Betriebswirtschaftlicher Nutzen von Arbeitsschutz durch Studie belegt

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Arbeitsschutzmaßnahmen haben einen positiven Return on Prevention (ROP). Trotzdem vernachlässigen viele Unternehmen Investitionen in diesem Bereich.

Laut einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens net-request unter 1.000 Arbeitnehmern zwischen 20 und 60 Jahren aus den Ländern Deutschland, Schweiz, Belgien und Polen vernachlässigen viele Unternehmen das Thema Arbeitsschutz signifikant. Die Antworten der 400 Teilnehmer aus Deutschland zeigen die folgenden Top-Ergebnisse:

  • 68 Prozent der Befragten gehen bei der Sicherheit am Arbeitsplatz Kompromisse ein.
  • 63 Prozent der Arbeitnehmer müssen Berufs- und Sicherheitskleidung selbst waschen und pflegen.
  • 52 Prozent der Studienteilnehmer erklärten, dass in ihrem Unternehmen Produktivität wichtiger als Sicherheit ist.
  • 44 Prozent der Arbeitnehmer verzichten regelmäßig auf Teile ihrer Schutzausrüstung

Mangelnde Kontrollen, Komfort und Druck aus der Chefetage

Als Grund für die unzureichende Einhaltung der Sicherheitsvorschriften nannten die Befragten häufig die mangelnde Kontrolle durch Vorgesetzte. In nur 57 Prozent der Betriebe wird die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften zumindest alle zwei Monate kontrolliert. Deutschland liegt damit im Ländervergleich auf dem schlechtesten Platz. 45 Prozent der Arbeitnehmer gaben sogar an, dass ihr Chef ihnen explizit eine Arbeitsanweisung erteilt hat, die gegen die Sicherheitsvorschriften verstößt, weil die steigende Arbeitsmenge ansonsten nicht zu bewältigen war.

Eine weitere Ursache, die oft zu einer Nichteinhaltung der Sicherheitsvorschriften führt, ist der persönliche Komfort der Arbeitnehmer. Laut den Studienergebnissen unterschätzen vor allem junge Menschen häufig die Risiken am Arbeitsplatz. 44 Prozent der Befragten verzichten deshalb regelmäßig eigenmächtig auf einen Teil ihrer Schutzausrüstung wie Handschuhe, Schutzbrillen oder Sicherheitsschuhe. Zwei Drittel gaben außerdem an andersartige Kompromisse bei der Arbeitssicherheit einzugehen, um ihren Komfort zu erhöhen. In Polen verzichten hingegen nur 28 Prozent der Befragten aus Komfortgründen auf Sicherheitsausrüstung.

Mangelnde Pflege der Schutzkleidung

Ein weiteres Problem ist laut den Studienautoren die Pflege der professionellen Schutzausrüstung (PSA), die in Deutschland von 63 Prozent der Nutzer selbst durchgeführt wird. Dies kann zum Beispiel bei Hitze- und Flammenschutzkleidung bei Nutzung falscher Waschmittel die Schutzwirkung zerstören. Lediglich in 25 Prozent der Betriebe wird hingegen regelmäßig die Schutzkleidung auf ihre Funktion überprüft.

Werner Münnich, PSA-Experte: „Die richtige Ausrüstung und deren Pflege sollte nur in professionelle Hände gegeben werden. Dies betrifft vor allem die Kontrolle und Instandhaltung der Schutzfunktionen der Kleidung.“

Unternehmen riskieren damit nicht nur die Gesundheit ihrer Mitarbeiter, sondern verstoßen auch gegen EU Arbeitsschutz-Richtlinie 89/656/EWG, die sie dazu verpflichtet, regelmäßig die vorgeschriebene Schutzkleidung zu kontrollieren und gegebenenfalls auszutauschen.

Werner Münnich, PSA-Experte: „Wenn 63 Prozent selbst für das Waschen ihrer Berufskleidung verantwortlich sind, dann gehe ich davon aus, dass bei einem Großteil die Schutzkleidung nicht sachgemäß geprüft und instandgehalten wird.“

Als Grund für die mangelnde Überprüfung und die fehlende Instandhaltung der Sicherheitskleidung nannten 53 Prozent der Befragten die Kosten. 52 Prozent gaben außerdem an, dass in ihrem Unternehmen die Produktivität generell einen höheren Stellenwert als die Sicherheit des Personals hat.

Studie zeigt betriebswirtschaftlichen Nutzen Arbeitsschutz

Eine Studie der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS), der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) und der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM) zeigt hingegen, dass Investitionen in Arbeitsschutzmaßnahmen einen positiven Return on Prevention (ROP) haben und sich für Unternehmen somit auch aus finanzieller Perspektive lohnen.

Professor Dietmar Bräunig von der Justus-Liebig-Universität Gießen: „Die Vorschriften zum Arbeitsschutz und die wirtschaftlichen Bedingungen unterscheiden sich weltweit teilweise erheblich. Gerade deshalb war es sinnvoll zu schauen, ob sich Investitionen in den Arbeitsschutz für Unternehmen generell rentieren.“

Insgesamt wurden für die Studie 300 Unternehmen in 16 Ländern zu betriebswirtschaftlichen Vor- und Nachteilen von Investitionen in Arbeitsschutzmaßnahmen und die Gesundheit im Betrieb befragt.

Professor Dietmar Bräunig von der Justus-Liebig-Universität Gießen: „Auf dieser Basis konnten wir eine Präventionsbilanz erstellen.“

Im Mittel liegt der ROP laut den Studienergebnissen bei 2,2. Jeder investierte Euro in betriebliche Präventionsarbeit erzielt somit durchschnittlich ein ökonomisches Erfolgspotenzial von 2,2 Euro.

Professor Dietmar Bräunig von der Justus-Liebig-Universität Gießen: „Hierbei handelt es sich um den Mittelwert. Was das einzelne Unternehmen tatsächlich zurückbekommt, hängt natürlich auch von der wirtschaftlichen Situation und den Marktbedingungen ab.“

Die Wissenschaftler merken jedoch an, dass die anhand von standardisierten Interviews erhobenen Daten sich zwischen einzelnen Unternehmen stark unterscheiden.

Dr. Thomas Kohstall vom Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung: „Für die gewählte Methode der Präventionsbilanzierung war es wichtig, dass die befragten Unternehmen über ausreichend Erfahrung in und mit betrieblicher Präventionsarbeit verfügen. Das legt den Schluss nahe, dass sich Investitionen in den Arbeitsschutz für Betriebe mit wenig Erfahrung in diesem Bereich eher noch mehr rentieren würden.“

Neben den geringeren Ausfallzeiten aufgrund verletzter oder kranker Arbeitnehmer sind Arbeitsschutzmaßnahmen aus betriebswirtschaftlicher Sicht laut den Studienergebnissen außerdem eine rentable Investition, weil sie für ein besseres Image in der Öffentlichkeit sorgen, die Betriebskultur und Motivation erhöhen und die Zufriedenheit der Beschäftigten verbessert.