Die Lebensversicherer in Deutschland starteten nach einem erfolgreichen Geschäftsjahr 2019 absatzstark ins Jahr 2020. Allerdings führt Covid-19 zu einem Einschnitt beim Wachstum der deutschen Lebensversicherungsbranche. Das Ausmaß des Neugeschäftsrückgangs sollte sich aber bei zunehmender Lockerung der Kontaktbeschränkungen in Grenzen halten, ebenso wie die Schadenbelastung. Dies sind Ergebnisse des „Marktausblick zur Lebensversicherung“ der Rating-Agentur Assekurata.
Die Kapitalmärkte hingegen werden voraussichtlich noch lange mit niedrigen Zinsen aufwarten und hohe Zinszusatzreserven nach sich ziehen.
Festverzinsliche Kapitalanlagen überwiegen
Wegen des Niedrigzinsumfelds können insbesondere Lebensversicherer allein mit festverzinslichen Kapitalanlagen kaum ausreichend Rendite erwirtschaften, um die Rechnungszinsen in den Beständen zu bedienen.
So ist der Bestand an festverzinslichen Wertpapieren seit 2011 bei den von Assekurata gerateten Lebensversicherern durchschnittlich um 10,3 Prozentpunkte zurückgegangen. Allerdings waren zum Bilanzstichtag 2019 immer noch durchschnittlich 81,3 Prozent der Kapitalanlagen (nach Marktwerten) festverzinslich angelegt.
In einer Online-Befragung, die Assekurata in den Monaten April und Mai 2020 unter 30 Kapitalanlegern von Versicherern durchgeführt hat, gab jedoch gut jeder dritte Asset Manager an, die Aktien- und Immobilienquote im eigenen Unternehmen erhöhen zu wollen. Sogar mehr als die Hälfte will den Anteil an alternativen Investments aufstocken. Im Gegenzug erwägen viele Asset Manager, den Anteil an festverzinslichen Wertpapieren zu reduzieren.
Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei Assekurata, dazu:
„In Anbetracht der extrem niedrigen Zinsen ist diese Anlagepolitik nachvollziehbar, zumal die Nominalzinsen seit Ausbruch der Corona-Krise noch weiter gefallen sind.“
Die Tendenz trifft aber nicht auf alle Befragten zu. Knapp jeder fünfte Kapitalanleger plant trotz Tiefzinsen einen Zukauf an Festverzinsern, vornehmlich im Bereich von Unternehmensanleihen.
Lars Heermann sagt:
„Hohe bilanzielle Leistungsverpflichtungen und Kapitalanforderungen unter Solvency II können diesen Schritt erforderlich machen. Hierbei spielen die Bestandsgarantien eine große Rolle. Demgegenüber erlauben Versicherungsbestände mit geringen Garantie- und Solvenzanforderungen deutlich mehr Freiheiten in der Kapitalanlage.“
Änderungen bei der Geschäftsstruktur der Lebensversicherer
Das Kapitalmarktumfeld spiegelt sich auch in den Branchen-Ergebnissen wider. Während die Lebensversicherer im Jahr 2010 marktweit noch mehr als 12 Milliarden Euro an Rohüberschuss erwirtschafteten, liegt er aktuell nach Berechnungen von Assekurata bei knapp 11 Milliarden Euro .Zu diesem Wert trägt mittlerweile das Risikoergebnis doppelt so viel bei wie die Kapitalanlage.
Lars Heermann relativiert die rückläufige Entwicklung:
„Angesichts der schon seit Jahren rückläufigen Kapitalmarktzinsen ist der Branchen-Rohüberschuss noch ziemlich stabil.“
Dies sei zum einen den Anstrengungen der Anbieter zur Finanzierung der Zinszusatzreserve (ZZR) geschuldet, die mit außerordentlichen Kapitalanlageerträgen aus der Auflösung von Bewertungsreserven einherginge.
„Andererseits ist die stabile Ergebnislage ein Ausdruck der Bemühungen vieler Gesellschaften, die eigenen Geschäftsfelder neu auszurichten und sich im Neugeschäft auf ertrags- und eigenmittelschonende Produkte auszurichten.“
Neue Produkte für Wachstumsschub
Die strukturelle Neuausrichtung wird auch anhand des Branchenwachstums deutlich. So haben die Lebensversicherer im zurückliegenden Geschäftsjahr 2019 ihren Neuzugang nach Beiträgen gegenüber dem Vorjahr um mehr als zehn Milliarden Euro gesteigert. Nach Einschätzung von Assekurata entfallen rund 60 Prozent dieses Zuwachses auf Altersvorsorgeprodukte mit kapitaleffizienten Garantien, also insbesondere neue klassische, Index- und hybride Policen. Dieses Segment vereinnahmt mit etwa 45 Prozent zugleich die höchsten Prämienanteile im Neugeschäft, wie die folgende Abbildung verdeutlicht.
Lars Herrmann dazu:
„Bei genauerer Betrachtung der Branchenzahlen werden einige Besonderheiten deutlich. Zum einen profitierte der Markt in hohem Maße von steigenden Einmalbeiträgen, zum anderen verzeichnete besonders der Branchenführer Allianz überdurchschnittliche Neugeschäftszuwächse.“
In einer Gruppenbetrachtung entfallen mittlerweile knapp 77 Prozent der Beitragseinnahmen in der Lebensversicherung auf die zehn größten Anbieter, knapp 30 Prozent allein auf die Allianz. Zum Vergleich: Im Jahr 2016 hatten die „Big 10“ noch lediglich 74,4 Prozent vereinnahmt und die Allianz 21,0 Prozent.
Fortsetzung der Transformation
Mit Blick auf Corona geht die Rating-Agentur davon aus, dass sich die Pandemie vor allem über die Reaktionen der Kapitalmärkte auf die Bilanzen der Lebensversicherer auswirken wird. Wachstumsseitig dürfte sich das sehr hohe Neugeschäft aus 2019 vor dem Hintergrund des Lockdowns nicht wiederholen. Jedoch ist der Grad der Betroffenheit zwischen einzelnen Gesellschaften und Geschäftsfeldern nach Einschätzung der Kölner Analysten durchaus unterschiedlich.
Lars Heermann sagt:
„Viele Lebensversicherer befinden sich ohnehin seit Jahren in einem Transformationsprozess, den die Pandemie allenfalls etwas abbremsen, aber nicht stoppen wird. Nach der Corona-Krise werden besonders die Gesellschaften mit einer soliden Bilanzstruktur sowie einer modernen und digitalen Geschäftsausrichtung zu den Profiteuren gehören.“
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