mehr als 30 Prozent ihres Gehalts für die Rückzahlung des Darlehens ausgeben.
Damit liegt der Anteil allein durch die Darlehensrückzahlung über der empfohlenen Wohnkostenbelastung und Hausgeld sowie andere Nebenkosten kommen noch hinzu. Neben den höheren Zinsabschlägen verteuern die gestiegenen Energiepreise die monatlichen Kosten zusätzlich. Entspannung scheint nicht in Sicht: Die hohe Inflation, getrieben durch die hohen Energiekosten, zwingt die Europäische Zentralbank, den Leitzins nach und nach anzuheben. Dadurch dürfte die Zeit des extrem billigen Geldes vorerst vorbei sein.
Für die breite Mittelschicht dürfte der Immobilienkauf erstmal kein Thema mehr sein: Insgesamt zwei Drittel der Deutschen verdienen brutto zwischen 2.000 und 5.000 Euro. Die monatliche Belastung beim Immobilienkauf beträgt in dieser Gruppe inzwischen mindestens 29 Prozent.
Sinkende Nachfrage in allen Segmenten
Doch auch für Besserverdiener mit einem Bruttoeinkommen von 5.000 Euro ist der Traum vom Eigentum in vielen Städten geplatzt. In 35 Städten liegt die Wohnkostenbelastung trotz hohen Einkommens über 30 Prozent. Die Folge: Immer mehr Menschen haben den Wunsch des Eigenheims verworfen. Die veränderte Nachfrage nach Immobilien verdeutlicht das. Innerhalb eines Jahres sind die Anfragen auf Kaufimmobilien deutschlandweit um 17 Prozent gesunken. Parallel dazu hat sich die Anzahl der Anfragen auf Mietimmobilien um 34 Prozent erhöht.
München und Hamburg nicht mehr leistbar
Besonders in den beliebten Metropolen, in denen die Kaufpreise während der Nullzinsphase explodiert sind, ist der Immobilienkauf nun für eine breite Bevölkerungsschicht nicht mehr realisierbar. In München kostet eine 60-Quadratmeter-Wohnung derzeit 554.460 Euro, was bei den aktuellen Konditionen (2 Prozent Tilgung, 3,5 Prozent Zinsen für 10-jährige Baudarlehen) bei einer 90-Prozent-Finanzierung eine Annuität von 2.287 Euro monatlich zur Folge hat. Zudem wird ein Eigenkapital von über 100.000 Euro benötigt.
Selbst für viele Besserverdiener, die in München den größten Teil der Arbeitnehmer ausmachen, ist der Immobilienkauf nicht mehr leistbar. Bei einem Bruttoeinkommen von 5.000 Euro, was netto 2.994 Euro entspricht, gehen immer noch 76 Prozent für die Rückzahlung drauf. Bei Normalverdienern übersteigt die Annuität sogar das Einkommen.
München ist aufgrund der hohen Preise zwar ein Extrembeispiel, doch auch in Hamburg sieht es nicht viel besser aus. Bei einem Kaufpreis von 398.940 Euro und einer Annuität von 1.646 Euro haben Singles mit mittlerem Einkommen eine Belastung von 73 Prozent. Auch mit einem hohen Einkommen liegt die Wohnkostenbelastung mit 55 Prozent im ungesunden Bereich.
In Frankfurt sieht es ähnlich aus: Normalverdiener müssen 72 Prozent vom Nettoverdienst ausgeben, Besserverdiener 54 Prozent. In Berlin sind die Kaufpreise mit 311.820 Euro zwar deutlich günstiger als in den 3 genannten Städten, dafür sind die Gehälter aber auch geringer. Mehr als die Hälfte der Berliner verdient weniger als 4.000 Euro brutto. Alleinlebende mit mittlerem Einkommen haben durch den Immobilienkauf eine Belastung von 57 Prozent.
Doch nicht nur in den Metropolen ist der Immobilienkauf durch die gestiegenen Bauzinsen unerschwinglich geworden, auch in kleineren Städten ist die Belastung sehr hoch. In Freiburg (63 Prozent), Heidelberg (62 Prozent), Regensburg (59 Prozent) und Potsdam (59 Prozent) fressen Tilgung plus Zinsen fast zwei Drittel des Nettoeinkommens von Normalverdienern.
Gesunde Belastung im Osten und NRW
Am besten stehen die Chancen für die eigenen vier Wände hingegen noch im Osten und Teilen Nordrhein-Westfalens. In Chemnitz beträgt die Wohnkostenbelastung bei Normalverdienern 18 Prozent und in Gelsenkirchen 19 Prozent. Grund sind die niedrigen Kaufpreise, wodurch sich die Mehrkosten infolge der gestiegenen Zinsen noch im Rahmen halten. Gleiches gilt auch für Duisburg (22 Prozent) und Magdeburg (23 Prozent).
Wer hingegen für den Mindestlohn arbeitet, hat allerdings auch in diesen Städten keinen finanziellen Spielraum. Obwohl der Mindestlohn ab Oktober auf 12 Euro erhöht wird, liegt die finanzielle Belastung in 76 von 80 Städten oberhalb der kritischen 30-Prozent-Marke. Addiert man die Nebenkosten hinzu, dürfte der Anteil in allen Städten darüber liegen. Hinzu kommt, dass viele Banken bei der Kreditvergabe inzwischen strikter sind und mehr Sicherheiten verlangen.
Berechnungsgrundlage
Datenbasis für die Berechnung der Kaufpreise waren auf immowelt.de inserierte Angebote in den 80 deutschen Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern, die im August 2022 angeboten wurden. Die mittels hedonischer Verfahren errechneten Werte geben den Kaufpreis für eine beispielhafte Bestandswohnung mit 60 Quadratmetern (1. Stock, 3 Zimmer, Baujahr: 90er Jahre) wieder. Es handelt sich um Angebots-, keine Abschlusspreise. Die Annuitätenrate wurde für eine 90-Prozent-Finanzierung auf 10 Jahre mit einer anfänglichen Tilgungsrate von 2 Prozent und einem aktuell marktüblichen Zinssatz von 3,5 Prozent berechnet.
Die Daten für die Bruttogehälter stammen von der Bundesagentur für Arbeit. Diese wurden von immowelt in entsprechende Nettogehälter für einen Vollverdiener (Steuerklasse 1) umgerechnet. Lohnnebenkosten wurden berücksichtigt.
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