Die Absicherung der Arbeitskraft und des Krankheitsfalls zählt unstrittig zu den Königsdisziplinen der Vorsorgeberatung. Der Vermittler unserer Tage muss dabei nicht nur den Versorgungsbedarf seines Kunden gewissenhaft ermitteln, sondern auch aus einer zunehmend größeren Flut von Tarifen die möglichen Vorsorgeinstrumente zur Abbildung des erforderlichen Versicherungsschutzes auswählen, bewerten und seinem Kunden als Alternativen vorstellen.
Allerdings wird die Ziellinie auch mit einer akribischen Produktrecherche und einer hohen Expertise im Beratungsgespräch noch nicht überschritten, geschweige denn erreicht. Vor die Vertragspolicierung haben die Versicherer die Antragsaufnahme mit einem oftmals sehr langen Fragenkatalog zu dem Gesundheitszustand und den Risikoverhältnissen des Kunden gestellt. Ein Dschungel, der nicht selten zu Irrungen und Wirrungen führt.
Die vorvertragliche Anzeigepflicht
Der Gesetzgeber hat die vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) normiert. Mit der umfassenden Reform des VVG zum 01. Januar 2008 hatte der Gesetzgeber bei der vorvertraglichen Anzeigepflicht einen Paradigmenwechsel vollzogen und den Umfang der anzeigepflichtigen beruflichen Risiken, Freizeitaktivitäten und Vorerkrankungen beschränkt. So muss der Antragsteller nur noch Angaben zu seiner persönlichen Risikosituation machen, die der Versicherer im Antrag schriftlich abfragt.
Mit dieser Regelung wurden per Gesetz eine allgemeine Anzeige risikorelevanter Umstände und damit auch die Rechte der Versicherungsgesellschaften beschnitten. Vor allem die Lebens- und Krankenversicherer haben auf die Neufassung der Rechtsnorm zur vorvertraglichen Anzeigepflicht mit einem verlängerten und detailliert ausformulierten Fragenkatalog im Antrag reagiert. Der Vermittler ist gut beraten, die Antragsfragen der Gesellschaften sehr genau zu lesen und eventuell unklare Formulierungen im Zweifelsfall zu hinterfragen.
Beschwerden und Funktionsstörungen
Die Tragweite der regelmäßig in den Anträgen für eine Berufsunfähigkeitsversicherung anzutreffenden Frage „Leiden oder litten Sie in den letzten 5 Jahren an Krankheiten, Beschwerden oder Funktionsstörungen?“ erschließt sich der Mehrheit der Kunden und auch dem einen oder anderen Vermittler nicht. So kann die bereits 10 Jahre zurückliegende Implantation einer künstlichen Linse im Auge bei der Beantwortung der Frage nach operativen Eingriffen in den letzten 5 Jahren unberücksichtigt bleiben. Doch das Implantat müsste aber als bestehende Funktionsstörung angezeigt werden. Und eine künstliche Linse im Auge muss dabei nicht zwingend zu einer vertraglichen Erschwernis (Beitragszuschlag oder Ausschlusserklärung) führen. Sofern die versicherte Person bereits ein höheres Lebensalter erreicht hat, kann die Notwendigkeit eines Linsenimplantats mit einem „grauen Star“ (Katarakt) durchaus erklärt werden. Im Gegensatz dazu muss der Einsatz einer künstlichen Linse bei jungen Menschen allerdings kritisch gesehen werden, da die Notwendigkeit dieses in wenigen Minuten durchgeführten operativen Eingriffs auch ein Indiz für eine chronische Erkrankung, wie zum Beispiel ein Marfan-Syndrom, sein kann.
Ich habe Rücken ...
Nahezu jeder Vermittler kennt diese Situation: Bei der Besprechung der Fragen zum Gesundheitszustand des Antragstellers werden die regelmäßig auftretenden Rückenschmerzen thematisiert.
Ein Drittel aller Erwachsenen in Deutschland hat „Rücken“ und auch bei Kindern und Jugendlichen in der Altersgruppe 11 bis 17 Jahre sind Rückenschmerzen prominent vertreten (Raspe in Robert Koch Institut, Rückenschmerzen, Berlin 2012).
Bei den Ursachen für eine Arbeitsunfähigkeit von gesetzlich Krankenversicherten im Jahr 2017 sicherten sich die Rückenbeschwerden souverän den 2. Platz (Badura et al. Fehlzeitenreport 2018, 2018).
Sofern regelmäßig auftretende Rückenschmerzen des Antragstellers in einem Antrag auf eine Berufsunfähigkeitsversicherung angegeben werden, schlagen bei der Antragsprüfung alle Alarmglocken an. In vielen Fällen wird dann die Vertragspolicierung von einer Ausschlusserklärung für Erkrankungen der Wirbelsäule und Folgen abhängig gemacht.
Im Praxisalltag wird daher der eine oder andere Vermittler seinen Kunden darauf hinweisen, dass nicht aktenkundige Rückenschmerzen auch nicht anzeigepflichtig sind. Sofern der Antragsteller also wegen seiner Rückenbeschwerden nicht in ärztlicher Behandlung war, bleibt dieses Beschwerdebild bei den Gesundheitsfragen oftmals großzügig unberücksichtigt. Diese Vorgehensweise kann im Fall einer ernsthaften Erkrankung des Kunden zum Bumerang mutieren.
Wenn der Versicherungsnehmer zwei Jahre nach dem Abschluss seiner Berufsunfähigkeitsversicherung einen Arzt wegen dauerhafter Rückenschmerzen konsultiert, wird dieser dem Patienten folgende Frage stellen: „Wie lange haben Sie denn diese Beschwerden?“ In dieser Situation wird sich kaum ein Versicherungskunde an die Angaben in seinem Antrag auf eine Berufsunfähigkeitsversicherung erinnern und die seit Jahren immer wieder aufgetretenen Rückenschmerzen finden nun ihren Eingang in die ärztliche Dokumentation.
Stellt ein Kunde aufgrund multipler Bandscheibenvorfälle einen Leistungsantrag wegen Berufsunfähigkeit und fragt der Versicherer den behandelnden Arzt deswegen an, kann der Versicherungsnehmer sehr schnell in Erklärungsnöte kommen. Für den Fall, dass der Versicherer eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht geltend macht und eine Leistungszahlung ablehnt, wird dies zu einer Dissonanz in der Kunden-Vermittler-Beziehung führen.
Wie kam die Diagnose in die Patientenakte?
Auch in einer Arztpraxis arbeiten Menschen und auch dort kann es zu einer Panne kommen. In der Hektik des Praxisalltags wurde die Diagnose oder die Medikation von Patient A versehentlich in der Akte von Patient B notiert. Während in der Mehrheit der Fälle ein falscher Eintrag in einer Patientenakte auf einem Versehen beruhen wird, kann eine dem Patienten nicht bekannte Fehlfunktion seiner Leber oder eine rezidivierende Depression auch auf einem vorsätzlichen Abrechnungsbetrug beruhen.
Nun soll und darf der ehrenwerte Berufsstand der Ärzte auf keinen Fall diskreditiert werden; auf der anderen Seite hat dieses Problem ein Ausmaß angenommen, das nicht negiert werden sollte. Nach einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers beziffert sich der Schaden aus Abrechnungsbetrug und Verschwendung im deutschen Gesundheitswesen im Jahr 2010 auf geschätzte 10 Milliarden Euro. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete in ihrer Ausgabe vom 17. Januar 2013, dass 53.000 Fälle von Abrechnungsbetrug verfolgt wurden, und die ersten gesetzlichen Krankenkassen haben bereits eigene Task Forces zur Bekämpfung von Abrechnungsbetrug eingeführt.
Haftungsbefreiender GKV-Check
Für Antragsteller, die in den letzten 5 Jahren in Deutschland ununterbrochen gesetzlich krankenversichert waren, bietet die NÜRNBERGER Lebensversicherung seit August 2018 bei der Beantragung einer selbstständigen Berufsunfähigkeitsversicherung den sogenannten „GKV-Check“ an. Sofern der Antragsteller schriftlich einwilligt, fordert der Versicherer bei der zuständigen gesetzlichen Krankenkasse die relevanten Informationen zum Gesundheitszustand des Kunden der letzten 5 Jahre (Behandlungen, Arztbesuche, Diagnosen, AU-Zeiten …) direkt an.
Mit diesem Verfahren stellt der Versicherer den Kunden bis auf einen Zeitraum von 12 Monaten vor Antragstellung von einer Anzeige vorvertraglicher Beschwerden, Funktionsstörungen und Erkrankungen frei. Nachdem mit der Datenaufzeichnung der gesetzlichen Krankenkassen das Zeitfenster von 12 Monaten vor der Antragstellung nicht oder nur teilweise erfasst wird, muss der Antragsteller nur für diesen Zeitraum die Gesundheitsfragen im Antrag beantworten und der Versicherer wird im Leistungsfall auch nur für diesen Zeitraum die vorvertragliche Anzeigepflicht prüfen.
Nun geht es keinesfalls darum, die vorvertragliche Anzeigepflicht auf eine absolute Querverbindung zu falschen Daten in der Patientenakte abzustellen. Vielmehr stellt sich die Frage: Mit welchen Möglichkeiten kann dieses Risiko für alle Vertragsbeteiligten so gering als möglich gehalten werden? Die NÜRNBERGER Lebensversicherung bietet deshalb den GKV-Check als optionale Möglichkeit für die Prüfung vorvertraglicher Erkrankungen des Antragstellers an. Der Vermittler kann und sollte im Beratungsgespräch beide Alternativen vorstellen und in Abstimmung mit seinem Kunden verfahren.
Sofern im Rahmen des GKV-Checks unerklärliche und mit einer vertraglichen Erschwernis zu belegende Befunde offengelegt werden, können diese vom Kunden nachrecherchiert und gegebenenfalls ausgeräumt werden. Bei Antragstellung ohne GKV-Check würde eine mögliche „vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung“ erst zu einem strategisch höchst ungünstigen Zeitpunkt erkennbar werden, dann, wenn der Versicherungsfall eintritt.
Der optional angebotene GKV-Check der NÜRNBERGER Lebensversicherung ist ein wertvoller Beitrag für die Entschärfung der Tretmine eine vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung.
Bis dato kann der GKV-Check bei Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung eingesetzt werden, doch es wäre wünschenswert, dass diese optionale Form der vorvertraglichen Auskunft zu Vorerkrankungen des Antragstellers im Rahmen der Leistungsangebote für die Dread-Disease- und die Grundfähigkeitenversicherung zur Verfügung steht.
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