Digitale Kommunikation im Versicherungsvertrieb

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Makler müssen bislang einen nicht unerheblichen Aufwand betreiben, wenn sie digitale und analoge Posteingänge in derselben Angelegenheit mit der gebotenen Sorgfalt überwachen, bearbeiten und abgleichen wollen. Auch Versicherer können bisher nicht davon ausgehen, dass die im hauseigenen Extranet oder Webservice hinterlegten Erklärungen dem Makler im Rechtssinne zugehen. 

Rechtsanwalt Jürgen Evers, Kanzleiinhaber Evers Rechtsanwälte für Vertriebsrecht

Deshalb werden Erklärungen vielfach doppelt, also digital und analog versandt. Nur so kann bisher sichergestellt werden, dass Erklärungen, die erst mit Zustellung wirksam werden, auch wirksam werden.

Wie der tägliche Posteingang zeigt, wird die analoge Post aber nicht nur bemüht, wenn es darauf ankommt. Kurzum, es fehlt an Standards, auf die Verarbeitungsprozesse aufsetzen könnten, und zwar sowohl auf der Maklerseite als auch aufseiten der Versicherer.

Um dieses Vakuum fehlender Standards einerseits und rechtlicher Unsicherheiten andererseits aufzufüllen, haben die Spitzenverbände der Versicherungsvermittlung (BVK, BDVM, VGA und Votum) nunmehr den Grundstein gelegt für ein Regelwerk der digitalen Kommunikation in der deutschen Versicherungswirtschaft.

Ein zehnköpfiges Expertenteam hat gemeinsam mit Experten der Kanzlei EVERS Rechtsanwälte für Vertriebsrecht einen Entwurf erarbeitet, der die nötigen Standards für alle am Kommunikationsprozess Beteiligten formuliert. Mit seiner Umsetzung werden die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation künftig vollständig genutzt werden können.

Fehlende Kennzeichnungs-Standards

Es beginnt bereits damit, dass keine branchenweit gültigen Standards existieren, die regeln, in welcher Form digitale Erklärungen zu speichern und mit welchen Informationen Datenpakete zu kennzeichnen sind.

Deshalb können Adressaten digital gespeicherter Geschäftsvorgänge nicht erkennen, welcher Geschäftsvorfall betroffen ist, ohne die entsprechenden Dokumente zu öffnen.

Wie aufwendig das ist, wird jedem ohne Weiteres klar, der sich vergegenwärtigt, dass die Brancheninitiative für Prozessoptimierung (BiPRO) einige Hundert verschiedener Geschäftsvorfälle unterscheidet.

Das beginnt bei einer Kündigung und endet bei simpler Produktwerbung. Wie sehr sich der Aufwand für die Makler potenziert, kann man leicht ermessen, wenn man bedenkt, dass sie tagtäglich verschiedene Postkörbe einer Vielzahl kooperierender Versicherer administrieren.

Es fehlt deshalb an einheitlichen Mindestvorgaben für Informationen, die Datenpakete enthalten sollten.

Offene Rechtsfragen

Zwar ist die digitale Kommunikation schon längere Zeit Lebenswirklichkeit. Dennoch hat die Rechtsprechung zu vielen der mit ihr aufgeworfenen Fragen noch nicht eindeutig Stellung beziehen können.

So ist nicht klar, wer das Risiko des Zugangs von elektronischen Willenserklärungen trägt, wenn Intermediäre eingesetzt werden, wie dies etwa geschieht, wenn Firmen wie zeitsprung oder b-tix in der Versicherungswirtschaft eingesetzt werden, um digitale Postkörbe zu leeren und deren Inhalte weiterzuleiten.

Nicht eindeutig geklärt ist ebenso, unter welchen Voraussetzungen Erklärungen zugehen, die ein Versicherer in seinem Extranet oder Webservice in einem dem Makler vorbehaltenen Speicherbereich ablegt. Dabei lässt sich die bisher zu Marktportalen ergangene Rechtsprechung nicht ohne Weiteres zur Lösung fruchtbar machen.

Sie musste sich nicht damit auseinandersetzen, dass Versicherer Extranets oder Webservices betreiben, in denen sie ihre empfangsbedürftigen Willenserklärungen speichern, die jeweils an nutzende Makler gerichtet sind.

Offen ist insbesondere, ob eine Erklärung des Versicherers mit der Speicherung im elektronischen Postkorb des von ihm betriebenen Extranets auch dem Makler zugehen kann, nur weil dieser das Extranet nutzt.

Außerdem ist Maklers Postkorb offensichtlich eine Empfangsvorrichtung, die sich im fremden Machtbereich des Versicherers und nicht etwa dem eigenen des Maklers befindet. Deshalb kann es nicht allein ausreichen, dass der Makler die Vorrichtung möglicherweise durch einfache Nutzung als Empfangsvorrichtung „widmet“.

Zweifel bestehen schon insoweit, ob man in der bloßen Nutzung überhaupt eine Widmung sehen darf, zumal die Nutzung letztlich Maklers Not entspringen dürfte, die Post sonst nicht digital in seinem Betrieb weiterverarbeiten zu können.

Auf der anderen Seite müsste die Erklärung jedenfalls dem Zugriff des Versicherers entzogen sein, um in den Machtbereich des Maklers zu gelangen.

Dies zeigt, dass ein Regelwerk erforderlich ist, das klar festlegt, unter welchen Voraussetzungen elektronische Postkörbe im Extranet oder einem Webservice eines Versicherers als Empfangseinrichtung des Maklers gelten.

Leitmotive für den Kommunikationskodex

Die digitale Kommunikation zwischen Versicherer und Makler muss gewährleisten, dass klar und nachvollziehbar ist, ob und wann Erklärungen zugehen, wem sie zuzurechnen sind und vor allem auch, welchen Inhalt sie haben.

Ohne eine entsprechende Regelung ist die Versicherungswirtschaft gehindert, Effizienzvorteile und Einsparpotenziale auszuschöpfen, die die digitale Kommunikation ohne Medienbruch bietet.

Auch wegen der ungeklärten Rechtsfragen ist ein branchenweit gültiges Regelwerk unumgänglich, das digitale Kommunikation ohne Einbußen an Rechtssicherheit gewährleistet. Ebendies ist eines der Leitmotive der Spitzenverbände der Versicherungsvermittlung zur Entwicklung des Kommunikationskodex.

Aufbau des Regelwerks

Der Code of Conduct für die digitale Kommunikation im Versicherungsvertrieb ist wie folgt aufgebaut: Eingangs werden verwendete Begriffe definiert, wie Betreiber, Empfangsvorrichtung, Kommunikationsvorrichtung, Bote, Stellvertreter et cetera.

Anschließend wird der Anwendungsbereich für den Kodex festgelegt. Daran schließt die Formulierung allgemeiner Grundsätze an. Dazu gehört etwa die Frage der Zurechnung sowie des Zugangs von digitalen Erklärungen und der in diesem Zusammenhang den Empfangs- und Kommunikationsvorrichtungen beizumessenden Bedeutung.

Für die Qualifikation als Empfangs- und Kommunikationsvorrichtung wird einerseits vorgeschrieben, dass bestimmte technische Voraussetzungen erfüllt sein müssen, andererseits muss der Nutzer die Vorrichtung ausdrücklich widmen. Die Nutzung allein reicht nicht aus.

Zugangszeitpunkt von Erklärungen

Weiterhin klärt der Kodex die Frage, wann nach der Verkehrsanschauung mit dem Zugang einer digitalen Erklärung zu rechnen ist. Erreicht wird dies mit einer Branchenlösung, die landesweit gilt und nur noch durch unterschiedliche Feiertagsregelungen beeinflusst wird.

In seinen allgemeinen Bestimmungen schlägt der Kodex einen Zugangszeitpunkt vor, nach dem alle Erklärungen, die bis 12 Uhr mittags eines Werktags gespeichert werden, am Werktag der Speicherung zugehen und danach gespeicherte erst am folgenden Werktag.

Allerdings stellt der Kodex es den Parteien frei, weitergehende Zugangszeiten zu definieren, sodass bis 24/7 alles möglich ist. Denn die Servicebereitschaft der Marktteilnehmer soll durch den Kodex keinesfalls einschränkt werden.

Der Kodex soll nur eine Sicherheit für die Absender von Erklärungen schaffen, wann digitale Erklärungen zugehen. Deshalb tritt an die Stelle der mit vielen Unsicherheiten behafteten sogenannten Verkehrsanschauung ein einheitlicher definierter Zeitpunkt, der nur dann nicht maßgeblich ist, wenn der Adressat eine weitergehende Zugangszeit gegen sich gelten lässt.

Erklärungsformat

Außerdem wird das Format für digitale Erklärungen unter Übernahme der von der DSGVO vorgeschriebenen Kriterien festgelegt. So übernimmt die Branche das ohnehin von den Marktteilnehmern unter Geltung der DSGVO abzubildende Format für die gesamte digitale Kommunikation.

Auf diese Weise vermeidet der Kodex geschickt, dass die Marktteilnehmer vor weitergehende Herausforderungen gestellt werden, als sie sie ohnehin zu meistern haben.

Allgemeine Sorgfaltspflichten

Natürlich macht der Kodex auch vor der Festlegung allgemeiner Sorgfaltspflichten nicht halt. Dabei werden Pflichten auf der Seite des Absenders und des Empfängers von Willenserklärungen gleichermaßen normiert.

Dies schließt etwa Pflichten ein, die sich auf die vergessene Abholung von Erklärungen aus dem Postkorb, das Abhandenkommen von Erklärungen oder den Eingang unvollständiger oder nicht nachvollziehbarer Erklärungen beziehen.

Ebenso bestimmt der Kodex , dass der Absender, der eine Erklärung in seinem Extranet für den Empfänger speichert, den Empfänger mit gesonderter Nachricht an dessen E-Mail-Adresse darauf hinweisen muss, wenn eine gespeicherte Erklärung nach fünf Werktagen nicht abgeholt worden ist.

Bestandteil der allgemeinen Bestimmungen sind überdies sonstige Pflichten. Sie betreffen die Abweisung von Erklärungen, die wegen Größenbeschränkung oder Verstoßes gegen Sicherheitsrichtlinien nicht akzeptiert werden, oder den Einsatz von Kommunikationsintermediären, die Vermittlerpost abholen und zustellen.

Vorankündigungsfristen, Haftung, Anerkennung von Vollmachten

Für die Änderungen von Diensten, wie etwa Kommunikations- oder Empfangsvorrichtungen, schreibt der Kodex einheitliche Vorankündigungsfristen vor, damit sich Nutzer darauf einstellen können. Schließlich enthält er Regelungen zum Haftungsmaßstab und zum Mitverschulden.

Aus Maklers Sicht stellen die Regeln zur erleichterten Anerkennung von Vollmachten bei der Vorlage von digitalen Kopien mit in Schriftform erteilten Originalvollmachten einen sicherlich längst überfälligen Schritt dar.

Technische Anforderungen digitaler Kommunikation

Im Zentrum des Kodex stehen die darin geregelten technischen Anforderungen für den Betrieb von Empfangsvorrichtungen. Selbstverständlich waren bei der Entwicklung des Entwurfs nicht nur Juristen tätig, sondern auch Experten aus dem Bereich IT, die die Nöte der Branche aus ihrer praktischen Tätigkeit genau kennen.

Nur wenn die normierten Voraussetzungen erfüllt werden, ist die objektive Voraussetzung für eine Anerkennung als Empfangsvorrichtung gegeben. So wird etwa geregelt, dass Erklärungen in einem gesonderten Speicherbereich gegen den unbefugten Zugriff Dritter zu schützen sind.

Darüber hinaus werden Speicherformate, die Mindestdauer der Einsicht, die Gewährleistung unveränderter Wiedergabe gespeicherter Erklärungen sowie der Umstand als Standard definiert, dass eine Erklärung nach der Speicherung dem Zugriff des Absenders entzogen ist.

Umgekehrt umfassen die technischen Anforderungen aber auch das Prozedere und die Möglichkeit des Betreibers zur Löschung von Erklärungen nach entsprechenden Vorankündigungsfristen.

Betreiber von Extranets und Webservices sind daher künftig nicht mehr gezwungen, unendlichen Speicherplatz vorhalten zu müssen. Gleichzeitig zeigt dies, dass es dem Expertenteam bei der Entwicklung des Kodex daran gelegen war, eine die Interessen aller am Kommunikationsprozess Beteiligten angemessen berücksichtigende und zum Ausgleich bringende Lösung zu schaffen.

Technisch-organisatorische Maßnahmen

Ergänzt werden die technischen Anforderungen durch technisch-organisatorische Maßnahmen, die Betreiber von Kommunikations- und Empfangseinrichtungen zu treffen haben. Auch damit setzt der Entwurf auf die Standards auf, die durch das europäische Recht Eingang in den deutschen Rechtsraum gefunden haben.

Ergänzt wird dies durch eine Regelung zur technischen Verfügbarkeit, die künftig mindestens zu gewährleisten ist. Ein weiteres Highlight liegt darin, dass der Kodex allgemeine Regeln für den Fall von Funktionsstörungen und Wartungsmaßnahmen aufstellt, wie etwa auch eine einheitlich formulierte E-Mail-Adresse zur Meldung derselben.

Das wird vor allem Maklern die Meldung von Störungen an die richtige Stelle vereinfachen und Versicherern eine höhere Sicherheit verschaffen, schnellstmöglich über Störungen unterrichtet zu werden.

Treffsicheres Regelwerk

Den Spitzenverbänden ist es gelungen, ein ausgewogenes Regelwerk zu schaffen, das so weit wie möglich auf die aktuellen gesetzlichen Anforderungen aufsetzt. Einerseits überfordert dieses keinen der am Kommunikationsprozess Beteiligten.

Andererseits schafft es genügend Sicherheit. Vor allem aber lässt es den Beteiligten offen, weitergehende Services oder Standards zu bieten, indem nur Mindestanforderungen definiert werden. Denn die Digitalisierung soll Fortschritt bringen und die Marktteilnehmer nicht in ihren Möglichkeiten einschränken.

Besetzung des Projektteams

Das Projektteam hat ganze Arbeit geleistet, dafür sprach auch schon die hochkarätige Besetzung mit Maklern, Assekuradeuren, Vertretern und Vertrieben.

Außerdem haben die Spitzenverbände verbandsübergreifende Spezialisten aus den Bereichen Vertrieb, IT und Beratungsprozesse in die Projektarbeit einbezogen. Um die rechtliche Seite zusätzlich qualitätszusichern, hat zudem ein Hochschulprofessor seine Expertise mit eingebracht.

Ausblick

Der Entwurf des Kodex ist dem GDV zugeleitet worden. Dieser hat Teams gebildet, die ihn sowohl in technischer als auch in rechtlicher Seite durchleuchten und qualitätssichern.

Die Spitzenverbände sind zuversichtlich, den Kommunikationskodex zeitnah abschließend mit dem GDV beraten zu können. Dem Wunsch seiner Initiatoren entsprechend soll der Code of Conduct für digitale Kommunikation ebenso auf der GDV-Seite veröffentlicht werden wie der Datenschutzkodex und der Verhaltenskodex für den Vertrieb.

Die Maklerschaft kann daher mit Spannung erwarten, dass der Verhaltenskodex mit seinen Standards in technischer und rechtlicher Hinsicht die Voraussetzungen dafür schafft, dass die Digitalisierung diesen wichtigen nächsten Meilenstein der Entwicklung nimmt.

Damit gehören zeitraubende digital-analoge Prozesse, die bisher wegen zwangsläufiger Medienbrüche unumgänglich sind, schon bald der Vergangenheit an.

Bilder: (1) © Sergey Nivens – stock.adobe.com (2) © Evers Rechtsanwälte für Vertriebsrecht

 

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