Die Zinsanhebungen, mit denen die Notenbanken auf die aktuell hohe Inflation reagieren, lassen die DAX- und MDAX-Unternehmen im Hinblick auf ihre Pensionsverpflichtungen aufatmen. Zwar ist der anzusetzende Rechnungszins mit 3,42 Prozent im langjährigen Vergleich immer noch niedrig, er zeigt aber einen wesentlichen Anstieg um +222 Basispunkte gegenüber dem Jahresende 2021. In der Folge sind damit erheblich niedrigere Pensionsverpflichtungen in den Bilanzen anzusetzen: rund 294,5 Mrd. Euro (-28,6 Prozent) im DAX und rund 57,6 Mrd. Euro (-28,6 Prozent) im MDAX.
Aufgrund der volatilen Kapitalmärkte gaben auch die Pensionsvermögen nach, allerdings in geringerem Ausmaß als die Pensionsverpflichtungen: um -15,1 Prozent auf rund 253,4 Mrd. Euro im DAX und um -15,0 Prozent auf 44,6 Mrd. Euro im MDAX. In Summe stieg damit der Ausfinanzierungsgrad, das Verhältnis von Pensionsvermögen zu Pensionsverpflichtungen, auf noch nie dagewesene 86,0 Prozent im DAX (+13,7 Prozent) und 77,5 Prozent im MDAX (+12,4 Prozent). Zu diesen Ergebnissen kommt die Modellberechnung „German Pension Finance Watch“ der Unternehmensberatung WTW. Hanne Borst, Leiterin der versicherungsmathematischen bAV-Beratung bei WTW erklärt:
In den letzten 20 Jahren gab es noch nie einen Zinsanstieg von mehr als 200 Basispunkten innerhalb von sechs Monaten. Auch ein so hoher Ausfinanzierungsgrad sei neu.
Der höchste bislang verzeichnete Ausfinanzierungsgrad habe mit durchschnittlich 73 Prozent im DAX im 3. Quartal 2021 deutlich unter dem aktuell berechneten Wert gelegen. Ganz entspannt zurücklehnen können die Unternehmen sich aber dennoch nicht. Denn auch wenn der Rechnungszins nach Einschätzung von WTW den Großteil seiner im ersten Halbjahr 2022 erzielten Zuwächse auch in der zweiten Jahreshälfte 2022 behaupten wird, bleibt die Volatilität an den Kapitalmärkten doch hoch.
Zudem stehen einige Unternehmen, die traditionell hohe Pensionsvermögen aufgebaut haben, nun möglicherweise vor der Situation, dass die für die Pensionszahlungen bereitgestellten Vermögenswerte den Umfang der Pensionsverpflichtungen übersteigen. Dr. Johannes Heiniz, Leiter General Consulting Retirement bei WTW, berichtet:
Aktuell könnten die Pensionspläne einzelner Unternehmen sogar überfinanziert sein.
Seine Empfehlung: Unternehmen sollten dies genau im Blick behalten. Angesichts der volatilen Kapitalmärkte und der geopolitischen Unsicherheiten sei schneller Aktionismus jetzt aber verfrüht.
Inflation kurzfristig hoch, langfristig auf niedrigerem Niveau erwartet
Während das statistische Bundesamt die Inflationsrate Ende Juni im Vergleich zum Vorjahr mit +7,6 Prozent angibt, werden für die Berechnungen der Pensionsverpflichtungen Inflationserwartungen gemäß der Duration der Verpflichtungen zugrunde gelegt.
Pensionsansprüche werden erst in der Zukunft und über einen längeren Zeitraum ausgezahlt. Hier werde die aktuelle Inflation zwar berücksichtigt, aber in der langjährigen Perspektive schlagen die aktuell hohen Werte weniger stark zu Buche. Aktuelle Prognosen der Europäischen Zentralbank gehen davon aus, dass die Inflation in zwei Jahren wieder in den Bereich um zwei Prozent liegen wird.
Über die Modellberechnung
Wie beeinflussen aktuelle Entwicklungen in den Kapitalmärkten die Pensionspläne in Deutschland? Dieser Frage geht die Modellberechnung „German Pension Finance Watch“ anhand von drei Benchmark-Pensionsplänen nach: jeweils einem für den DAX und MDAX typischen Pensionsplan sowie einem Pensionsplan, der zum Stichtag 31.12.2003 vollständig ausfinanziert war und laufend in Höhe der neu erdienten Ansprüche dotiert wird (100 Prozent-Plan).
Die Analyse ergänzt die Studien von Willis Towers Watson zu den Auswirkungen der Kapitalmarktentwicklungen auf US-amerikanische Benchmark-Pensionspläne (Willis Towers Watson US Pension Finance Watch) und weltweite Benchmark-Pensionspläne (Willis Towers Watson Global Pension Finance Watch). Das aktuelle Studiendokument steht demnächst Download bereit.
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