BU-Urteil zur formell wirksamen Einstellungsmitteilung im Nachprüfungsverfahren

Das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken befasste sich vor kurzem mit einer Einstellungsmitteilung eines Berufsunfähigkeitsversicherers und hatte in seinem Urteil vom 20.05.2020 (Az: 5 U 30/19) zu entscheiden, ob es sich um eine formell wirksame Einstellungsmitteilung handelte.

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Der Versicherungsnehmer arbeitete als Manager für die Weltbank in China. Infolge eines Erdbebens erlitt er eine posttraumatische Belastungsstörung, wodurch er berufsunfähig wurde und Ansprüche aus einer abgeschlossenen Berufsunfähigkeitszusatzversicherung geltend machte.

Rechtsanwalt Thorben M. Jöhnke von der Kanzlei Jöhnke und Reichow fasst den Fall und die Urteilsbegründung zusammen.

Da der Versicherer die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nicht abschließend prüfen konnte, bot er dem Versicherungsnehmer den Abschluss einer „außervertraglichen Vereinbarung“ an. Danach sollten die Leistungen aus Kulanz und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht für ein Jahr erfolgen.

Nach Ablauf der erbrachten Zahlungen übernahm der Versicherungsnehmer wechselnde Tätigkeiten. Zuletzt arbeitete er für die Handelskammer in Laos. Nachdem er erneut wegen der posttraumatischen Belastungsstörung versicherungsvertragliche Ansprüche geltend machte, erkannte die Versicherung ihre Leistungspflicht an und zahlte.

Im Rahmen eines vom Versicherer eingeleiteten Nachprüfungsverfahren diagnostizierte ein  Psychiater die Berufsfähigkeit des Versicherungsnehmers bezüglich der Beratertätigkeit.

Der Versicherer kündigte daraufhin an, die Leistungen einzustellen. Dabei bezog er sich auf die Beratertätigkeit des Versicherungsnehmers bei der Handelskammer. Gegen die dann erfolgte Leistungseinstellung wandte sich der Versicherungsnehmer.

Die Entscheidung:  Keine formell wirksame Einstellungsmitteilung

Formell muss der Versicherer, um den Wegfall seiner Leistungspflicht geltend machen zu können, in einem Nachprüfungsverfahren dem Versicherungsnehmer nachvollziehbar mitteilen und begründen, warum seine zunächst anerkannte Leistungspflicht wieder endet.

Das OLG Hamm stellt klar: Die Anforderungen an die Begründung der Einstellungsentscheidung sind hoch.

Bjoern-Thorben-M.-Joehnke-2019-Joehnke-und-Reichow[1]Bjoern-Thorben-M.-Joehnke-2019-Joehnke-und-Reichow[1] Björn Thorben M. Jöhnke, Rechtsanwalt, Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB

Das Gericht urteilte, dass die vorliegende Einstellungsankündigung den formalen Anforderungen an eine wirksame Einstellungsmitteilung nicht genügt. Es liege keine formell wirksame Einstellungsmitteilung vor.

Dies begründete das OLG damit, dass die „außervertragliche Vereinbarung“ unwirksam gewesen sei. Denn der Versicherer habe eine ernsthafte Prüfung seiner Leistungspflicht hinausgeschoben, ohne den Versicherungsnehmer hinreichend über die Risiken zu belehren.

Er müsse sich daher  nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als hätte es zwischen dem Abschluss der Vereinbarung und dem Anerkenntnis beim Versicherungsnehmer keinen Berufswechsel gegeben.

Der Versicherer hätte sich daher im Nachprüfungsverfahren auf die zuvor ausgeübte Managertätigkeit bei der Weltbank beziehen müssen, nicht auf den späteren Beruf als Berater der Handelskammer.

Hinweis für die Praxis

Das Urteil verdeutlicht, dass nicht jede Leistungseinstellung eines Berufsunfähigkeitsversicherers rechtlich haltbar ist. Die Entscheidung liefert wichtige Hinweise zu den formellen Anforderungen an eine Einstellungsmitteilung im Nachprüfungsverfahren in der Berufsunfähigkeitsversicherung.

In diesem Zusammenhang wird auch auf das Urteil des OLG Saarbrücken v. 07.04.2017 – 5 U 32/14 (Jöhnke & Reichow berichtete über das Urteil hier) verwiesen, in dem das Gericht deutlich macht, dass Leistungseinstellungen im Nachprüfungsverfahren bei Berufsunfähigkeit formalen und materiellen Voraussetzungen unterliegen.

Für die Praxis ist damit festzustellen, dass es im Bereich der Berufsunfähigkeit sinnvoll ist, jede Leistungsablehnung eines Berufsunfähigkeitsversicherers juristisch überprüfen zu lassen und frühzeitig anwaltliche Expertise in Anspruch zu nehmen, da ansonsten die vertraglich zugesicherten Ansprüche des Versicherten vereitelt werden könnten.

Die Rechtsanwälte der Kanzlei werden zu dem Bereich des Versicherungsrechts auf dem Jöhnke & Reichow Vermittler-Kongress am 04.02.2021 in Hamburg referieren. Informationen zur Agenda und Anmeldemöglichkeit finden Sie unter www.vermittler-kongress.de.

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