Der Bundesgerichtshof („BGH“) hat mit Beschluss vom 15.12.2020, Az. XI ZB 24/16, das DT 3-Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz („KapMuG“) gegen die Deutsche Telekom AG („DT“) in zentralen Punkten zu Gunsten der Anleger entschieden.
Der BGH übergab den 156-seitigen Beschluss am 26. Februar in Karlsruhe an Rechtsanwalt Andreas Tilp und an den Rechtsanwalt am BGH Prof. Dr. Volkert Vorwerk, die beide den Musterkläger beziehungsweise dessen Erben im DT 3-Musterverfahren vertreten. Aus verfahrensrechtlichen Gründen musste der BGH das Musterverfahren an das Oberlandesgericht („OLG“) Frankfurt zurückverweisen.
Der Tübinger Rechtsanwalt Andreas Tilp, Geschäftsführer der TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH („TILP“), freut sich:
„Heute ist ein guter Tag für die Telekom-Kläger.“
Sein Kollege Peter Gundermann, Mitgeschäftsführer von TILP, führt aus:
„Der BGH hat jetzt über zentrale verallgemeinerungsfähige Voraussetzungen, welche zur Bejahung der Schadenersatzansprüche erforderlich sind, zu Gunsten der Kläger abschließend entschieden.“
Beide Anwälte leiten das Prozessteam von TILP im Fall Telekom.
Die amtlichen Leitsätze des BGH-Beschlusses lauten:
- Für den Haftungsausschluss des § 46 Abs. 2 Nr. 2 BörsG aF hat der Anspruchsgegner darzulegen und zu beweisen, dass sich die dem unrichtig prospektierten Sachverhalt innewohnenden Risiken nach dem Erwerb entweder nicht realisiert haben oder dass sich die Risiken zwar realisiert haben, dies jedoch ohne Einfluss auf eine nach dem Erwerb eingetretene Börsenpreisminderung geblieben ist.
- Zum Nachweis des Haftungsausschlusses des § 46 Abs. 2 Nr. 2 BörsG aF ist der Vollbeweis zu erbringen (§ 286 ZPO). Das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO findet keine Anwendung.
- Zur Widerlegung der Kausalitätsvermutung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 BörsG aF hat der Anspruchsgegner den Nachweis zu führen, dass im jeweiligen Einzelfall der individuelle Erwerbsentschluss nicht durch den fehlerhaften Prospekt beeinflusst wurde.
BGH-Anwalt Professor Volkert Vorwerk erklärt:
„Damit hat der BGH zu allen noch verbliebenen Fragen der Telekom die volle Beweislast auferlegt.“
Sein Kollege Tilp ergänzt:
„Einer weiteren Verzögerungstaktik der Telekom hat der BGH ebenfalls einen Riegel vorgeschoben.“
Schadenersatzansprüche aufgrund eines falschen Börsenprospekts
Die rund 17.000 Anleger haben vor dem Landgericht („LG“) Frankfurt am Main Schadenersatzansprüche wegen falschem Börsenprospekt der DT zu dem im Juni 2000 erfolgten sog. Dritten Börsengang der Deutschen Telekom AG („DT 3“) eingeklagt. Darunter befinden sich rund 300 TILP-Kläger, darunter der Anleger mit der höchsten Klageforderung.
Dieser Kläger wurde vom Oberlandesgericht („OLG“) Frankfurt, bei dem das DT 3-Musterverfahren seit 2006 geführt wird, im Juli 2006 zum Musterkläger bestimmt, so dass TILP als einzige Kanzlei (sog. Musterklägerkanzlei) das DT 3-Musterverfahren anführt. Der Musterkläger verstarb im Juni 2016, TILP vertritt heute seine Erben.
Zuständig für sämtliche Telekom-Klagen war und ist beim LG Frankfurt am Main nur eine (nämlich die 7.) Kammer für Handelssachen. Die Masse dieser Klagen überforderte das deutsche Justizsystem und war Anlass für den Gesetzgeber, das KapMuG für die Telekomklagen wie auch für weitere kapitalmarktrechtliche Klagen zu schaffen.
Damit sollten fortan solche Massenklagen bewältigt werden können. Das KapMuG trat am 1. November 2005 in Kraft und wird daher auch „Lex Telekom“ genannt.
Tilp betont: „Der jetzige Beschluss zeigt, dass Kämpfen mit langem Atem lohnt. Langes Warten auf den Erfolg ist besser als schnell verlieren.“
Sein Kollege Gundermann erklärt: „Das KapMuG bündelt die Kräfte aller Anleger, damit entsteht ein wirksames Gewicht gegen die Marktmacht des Gegners.“
Themen:
LESEN SIE AUCH
Wirecard AG: BGH entscheidet über BaFin-Haftung
Der Bundesgerichtshof weist Nichtzulassungsbeschwerde eines Anlegers zurück und entscheidet, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Zusammenhang mit dem sogenannten "Wirecard-Bilanzskandal" nicht haftet.
Die meisten Bausparkassen ignorieren BGH-Urteil
Obwohl der BGH Jahresentgelte für Bausparverträge für unzulässig erklärt hat, berechnen 10 von 17 Bausparkassen weiterhin diese Gebühren oder erstatten diese nicht vollständig, ergibt eine Finanztest-Abfrage bei allen Bausparkassen.
Vermittler-Treff: Rückwirkend befristete Anerkenntnisse in der BU
Beim kommenden Vermittler-Treff am 08. Dezember von 15:00 - 15:30 Uhr erläutert RA Bernhard Gramlich die aktuelle Entscheidung des BGH zu den Rechten des Versicherers im Leistungsverfahren.
Faire Umsetzung des BGH-Urteils zu AGB-Änderungen
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Geldanlage: Sicherheit vor Rendite – aber mit wachsender Risikobereitschaft
Für die meisten Deutschen steht Sicherheit bei der Geldanlage weiterhin an erster Stelle. Das zeigt eine aktuelle repräsentative forsa-Umfrage im Auftrag der BarmeniaGothaer. Während klassische Sparformen dominieren, gewinnt das Interesse an renditestärkeren Alternativen wie Fonds und Aktien langsam an Bedeutung.
Insolvenzverfahren der P&R-Gruppe: Über 666 Millionen Euro an Gläubiger verteilt
In den Insolvenzverfahren der vier deutschen P&R-Containerverwaltungsgesellschaften wurde nunmehr die vierte Abschlagsverteilung vorgenommen. Insgesamt rund 122 Millionen Euro wurden an mehr als 54.000 Gläubiger ausgezahlt.

Steuerbonus aus der Nebenkostenabrechnung
Versteckte Steuerersparnis in der Betriebskostenabrechnung: Wer haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen gezielt nutzt, kann jährlich mehrere hundert Euro direkt von der Steuer abziehen. Was § 35a EStG erlaubt, wie man eine Bescheinigung bei der Hausverwaltung anfordert – und worauf Mieter und Eigentümer jetzt achten sollten.
Nebenkostenabrechnung 2024: Was zählt – und was nicht
Die Abrechnung der Betriebskosten für 2024 fällt für viele Mieter höher aus als erwartet – trotz sinkender Energiepreise. Warum das vergangene Jahr kein fairer Vergleichsmaßstab ist.