In Deutschland befinden sich die Zinsen für Baufinanzierungen seit Jahren auf einem niedrigen Niveau. Die Banken konnten laut einer Studie trotzdem ihre Margen in diesem Bereich spürbar steigern.
In Deutschland hat das Volumen der Baufinanzierungen laut einer Studie
der Unternehmensberatung ZEB in den letzten Jahren deutlich zugenommen.
In Jahr 2013 lag das Gesamtvolumen aller Baufinanzierungen bei 1,005 Billionen Euro, im Jahr 2020 waren es 1,326 Billionen Euro (+ 32 Prozent). Im selben Zeitraum ist auch das Neukundengeschäft der Banken von 169 Milliarden Euro auf 247 Milliarden Euro (+ 46 Prozent) gestiegen.
Laut den Analysten von ZEB ist das Volumen der Baufinanzierungen hauptsächlich aufgrund der seit Jahren anhaltenden Niedrigzinsphase gestiegen. Diese führt in Verbindung mit der Wohnungsnot in den Großstädten und den attraktiven staatlichen Fördermöglichkeiten
dazu, dass immer mehr Deutsche sich für die Anschaffung eines Eigenheims entscheiden.
Höhere Margen bei den Banken
Obwohl die Zinsen für Baufinanzierungen seit Jahren auf einem niedrigen Niveau liegen, konnten die Kreditinstitute laut der Studie deutlich höhere Margen erzielen. Am stärksten gestiegen sind die Margen seit dem Jahr 2018 im Neugeschäft mit Baukrediten. Die Bestandsmargen waren im Untersuchungszeitraum aber auch deutlich höher als noch vor acht Jahren.
Die Kosten der Refinanzierung von Baudarlehen sind für die Banken im Schnitt stärker gesunken als die Zinsen für die Darlehensnehmer,
erklärt Ulrich Hoyer, Partner bei ZEB in München diese paradox erscheinende Entwicklung. Konkret bedeutet dies, dass sich Banken die von ihnen vergebenen Baufinanzierungen teils zu negativen Zinsen am Kapitalmarkt refinanzieren konnten. Es entsteht so trotz der niedrigen Zinssätze der Kreditnehmer eine vergleichsweise hohe Marge.
Die auf den ersten Blick niedrigen Zinsen verschaffen den Banken vor allem bei der Anschlussfinanzierungen für Baudarlehen oft eine höhere Marge als in den Vorjahren.
Wenn jemand bislang 3,5 Prozent für seine Baufinanzierung gezahlt hat und die Anschlussfinanzierung wird ihm für 1,2 Prozent angeboten, dann guckt er vielleicht nicht so genau hin – selbst wenn das, gemessen an den Konditionen anderer Banken, recht viel sein sollte,
erklärt Hoyer. Einen vergleichbaren Effekt gibt es derzeit auch bei Verbraucherkrediten.
Kunden wollen lange Zinsbindung
Laut der Studie sorgen die aktuell sehr niedrigen Zinsen, die je nach Bonität der Kreditnehmer bei einer Baufinanzierung bei unter einem Prozent liegen können, jedoch auch dafür, dass die Kunden eine immer längere Zinsbindung festlegen wollen.
Während die Anbieter vor acht Jahren noch mit einer Zinsbindung von etwa 7,5 bis 8,5 Jahren warben, verlangen die Kunden heute bei der Konzepterstellung der Baufinanzierung
in der Regel eine Zinsbindung über zehn bis 15 Jahre.
Besonders kleinere Banken und Sparkassen wollen daraus resultierende Zinsänderungsrisiken vermeiden. Dies führt laut Hoyer dazu:
Die Banken behalten Baudarlehen mit langer Laufzeit oft nicht auf der eigenen Bilanz , sondern reichen sie weiter, weil ihnen das Zinsänderungsrisiko zu groß ist.
Darlehen mit langer Laufzeit reichen beispielsweise die Volks- und Raiffeisenbanken oftmals an Spezialinstitute wie die DZ Hyp oder die Münchener Hypotheken Bank weiter,
erklärt der Analyst. Während früher noch häufig Baudarlehen mit einer Laufzeit von zehn Jahren oder weniger abgeschlossen wurden, sind diese heute fast vollständig verschwunden. Banken nehmen daher die Risiko-Entlastung zunehmend in Anspruch.
Baufinanzierung sichert Banken Einnahmen
Wie die Publikation der Unternehmensberatung mit dem Namen „Baufinanzierung – letzte Bastion für Banken?“ zeigt, ist die Baufinanzierung für die meisten Banken in Deutschland derzeit das wichtigste Geschäftsfeld.
Auf der Einlagenseite ist für Banken in der Niedrigzinsphase nicht viel zu verdienen – da spielt das Baufinanzierungsgeschäft gerade für regionale Institute oft eine wichtige Rolle,
so Hoyer. Hinzukommt bei einigen Instituten das Provisionsgeschäft mit Fonds und Aktien. Klassischen Spareinlagen der Kunden bringen den Banken aktuell hingegen praktisch keine Gewinne.
Onlinebanken, Vermittlungsplattformen und Zusatzgeschäft
Besonders für Banken, die nicht in Großstädten oder boomenden Regionen wie dem Rhein-Main-Gebiet angesiedelt sind, wurde überdies in den letzten Jahren das Onlinegeschäft mit Baufinanzierungen immer wichtiger.
Vermittlungsplattformen haben für das Geschäft mit der Baufinanzierung in Deutschland einen enormen Aufschwung genommen – wir rechnen damit, dass schon in vier Jahren die Baufinanzierungen in Deutschland mehrheitlich über Vermittlungsplattformen vermittelt werden,
so Sandra Douqué, Partnerin bei ZEB in Hamburg. Vermittlungsplattformen und Onlinebanken kommen beim Neugeschäft mit Baufinanzierungen bereits auf einen Anteil von 45 Prozent, 2010 waren es nur 12 Prozent.
Banken müssen sich in der Baufinanzierung heute klar positionieren, damit sie morgen dieses Geschäftsfeld noch betreiben können,
warnt die Unternehmensberaterin. Dies bedroht besonders traditionelle Banken, die konventionelle aufgestellt sind und Baufinanzierungen deshalb nur langsam bearbeiten können. Der Abschluss von Baufinanzierungen dauere in vielen Banken zu lange, schlussfolgert Douqué.
Außerdem nutzen viele Banken laut der Studie die zahlreichen Möglichkeiten für Zusatzgeschäft im Rahmen einer Baufinanzierung nicht ausreichend.
„Ein großes Potenzial bieten Dienstleistungen rund um die Baufinanzierung – von der Vermittlung von Handwerkern, über Hilfen für den Umzug bis hin zu Angeboten für die Gestaltung des Hauses“, erklärt Douqué.
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