Wie man das eigene Vermögen richtig vererbt, steht im 5. Buch des Bürgerlichen Gesetzbuchs geschrieben. Doch kaum jemand wird die über 400 Paragrafen jemals lesen. Und selbst wenn: Der pure Gesetzestext allein bringt einen nicht weiter. Dazu kommen Zehntausende Urteile deutscher und ausländischer Zivilgerichte, die es zu beachten gilt. Das richtige Vererben will also gelernt sein. Denn es steht viel auf der Goldwaage, soll doch das eigene Lebenswerk und das hart verdiente und bereits versteuerte Geld an den oder die Richtige übertragen werden.
Doch statt einen Rechtsberater beim Verfassen ihres letzten Willens zu konsultieren, suchen viele Menschen im Internet nach einem scheinbar passenden Testamentsmuster. Vor solchen und weiteren Dummheiten warnt Rechtsanwalt Dr. Sven Gelbke vom Erbrechtsportal „Die Erbschützer“. Vor allem aber rät Gelbke den Beteiligten zum bewussten Tabubruch, über das Erbe entgegen alter Sitte rechtzeitig zu reden, d.h. vor dem Tod des Testamentsverfassers. Der kann seinen Kindern dann selbst erklären, warum er wem was zugedacht hat oder warum auch nicht. Und es bleibt noch Zeit, Irrtümer und Missverständnisse auszumerzen. Das schafft Verständnis und Vertrauen. Wer dann noch die nachfolgenden 12 Kardinalfehler beim Vererben vermeidet, kann seinen Lebensabend gelassen verbringen.
Fehler Nr. 1: Das unauffindbare Testament
Viele Menschen trauen den Ämtern nicht und legen deshalb das Testament in die Schreibtischschublade oder den heimischen Safe. Nur allzu häufig sind diese Testamente dann nach Eintritt des Erbfalls urplötzlich nicht mehr auffindbar. Oft spielen dann diejenigen, die einen Zugang zum Aufbewahrungsort haben oder die Safekombination kennen, den Ahnungslosen. Das kann auch daran liegen, dass sie mit dem Inhalt des privat verwahrten Testaments nicht hundert Prozent glücklich waren. „Deshalb ist unbedingt die Hinterlegung beim Nachlassgericht zu empfehlen. Das kostet in der Regel nicht mehr als 75 Euro. Dafür hat man die Sicherheit, dass das Nachlassgericht nach Kenntnis vom Todesfall das Testament eröffnen wird und der letzte Wille damit nach dem eigenen Ableben auch tatsächlich zur Geltung kommt“, rät Gelbke.
Fehler Nr. 2: Das Laptop-Testament
Immer wieder wollen Erblasser beim Formulieren des letzten Willens besonders ordentlich sein und tippen das Testament in den Computer oder den Laptop, drucken den Inhalt aus und unterschreiben das Dokument. Selbst bei größeren Vermögen kommt es immer wieder vor, dass vermeintliche Erben mit abgetippten Schriftstücken beim Nachlassgericht oder Anwalt erscheinen und damit ihr Erbrecht geltend machen. „Das genügt den formellen Anforderungen an ein Testament jedoch nicht und hat quasi keinerlei rechtliche Wirkungen“, klärt Sven Gelbke auf. An der Form sollte es wirklich nicht scheitern, dass das über ein ganzes Leben aufgebaute Vermögen dem letzten Willen gemäß verteilt wird. Ob Testament oder spätere Ergänzungen - in der Regel muss jede letztwillige Verfügung vollständig mit der Hand ge- und unterschrieben oder durch einen Notar beurkundet werden.
Fehler Nr. 3: Fälschern Tür und Tor geöffnet
Sollte das Testament mehrere Seiten umfassen, nummerieren Sie stets: Seite 1 von 5, Seite 2 von 5 usw. So verhindern Sie spätere Manipulationen zum Beispiel durch Entfernen von Seiten - gerade wenn Sie wie viele Erblasser zur Sicherheit auf jeder Seite einzeln unterzeichnen oder Nachträge und Erläuterungen beifügen. Auch bei der Datums- und Ortsangabe sollte man möglichst pingelig sein und etwa keine Abkürzungen verwenden, weil Fälscher das zu ungewollten Änderungen einladen kann. Absolut fälschungssicher ist letztlich nur das notarielle Testament.
Fehler Nr. 4: Das Testament stimmt nicht mit dem Gesellschaftsvertrag überein
Gerade bei erbrechtlichen Übertragungen von Unternehmensanteilen gilt es genau zu differenzieren: Was bedarf der erbrechtlichen Formerfordernisse, was der gesellschaftsrechtlichen? Gerade bei unterschiedlichen Formen von Nachfolgeklauseln kann eine Aufnahme der Verfügungen sowohl im Testament als auch im Gesellschaftsvertrag ratsam oder gar unabdingbar sein. Bei Unternehmen gilt im Zweifel der Gesellschaftsvertrag. Steht dort beispielsweise drin, dass der Nachfolger ein promovierter Betriebswirt sein muss, reicht eine Nachfolgeregelung im Testament nicht aus, wonach auch ein Jurist Nachfolger in der Firma sein kann. „Bei den Nachfolgeregelungen in Unternehmen geht im Zweifel der Gesellschaftsvertrag vor“, warnt Sven Gelbke Unternehmer vor Unklarheiten zwischen Erb- und Gesellschaftsrecht.
Fehler Nr. 5: Selbst aus dem Internet zusammengeschriebenes Testament
Man sieht es in der Praxis immer wieder und erkennt sie auf Anhieb: Durch Blocksätze aus dem Internet abgefasste Testamente. Nicht selten ergeben hierbei die im einzelnen gefassten Verfügungen wenig Sinn oder können sich im schlimmsten Fall sogar widersprechen. „Der eindeutige Rat - auch bei dabei enthaltener Werbung für den eigenen Stand - muss lauten: Experten aufsuchen. Dies spart viel Streit, den sicherlich kein Erblasser sich für seine Hinterbliebenen wünschen würde“, sagt Gelbke.
Fehler Nr. 6: Rechtsbegriffe falsch verstanden
Wer ein Testament verfasst, sollte sich vorher darüber informieren, welche Bedeutung bestimmte Rechtsbegriffe haben, die er in seinem letzten Willen verwendet. Sonst droht Chaos. Als klassisches Beispiel wird in einem mehrdeutigen Testament an einer Stelle von Vermächtnis und an anderer von Erbe gesprochen, so dass hinterher Streit darüber entstehen kann, ob an eine gewisse Person nur ein einzelner Gegenstand übertragen oder das gesamte Vermögen einschließlich aller Verpflichtungen aus der Erbschaft übertragen werden sollten. Achten sollte man auf wirklich klare Formulierungen, wer Erbe werden soll. Sonst kann es unter anderem Streit darüber geben, wer für die Verbindlichkeiten wie Bankschulden, die Bestattung und andere Kosten aufkommen soll. Gelbke: „Insgesamt gilt: Achten Sie auf die Verwendung korrekter Rechtsbegriffe. Gerade bei der Übertragung komplexer Vermögen oder Unternehmensbeteiligungen ist der genaue Umfang der einzelnen Gegenstände genau zu bestimmen und abzugrenzen.“
Fehler Nr. 7: Unklare Formulierungen verwendet
Ebenfalls häufiger anzutreffen als man zunächst denkt sind wachsweiche Formulierungen wie: “Wer sich am meisten vor meinem Tod um mich gekümmert hat, wird mein Erbe.” Oder: “Ein großer Teil unseres Vermögens soll einer gemeinnützigen Organisation zugutekommen.” Was ist mit “kümmern” genau gemeint? Pflegeleistungen, finanzielle Unterstützung oder gar körperliche Zuwendung? Ebenso kann “ein großer Teil” aus verschiedenen Perspektiven etwas ganz Unterschiedliches meinen. „Achten Sie auf eindeutige Formulierungen und lassen Sie zumindest einen Dritten gegenlesen. Nur, weil man selbst weiß, was man gemeint hat, heißt das nicht automatisch, dass auch alle anderen es genauso verstehen müssen“, gibt Anwalt Gelbke zu bedenken.
Fehler Nr. 8: Nachfolgeregeln schüren Streit
Auch bei Unternehmertestamenten kommen Formulierungen vor wie: “Wer sich am besten für die Geschäftsleitung eignet, soll den Betrieb übernehmen.” Solche Sätze programmieren anschließenden Streit quasi vor. Sofern man die erbrechtliche Übertragung tatsächlich an die individuellen Fähigkeiten der Erben knüpfen will, sollte man auf objektiv überprüfbare Kriterien achten, beispielsweise “derjenige, mit der besten Abschlussnote”. Das mag zwar unter den Erben zu Konkurrenz führen, ist jedoch anhand klarer Bewertungskriterien zu bemessen.
Fehler Nr. 9: Fortbestand des Unternehmens wird gefährdet
Die aus Sicht des unternehmerischen Erblassers wahrscheinlich schwerwiegendsten Fehler sind solche, die das Fortbestehen des Unternehmens gefährden. Das gesamte Lebenswerk steht auf dem Spiel - was sicherlich nie dem wichtigsten letzten Willen des Erblassers entsprechen würde. Gerade bei mehreren Erben sind hier genaue und individuelle Regelungen unerlässlich. So kann der Erblasser im Testament bei mehreren Erben bestimmen, wie das Erbe unter ihnen aufgeteilt werden soll - beispielsweise mit einer so genannten Teilungsanordnung. Diese Teilungsanordnung soll verhindern, dass sich die Erben, die eine Erbengemeinschaft bilden, wegen der Erbauseinandersetzung streiten. Gehören zum Beispiel mehrere Betriebe, Marken oder Patente zur Erbschaft und ist es aus Sicht des Erblassers sehr wahrscheinlich, dass sich die Kinder um einzelne Positionen streiten, kann eine Teilungsanordnung darüber helfen, wer was erhält.
Fehler Nr. 10: Pflichtteilsgrenze wird unterschritten
Zu beachten ist, dass bei einer Teilungsanordnung in der Regel ein Ausgleich nach den im Testament bestimmten Erbquoten erfolgt. Das heißt, dass diejenigen, die höherwertige Gegenstände erhalten haben, den anderen Erben zum Ausgleich verpflichtet sind. Ein solcher Ausgleich kann zwar ausgeschlossen werden. Das führt aber in der Regel zu einem Vorausvermächtnis. „Aber Vorsicht: Bei wertmäßig unterschiedlichen Zuwendungen zugunsten einzelner Erben ist immer die Grenze des Pflichtteils zu beachten. Zuwendungen darunter können stets zu Zusatzansprüchen der weniger Bedachten führen!”, warnt Rechtsanwalt Sven Gelbke.
Fehler Nr. 11: Pflichtteilsansprüche zwingen Unternehmen in die Knie
Allgemein sollten die Pflichtteilsansprüche der gesetzlichen Erben von Unternehmern stets beachtet werden. Sollen einzelne nahe Angehörige wie Ehegatten oder Kinder vollständig von der Erbfolge in Bezug auf ein Unternehmen ausgeschlossen werden, empfehlen sich bereits zu Lebzeiten erfolgende Übertragungen gegen Pflichtteilsverzicht oder Pflichtteilsanrechnung. So kann gewährleistet werden, dass die tatsächlichen Nachfolger später nicht exorbitant hohen Pflichtteilsforderungen ausgesetzt werden, die den Unternehmensfortbestand gefährden. Um die Fortführung des Familienbetriebs zu gewährleisten, kann der Erblasser zudem anordnen, dass der Nachlass dauerhaft oder befristet nicht aufgeteilt werden darf. Gerade hierbei sollte jedoch bereits zu Lebzeiten möglichst genau über die Vorstellungen von Erblasser und Erben gesprochen werden. Denn als Zwangsgemeinschaften geführte Unternehmen können zumindest bei gleichen Stimmrechten nur selten zielorientiert und dynamisch am Marktgeschehen teilhaben.
Fehler Nr. 12: Berliner Testament führt in Patchworkfamilien zu Chaos
Häufig besteht das Bedürfnis, Ehegatten nach dem Versterben weiter im Haus leben zu lassen oder generell versorgt zu wissen. Man hat den Lebensabend miteinander verbracht - also soll für den anderen hinreichend gesorgt sein. Doch in Patchworkfamilien führt diese Sichtweise oft zu umfangreichen Erbstreitereien. Kinder aus früheren Ehen möchten eventuell nicht bis zum Versterben des neuen Ehegatten warten, bis sie am elterlichen Nachlass in irgendeiner Weise partizipieren dürfen. Gerade bei erheblichen Altersunterschieden zu neuen Ehegatten führt dies häufig zu Pflichtteilsauseinandersetzungen. Sven Gelbke empfiehlt: „Fair bleiben und unterschiedliche Interessen berücksichtigen. Das kann etwa durch Zuteilung bestimmter Vermächtnisse wie zum Beispiel Möbel, Schmuck oder Geld gelingen.“