Mit der jüngsten Erhöhung um 75 Basispunkte hat die EZB zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt den Leitzins über Null angehoben. Das verbessert die Situation der Sparer, auch wenn die Sparzinsen der Banken noch länger deutlich hinter Inflation und Leitzinsen zurück liegen werden.
Ein Marktkommentar von Ben Laidler, Global Markets Strategist bei eToro
Wir hören viel über die wirtschaftlichen und arbeitsplatzbezogenen Kosten einer Zinserhöhung, aber für die Ersparnisse ist der höhere Zinssatz ein Vorteil. Dies ist besonders in Regionen mit einer alternden Bevölkerung und hohen Sparquoten wie Europa willkommen. Bargeld war in den letzten Monaten die Anlageklasse mit der besten Performance, doch die Sparzinsen der Banken liegen deutlich hinter der Inflation und den Leitzinsen zurück.
Dies könnte die Sparer weiterhin zu rentableren Anlagen wie Anleihen und dividendenstarken Aktien treiben. Das wiederum hilft auch den Banken, die Zinserhöhungen in der Regel nur langsam an die Sparer weitergeben. Diese Geschwindigkeit wird durch den Grad der Bankenkonsolidierung, den Wettbewerb und die Notwendigkeit, die Kreditnachfrage zu befriedigen, bestimmt.
Zinsen variieren stark
Wir vergleichen die durchschnittlichen Einlagensparsätze für ein Jahr mit der Inflation. Der Abstand ist trotz der jüngsten Anhebungen der Zentralbankzinsen dramatisch und variiert sogar innerhalb der EU mit ihrem einheitlichen Leitzins stark. Er reicht von 1,59 Prozent in den Niederlanden bis zu 0,02 Prozent in Spanien, wobei der Abstand zur Inflation in Australien mit 5 Prozent am niedrigsten ist.
Die Sparer werden Zinserhöhungen weiterhin begrüßen, und Bargeld bleibt in diesen volatilen Märkten beliebt. Der Inflationsrückstand ist jedoch ein starker Anreiz, sich auf der Risikokurve nach oben zu orientieren und in Staatsanleihen, Unternehmensanleihen oder dividendenstarke Aktien zu investieren.
Mit der Steigerung des Einlagensatzes um 0,75 Prozent am 8. September 2022 hat die EZB zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt den Leitzins über Null angehoben. Dies wird den durchschnittlichen Zinssatz für Spareinlagen um 0,3 Prozent erhöhen. In den USA liegt der durchschnittliche Zinssatz für einjährige Spareinlagen bei 0,46 Prozent, gegenüber 0,13 Prozent zu Beginn des Jahres. Er liegt aber immer noch weit unter dem Leitzins der Fed von 2,50 Prozent.
In der Regel sind Online-Banken wie Ally und Capital One die ersten, die ihre Zinssätze anheben, da ihre Kostenstrukturen niedrig sind und sie weniger "gebundene" Einlagen haben, während Banken mit großen Filialnetzen wie JP Morgan oder Bank of America oft langsamer sind. Die Einlagenzinsen werden auch durch die Kreditnachfrage bestimmt, die in den USA bei 11 Prozent, in Europa jedoch bei unter 5 Prozent liegt.
Themen:
LESEN SIE AUCH
So lässt sich ein gutes Jahr erfolgreich abschließen
Es scheint tatsächlich das Soft-Landing eingetreten zu sein, auf das viele gehofft, aber nur wenige gebaut haben. Mittlerweile haben sich die Märkte auf diese zentrale Prämisse festgelegt und zeigen sich positiv. Um nun das Jahr erfolgreich abzuschließen, bedarf es einer Bestätigung dieser Annahme.
EZB erhöht zum neunten Mal die Leitzinsen
Die Inflation geht zwar weiter zurück, es wird jedoch nach wie vor erwartet, dass sie zu lange zu hoch bleiben wird. Um das 2 Prozent-Inflationsziel zügig zu erreichen, hat der EZB-Rat daher beschlossen, die drei Leitzinssätze erneut um jeweils 25 Basispunkte anzuheben.
Geldpolitik: Aktuell kein Handlungsdruck für die EZB
Die EZB fährt einen riskanten Kurs. Um die Inflation einzudämmen, hat sie die Leitzinsen mehrfach deutlich erhöht. Das gefährdet Konjunktur, Beschäftigung und Klimaziele. Weitere Erhöhungen – wie angekündigt - bergen angesichts der Trends bei der Preisentwicklung eher unnötig Risiken.
Die Inversion der Renditekurve und ihre Auswirkung auf Risikoanlagen
Die Umkehrung der Renditekurve hat in den vergangenen 70 Jahren noch nie versagt, eine Rezession vorauszusagen. Doch wird sich das künftig ändern? Wie könnten die Anlagemärkte – Rezession hin oder her – auf länger anhaltende Zinserhöhungen reagieren?
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Goldpreis erreicht neuen Rekordwert
Der Goldpreis hat mit 3.600 US-Dollar je Feinunze ein neues Allzeithoch erreicht. Welche Faktoren die Rallye treiben – und warum Analystin Sarah Schalück von der apoBank den Trend noch lange nicht am Ende sieht.
Globale Renditeanstiege: Langläufer geraten unter Druck
Die Renditen 30-jähriger Staatsanleihen steigen weltweit auf neue Höchststände. Der Kapitalmarkt signalisiert: Die Phase fiskalischer Schonung ist vorbei. Emissionsdruck, politische Unsicherheiten und strukturelle Zweifel an der Schuldentragfähigkeit erzwingen eine Neubewertung. Was Anleger jetzt erwarten – und Staaten herausfordert.
KI-Aktien: Ist der Hype überschritten – oder beginnt Europas Chance?
Die KI-Euphorie hat die Börsen im Griff – doch wie tragfähig sind die Bewertungen von Nvidia, Microsoft & Co.? Während US-Tech dominiert, eröffnen sich in Europa Chancen abseits des Rampenlichts. Mike Judith, Partner und Chief Sales Officer bei TEQ-Capital, ordnet den Markt ein – und zeigt, wo Anleger jetzt genau hinschauen sollten.
Depotbanken verwahren fast 3 Billionen Euro
Die Verwahrstellen in Deutschland haben im ersten Halbjahr 2025 fast 3 Billionen Euro für Fonds verwahrt – ein neuer Rekord. Doch hinter dem Wachstum steht auch eine deutliche Marktkonzentration: Fünf Anbieter dominieren fast 70 Prozent des Geschäfts.
Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk
Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.