Natürlich hatte der große deutsche Dichterfürst Friedrich Schiller mit diesem Vers aus seinem berühmten Gedicht „Die Glocke“ nicht die deutsche Versicherungswirtschaft, sondern vielmehr die eheliche Bindung im Blick. Dennoch lässt sich dieser Aphorismus durchaus auch auf die vorvertragliche Anzeigepflicht projizieren.
Bei der Antragstellung auf einen Versicherungsvertrag kommt dem Versicherer das Recht der Prüfung der risikorelevanten Umstände zu. Im Gegenzug müssen der Antragsteller oder die zu versichernde Person dem Versicherer Auskunft im Rahmen der vorvertraglichen Anzeigepflicht erteilen.
Eine Mitwirkungspflicht, die sowohl von Kunden als auch dem einen oder anderen Vermittler nicht in allen Fällen gewissenhaft befolgt wird.
Dauerbrenner Berufsunfähigkeitsversicherung
Vor allem bei der Absicherung von Personenrisiken kommt der vorvertraglichen Anzeigepflicht eine besonders hohe Bedeutung zu. Nur in Kenntnis der genauen beruflichen Tätigkeit, der medizinischen Vita, risikorelevanter Sportarten und – zumindest bei der Absicherung höherer Versicherungsleistungen – der Einkommenssituation der zu versichernden Person kann der Versicherer das Risiko einschätzen und im Idealfall den Versicherungsvertrag ohne Erschwernisse policieren.
Mit der VVG-Reform zum 1. Januar 2008 hatte der Gesetzgeber die vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers neu geregelt und auf die Gefahrumstände beschränkt, nach denen der Versicherer in Schriftform gefragt hat. Die Antwort der Gesellschaften ließ nicht lange auf sich warten und die Kataloge der Antragsfragen wurden deutlich verlängert. Mit der Antragsfrage „Waren Sie jemals in Ihrem Leben krank? Wenn ja, woran litten Sie und wer hat Sie behandelt?“ stellte ein deutscher Krankenversicherer im Januar 2008 unter Beweis, dass auch deutsche Versicherer über eine gehörige Portion Humor verfügen.
In den Anträgen auf eine Berufsunfähigkeitsversicherung fragen viele Versicherer heute nach Krankheiten, Beschwerden und Funktionsstörungen der zu versichernden Person in den letzten drei bis fünf Jahren vor Antragstellung. Hier stellt sich die Frage, was der Versicherer unter dem Begriff der Beschwerden subsumiert. Die einmal im Jahr auftretenden Kopfschmerzen, die mit einer Aspirin kuriert werden können, sind sicherlich nicht als anzeigepflichtige Beschwerden zu verstehen. Chronische Migräne- oder Rückenbeschwerden, die regelmäßig auch eine Arbeitsunfähigkeit des Antragstellers begründen, sollten auch in der Wahrnehmung eines Laien als erheblich eingestuft werden. Dies gilt gleichermaßen für ärztlich behandelte Beschwerden.
Die vorvertragliche Anzeigepflicht und die möglichen Sanktionen, die aus einer Verletzung der Anzeigepflicht resultieren können, sollten sehr ernst genommen werden. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. bezifferte den Anteil der im Jahr 2017 aufgrund einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung oder eines vorsätzlichen Betrugs abgelehnten Anträge auf Leistungen wegen Berufsunfähigkeit auf 22 Prozent. Grund genug, sich dem Thema einmal etwas ausführlicher zu widmen.
Ich habe Rücken …
Vor allem langjährig erfahrene Vermittler kennen diese Selbstdiagnose der Kunden nur allzu gut. Eine genussreiche Ernährung, der regelmäßige Griff in das Süßwarenregal und das regelmäßige Feierabendbierchen lassen den Bodymass-Index bereits bei vielen jungen Kunden auf einen suboptimalen Wert abgleiten. Wenn dann das Hüftgold noch von einer sitzenden Berufstätigkeit und sportlichen Aktivitäten, die sich auf den Blick von der Wohnzimmercoach auf den Fernseher beschränken, flankiert wird, dann ist das Beschwerdebild Rücken bereits vorprogrammiert. In ihrem Gesundheitsreport 2016 benennt die Techniker Krankenkasse Rückenbeschwerden als Begründung für fast jeden zehnten Krankschreibungstag in Deutschland.
Wenn nun der Kunde bei der Aufnahme eines Antrags auf eine Berufsunfähigkeitsversicherung seine regelmäßigen Rückenbeschwerden angibt, dann stellt sich vielleicht der eine oder andere Vermittler schon die Frage, ob die Anzeige dieser Beschwerden nicht vielleicht seinen Vermittlungserfolg gefährden könnte. Sofern eine ärztliche Behandlung bislang nicht stattgefunden hatte, wie sollten denn dann die chronischen Rückenbeschwerden des Kunden zurückverfolgt werden können? Wenn allerdings die Rückenprobleme des Kunden zwei Jahre nach Vertragsbeginn so unerträglich werden, dass der Versicherungsnehmer einen Arzt konsultiert, welche Frage wird der Arzt seinem Patienten zum Beginn des Anamnesegesprächs wohl stellen?
Wie lange haben Sie die Beschwerden schon?
Die Mitteilungsfreudigkeit des Patienten kennt an dieser Stelle keine Grenzen und die bislang unsichtbaren, aber dennoch seit Jahren chronisch quälenden Rückenbeschwerden werden jetzt auf einmal offengelegt und von dem behandelnden Arzt in der Patientenakte dokumentiert. Sofern der Versicherungsnehmer mit der Diagnose Bandscheibenvorfall einen Antrag auf Leistungen wegen Berufsunfähigkeit stellt, werden die im Versicherungsantrag nicht erfassten Rückenbeschwerden im Rahmen einer Anfrage des Versicherers bei dem behandelnden Arzt benannt und der Versicherungsnehmer gerät in Erklärungsnöte.
Die Frage nach der verpflichtenden Anzeige von Rückenbeschwerden in einem Antrag auf beispielsweise eine Berufsunfähigkeitsversicherung kann unstrittig geklärt werden, wenn der Versicherer in seinen Antragsfragen die Anzeigepflicht auf ärztlich behandlungsbedürftige Beschwerden beschränkt. Sofern ein Versicherungsunternehmen mit seinen Antragsfragen allgemein eine Anzeige von Beschwerden der zu versichernden Person fordert, sollte der Vermittler die Auslegung dieser Fragestellung beim Versicherer hinterfragen.
Sprengstoff in der Patientenakte
Nur wenige Kunden kennen ihre Patientenakte und dies kann in einem Versicherungsfall zu höchst unangenehmen Überraschungen führen. Auch in einer Arztpraxis kann es einmal zu Pannen kommen und der Befund von Herrn Maier wird versehentlich in der Patientenakte von Herrn Müller eingetragen. Allerdings, und diese Fälle werden regelmäßig auch bekannt, können auch falsche Diagnosen durch einen vorsätzlichen Abrechnungsbetrug des behandelnden Arztes in der Patientenakte aufgenommen werden. Nun soll an dieser Stelle der ehrenwerte Berufsstand der Ärzte auf keinen Fall unter Generalverdacht gestellt werden.
Schwarze Schafe sind bekanntlich auch in der Finanzdienstleistungsbranche zu finden. Bis heute suchen Kunden und Vermittler nach Tausenden von Containern und auch 1,9 Tonnen Gold sind leider bislang unauffindbar. Allerdings hat auch das Thema Abrechnungsbetrug zwischenzeitlich eine Größenordnung erreicht, die nicht mehr negiert werden kann. Viele gesetzliche Krankenkassen haben bereits eine eigene Taskforce für die Ermittlung von Abrechnungsbetrug gegründet.
Während die meisten Ärzte ihrem Patienten Einsicht in die von ihnen geführte Patientenakte gewähren, kommt es immer wieder einmal vor, dass diesem Wunsch des Patienten nicht entsprochen wird. Auch dem Autor wurde die Einsichtnahme in seine eigene Patientenakte schon verweigert. Die Begründung war, dass die erhobenen Befunde dem Datenschutz unterliegen. Auch wenn der Schutz sensibler Patientendaten in jedem Fall hoch aufgesetzt werden muss, sollte der Patient Einsicht in die über ihn geführte Akte nehmen können. Der Gesetzgeber hat dieses Recht des Patienten in § 630 g Abs. 1 BGB normiert.
Eine Einsichtnahme in die Patientenakte kann von dem Behandelnden nur verweigert werden, wenn mit der Einsichtnahme der Therapieerfolg einer medizinischen Behandlungsmaßnahme gefährdet werden könnte.
Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung haben auch die Möglichkeit, bei ihrer Krankenkasse einen Ausdruck der dort erfassten Diagnosen abzurufen. Diese Möglichkeit des sogenannten GKV-Checks bietet die Nürnberger Lebensversicherung auch im Rahmen des Antragsverfahrens an.
Sofern der Antragsteller den Versicherer zu einem Abruf der Diagnose- und Behandlungsdaten bei seinem gesetzlichen Krankenversicherer ermächtigt, muss sich die zu versichernde Person nur zu ihrem Gesundheitszustand in den letzten zwölf Monaten vor Antragstellung erklären. Im Versicherungsfall begrenzt die Nürnberger Lebensversicherung die Prüfung einer vorvertraglichen Anzeigepflicht auch auf die letzten zwölf Monate vor Antragstellung.
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