Deutsche Haushalte sparen trotz der Corona-Pandemie so viel wie zuletzt 1992. Verantwortlich dafür ist der zurückgefahrene private Konsum.
Wirtschaftswissenschaftler sind zu Beginn der Covid-19-Pandemie aufgrund deren ökonomischer Konsequenzen wie Kurzarbeit, leeren Auftragsbüchern und drohenden Insolvenzen von einem deutlichen Rückgang der privaten Sparquote ausgegangen. Eine Studie der DZ Bank (PDF) unter Leitung von Volkswirt Michael Stappel zeigt nun einen gegenteiligen Effekt, laut dem trotz der gesunkenen Einkommen die Sparquote der privaten Haushalte signifikant zugenommen hat.
Als Hauptgrund für diesen paradox erscheinenden Effekt nennt die Wissenschaftler der DZ Bank den Rückgang des privaten Konsums um geschätzt 2,8 Prozent im Jahr 2020, der sich in Bereichen wie Freizeitaktivitäten, Restaurantbesuchen und Urlaubsreisen später nur teilweise nachholen lässt. Laut Stappel „ist das der stärkste nominale Einbruch seit der Wiedervereinigung.“
Sparquote von 12,5 Prozent
Die von der DZ Bank prognostizierte Sparquote liegt für das laufende Jahr somit bei 12,5 Prozent des verfügbaren Einkommens, was der höchste Wert seit 1992 ist. Sollte die Corona-Pandemie bis zum Jahr 2021 überwunden sein, gehen die Ökonomen von einem deutlichen Rückgang der Sparquote auf 11,3 Prozent aus.
Die Geldvermögensbestände der privaten Haushalte werden hingegen im Jahr 2020 laut der Prognose nur um 2,1 Prozent auf 6,8 Billionen Euro wachsen. Verantwortlich dafür sind die niedrigen Zinsen sowie hohe Kursverluste bei Aktien und Fonds.
Ersparnisse oft auf dem Girokonto
Aus Sicht der Studienautoren ist die hohe Sparquote besonders problematisch, weil die in Deutschland besonders ausgeprägte Risikoaversion dafür sorgt, dass Aktien und andere Anlagemöglichkeiten, die auch während einer Krise hohe Renditechancen bieten, gemieden werden. Stattdessen wird ein Großteil des privat gesparten Geldes laut einer repräsentativen YouGov-Umfrage traditionell auf Girokonten belassen.
Die jüngsten Kursverluste werden laut Stappel zu einer weiteren Flucht aus dem Aktienmarkt führen und die Verteilung der Ersparnisse weiter auf Girokonten verschieben. Wie das Ipsos Finanzmarktpanel zeigt, wird dieser Effekt noch dadurch verstärkt, dass auch erklärungsbedürftige Finanz- und Anlagedienstleistungen wie ein Bausparvertrag Vergleich häufig ohne ausreichende Beratung in Anspruch genommen werden. Dies führt zwar dazu, dass die Gelder nicht Girokonten verbleiben, kann aber schnell falsche Investitionsentscheidungen auslösen.
Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erlaubt schnelle Erholung
Im vergangenen Jahr waren private Haushalte in Deutschland für 52 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) verantwortlich. Stappel konstatiert deshalb, dass „mit dem Konsumeinbruch auch eine wichtige Stütze der konjunkturellen Entwicklung der letzten Jahre in Deutschland verloren geht.“
Trotzdem erwartet der Ökonom im Vergleich zu anderen Industrieländern in Deutschland nur relativ milde langfristige Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Gesamtkonjunktur. Als Gründe dafür nennt Stappel die solide Haushaltsführung der Bundesrepublik und den Schuldenabbau der letzten Jahre, die es ermöglichen ein umfassendes wirtschaftliches Hilfsprogramm zu finanzieren.
Obwohl einzelne Berufsgruppen, darunter vor allen Selbstständige und Freiberufler, laut Prognosen im aktuellen Jahr im Mittel zehn Prozent ihres Einkommens verlieren, geht Stappel auch bei Einzelpersonen von vergleichsweise milden wirtschaftlichen Folgen aus. Verantwortlich dafür ist die ausgeweitete Kurzarbeiter-Regelung und die schnell angelaufenen Hilfsprogramme.
Insgesamt vertritt der Ökonom die Ansicht, dass Deutschland somit leistungsstarke Wirtschaftsstrukturen erhalten kann, was den wirtschaftlichen Erholungsprozess nach Covid-19 deutlich beschleunigt.
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