Teilzeitklausel in der Condor-Berufsunfähigkeitsversicherung

Teilzeitklausel in der Condor-Berufsunfähigkeitsversicherung
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Ein Kommentar von Rechtsanwältin Kathrin Pagel, Fachanwältin für Versicherungsrecht und Partnerin in der Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte PartG:

Aus der Gerichtspraxis zu Auseinandersetzungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherungen heraus freut man sich, wenn man sieht, dass der Versicherer auf typische Rechtsstreitigkeiten, zu denen es einschlägige Rechtsprechung schon gibt, durch Klarstellungen im Versicherungsvertrag reagiert. Eine solche Klarstellung zeigt dem Versicherungsnehmer, dass der Versicherer sich im Leistungsfall über diesen Punkt nicht streiten möchte.

Was hat es nun mit der viel diskutierten sogenannten „Teilzeitklausel“ der Condor Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft auf sich?

Zunächst einmal hier der Wortlaut der Klausel:

„Reduziert die versicherte Person während der Versicherungsdauer ihre vertraglich oder gesetzlich fixierte wöchentliche Arbeitszeit, bleibt für die Beurteilung einer Berufsunfähigkeit die während der Versicherungsdauer höchste vertraglich oder gesetzlich  fixierte wöchentliche Arbeitszeit maßgebend (Teilzeitklausel). Nachweise über die  jeweiligen Arbeitszeiten sind uns vorzulegen. Entsprechendes gilt, wenn die Arbeitszeitreduktion vom Arbeitgeber angeordnet wird (z.B. Kurzarbeit).“

Was steckt hinter der Einführung dieser Klausel? Fälle wie der vor dem OLG Saarbrücken geführte Rechtsstreit zu dem Urteil vom 28.4.2014, Az. 5 355/12 (VUR 2014,483 = beckRS 214,18083) zeigen zunächst, worin die Problematik für die Praxis besteht.

Kathrin Pagel, Fachanwältin für Versicherungsrecht und Partnerin in der Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte PartG

Die Klägerin war Industriekauffrau und arbeitete seit 1995 als Bürokraft in einem Autohaus. Ihre Arbeitszeit betrug 40 Stunden in der Woche, verteilt auf 5 Tage. 2005 war die Klägerin schwanger und es trat eine tiefe Bein-Beckenvenen-Thrombose im linken Bein auf. Diese wurde mit Heparin und Marcumar behandelt. Es verblieb ein sogenanntes postthrombotisches Syndrom, mit Problemen beim längeren Stehen und Sitzen.

In der Elternzeit April 2006 bis Oktober 2007 aber arbeitete die Klägerin trotz der Beeinträchtigungen noch als Aushilfe mit 8 Wochenarbeitsstunden bei ihrem Arbeitgeber. Währenddessen beantragte sie Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Leistungen wurden abgelehnt. Ende 2007 nahm sie ihre frühere Tätigkeit wieder auf, dann mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19 Stunden. Gegen die Thrombosen trägt sie Kompressionsstrumpfhosen und nimmt gerinnungshemmende Medikamente ein. Ende 2008 stellte sie einen weiteren Leistungsantrag im Hinblick auf die auftretenden Beschwerden in Form von Schmerzen und Schwellungen im Bein, zu dem sie vorträgt, dass nach 3 Stunden ihre maximale Belastungs- und Beschwerdegrenze erreicht sei. Der Versicherer lehnte weiterhin eine Leistung ab.

Das Gericht hatte zu entscheiden, welcher Beruf für die Klägerin maßgeblich sei, der ausgeübte Vollzeitberuf mit 40 Wochenstunden oder, wie der Versicherer behauptete, die Teilzeittätigkeit als Aushilfe mit 8 Wochenstunden.

Für die Frage, welcher Beruf tatsächlich für die Beurteilung zugrunde zu legen ist, muss beurteilt werden, was aus der Sicht des Versicherungsnehmers der zuletzt in gesunden Tagen ausgeübte Beruf ist, so das OLG. „Der „Beruf“ eines Menschen ist jede auf Dauer angelegte, der Schaffung oder Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Tätigkeit. Ob der Versicherungsnehmer seine Fähigkeit zur Ausübung seines Berufs verloren hat, hängt davon ab, wie seine berufliche Tätigkeit zu dem Zeitpunkt ausgestaltet war, ab dem er den Eintritt des Versicherungsfalls behauptet (sog. Stichtagsprinzip; Rixecker in: Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl. 2014, § 172 Rdn. 30). Welchen Beruf der Versicherungsnehmer ausübt, hängt von der Dauer ab und davon, ob die neue Tätigkeit prägend geworden ist. Ein leidensbedingter Berufswechsel führt nicht dazu, dass der Versicherungsschutz entfällt oder entwertet wird. Von atypischen Fällen abgesehen ist maßgeblich die vormals ausgeübte Berufstätigkeit.“ (OLG Saarbrücken BeckRS 2014, 18083).

Die Inanspruchnahme von Elternzeit und eine darauffolgende, leidensbedingte Reduzierung der Arbeitszeit führen nicht dazu, dass nicht mehr an den zuvor ausgeübten Beruf angeknüpft werden muss, so das OLG Saarbrücken eindeutig. Das OLG Saarbrücken befand sich bei dieser Entscheidung in guter Gesellschaft. Auch der BGH hatte zu dem Thema Erziehungsurlaub und ausgeübter Beruf in der Berufsunfähigkeitsversicherung schon 2011 entschieden.

In dem Urteil des BGH vom 30.11.2011, Az.IV ZR 143/10, wurde zudem klargestellt, dass auf den Beruf der Erzieherin nur dann nicht mehr abzustellen wäre, „wenn die Kl. ihre berufliche Tätigkeit bewusst zugunsten einer dauernden Tätigkeit als Hausfrau aufgegeben hätte oder aber die Zeitspanne zwischen der Beendigung der früheren Tätigkeit und dem Versicherungsfall so groß wäre, dass sie ihre berufliche Qualifikation für den vor Eintritt der Arbeitslosigkeit ausgeübten Beruf verloren hätte und diesen aus fachlichen Gründen nicht mehr fortführen könnte“ (BGH unter Verweis auf Rixecker in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 2. Aufl. § 46 Rn. 35, 36; ders. Zfs 2007, 102).

Danach können auch andere Sachverhalte in gleicher Weise interpretiert werden.

Das bedeutet, dass im Falle von Teilzeitarbeit immer darauf abgestellt werden dürfte, ob der zuvor ausgeübte Beruf aufgegeben und sich ein neuer Beruf manifestiert hat oder ob der zuvor ausgeübte Beruf lediglich unterbrochen wurde.

Betrachtet man nun in diesem Licht die oben zitierte Teilzeitklausel, entspricht diese genau der gängigen Rechtsprechung und ist lediglich eine Klarstellung. Eventuelle Überschneidungen mit anderen Vertragsklauseln müssen dann gegebenenfalls interpretiert werden. Darüber hinaus zeigt eine solche Klausel, dass der Versicherer sich an diese gängige Rechtsprechung auch gebunden sieht. Insoweit dürfte zu erwarten sein, dass ein Versicherer, der eine solche Klausel verwendet, jedenfalls diese Problematik bei der Abwicklung eines Leistungsfalles nicht gesondert prüft und damit möglicherweise die Entscheidung über die Leistung beschleunigt wird.

Selbstverständlich gibt es in der Abwicklung eines Leistungsfalles in der Berufsunfähigkeitsversicherung noch eine Vielzahl von anderen Herausforderungen, die in der Praxis gemeistert werden müssen und durch diese eine Klausel nicht gelöst werden können.

Vor diesem Hintergrund dürfte jedoch die Verwendung einer solchen Teilzeitklausel durchaus sehr positive Aspekte haben. So ist meines Erachtens Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski fraglos zuzustimmen, soweit dieser eine Eignungsempfehlung zu dieser Teilzeitklausel ausgesprochen hat. Wie der Versicherer künftig in der Leistungsabwicklung mit dieser Klausel umgeht, bleibt zunächst abzuwarten.

 

Hinterfragt: Die Teilzeitklausel der Condor LV AG und das fast perfekte Marketing

 

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