Ehepartner setzen sich im gemeinsamen Ehegatten-Testament meist gegenseitig als Alleinerben ein und die Kinder als Schlusserben des längst lebenden Elternteils. Ganz sauber ist die Lösung nicht. Denn das deutsche Recht garantiert nahen Verwandten wie den eigenen Kindern ein Minimum an Erbe, wenn ein Elternteil verstirbt – den Pflichtteil. Diesen können Kinder selbst dann verlangen, wenn die Eltern sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen.
Damit einzelne Kinder nicht schon beim Tod des ersten Elternteils ihren Pflichtteil fordern, enthalten die Ehegattentestamente meist eine Sanktionsklausel: Kinder, die beim Ableben des ersten Elternteils den Pflichtteil verlangen, sind auch nach dem Tod des zweiten Elternteils auf den Pflichtteil beschränkt.
Damit soll verhindert werden, dass der überlebende Elternteil im Extremfall den Nachlass verkaufen muss, um der Pflichtteilsforderung eines Kindes nachzukommen. Außerdem sollen Kinder, die im ersten Erbfall den Pflichtteil erhalten, gegenüber denjenigen Kindern, die darauf verzichten, nicht übervorteilt werden. Zum Hintergrund: Der Pflichtteil besteht aus der Hälfte des gesetzlichen Erbteils und ist ein reiner Geldanspruch.
Auskunftsrecht der künftigen Erben
Um den Pflichtteil berechnen zu können, ist das Kind auf die Auskunft des überlebenden Elternteils über den Bestand und den Wert des Nachlasses angewiesen. Das kann bei größeren Vermögen sehr viel Aufwand bedeuten, weil dann meist ein Nachlassverzeichnis erstellt werden muss.
Spitzfindige Erben sind kürzlich auf die Idee gekommen, dass bereits das Auskunftsverlangen eines Geschwisters der Geltendmachung des Pflichtteils gleichkomme. Konsequenz: Der Auskunft verlangende künftige Erbe würde damit seine Erbenstellung verlieren und wäre auf den Pflichtteil beschränkt, das heißt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
Auskunft dient der Entscheidungsfindung
Wie das Erbrechtsportal „Die Erbschützer“ berichtet, hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main diese allzu enge Interpretation der Sanktionsklausel abgelehnt. Begründung: Zwar werde der Erbe durch das Auskunftsverlangen eines Kindes belastet. Diese Informationen seien für das Kind aber erforderlich, um sich entscheiden zu können, ob es gleich seinen Pflichtteil verlangen möchte oder bis zum nächsten Erbfall wartet.
Der Trick mit dem frühen Anerkenntnis
Ehepartner, die bereits das Auskunftsverlangen ihrer Kinder als Zumutung empfinden, sollten im Testament genauer formulieren, dass das Erbe weg sei, sobald ein Kind den Pflichtteil oder Auskunft verlange, erklärt Rechtsanwalt Dr. Sven Gelbke. Der Geschäftsführer des Erbrechtsportals „Die Erbschützer“ weist allerdings darauf hin, dass die Trennung von Auskunftsanspruch und Zahlungsanspruch für viele Laien unverständlich ist.
Das nutzen findige Anwälte aus. Sie schreiben dem Auskunft verlangenden Erben, dass sie den Auskunftsanspruch anerkennen. Viele Erben lassen es daraufhin erst einmal auf sich beruhen, weil sie auf das Anerkenntnis vertrauen. Was sie aber ohne anwaltliche Beratung nicht wissen können: Sind drei Jahre abgelaufen, habe sich die Gegenseite die Möglichkeit, sich auf Verjährung des Zahlungsanspruchs zu berufen. Das heißt: Auskunft über den Nachlassbestand könne zwar weiter gefordert werden, eine Zahlung aber gebe es nicht mehr. Hier sei bei der Durchsetzung der Rechte für übergangene Erben höchste Vorsicht geboten, warnt Gelbke.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Wie funktioniert die rechtliche Erbfolge?
Grundsätzlich kann jeder Bürger sein Erbe selbst bestimmen. Wenn jedoch kein Testament oder Erbvertrag vorliegt, wird die Erbfolge gesetzlich geregelt. Diese deckt selbst komplexe Sachverhalte in ausreichendem Umfang und ohne Interpretationsspielraum ab.
Enterbt – was nun?
Wie Sie die 8 häufigsten Streitpunkte beim Erben und Vererben vermeiden
12 Kardinalfehler beim Vererben des eigenen Vermögens
Wie eigenes Vermögen richtig vererbt wird, steht im 5. Buch des Bürgerlichen Gesetzbuchs geschrieben. Doch kaum jemand wird die über 400 Paragrafen jemals lesen. Und selbst wenn: Der pure Gesetzestext allein bringt einen nicht weiter. Das richtige Vererben will also gelernt sein.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Allianz verliert - Gericht kippt Rentenfaktor-Klausel
Versicherer dürfen bei privaten Rentenversicherungen keine einseitigen Leistungskürzungen vornehmen – das hat das Landgericht Berlin mit Urteil vom 30. April 2025 entschieden. Damit stärkt es nicht nur den Verbraucherschutz, sondern stellt auch die gängige Geschäftspraxis vieler Lebensversicherer infrage.
Fahrtenbuch bei Berufsgeheimnisträgern: Wenn Datenschutz auf Steuerrecht trifft
Ein aktuelles Urteil des FG Hamburg stellt Berufsgeheimnisträger wie Rechtsanwälte vor ein Dilemma: Datenschutz versus Steuerrecht. Warum zu umfangreiche Schwärzungen im Fahrtenbuch teuer werden könnten – und was Betroffene jetzt beachten müssen.
Arbeitsrecht bei Insolvenz: Was Mitarbeitende und Personalverantwortliche wissen müssen
Die Insolvenz von Unternehmen wie der Element Insurance AG zeigt: Wirtschaftliche Schieflagen können plötzlich auftreten — mit weitreichenden Folgen für Mitarbeitende. Fachanwältin Dr. Elke Trapp-Blocher erklärt, was Personalverantwortliche über arbeitsrechtliche Konsequenzen einer Insolvenz wissen müssen und welche Rechte Arbeitnehmer haben.
Rechtsschutz bei Flugstreik: Wann der Versicherungsschutz endet
Streitfall Flugausfall: Eine aktuelle Entscheidung der Versicherungsombudsfrau zeigt, warum Streitigkeiten im Zusammenhang mit Streiks meist vom Rechtsschutz ausgeschlossen sind – auch wenn sich die Probleme später verselbstständigen.