Schadensersatz vom Vermittler nach Umdecken bzw. Versichererwechsel

Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 26.08.2018, Az. I ZR 274/16) erwartet vom Kläger, der sich nach dem Umdecken von Lebensversicherungen geschädigt fühlt, dass er auch bereits für eine Feststellungsklage Tatsachen darlegt, aus welchen sich auf die Wahrscheinlichkeit eines Schadens schließen lässt.

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Eine Feststellungsklage ist meist deshalb zulässig und geboten, weil regelmäßig nach drei Jahren die Verjährung droht, der gegebenenfalls absehbare Schaden sich aber noch nicht genauer beziffern lässt.

Maklerpflicht zur Vergleichsberechnung und Vergleichsberatung

Der BGH hält eine Beratung für pflichtwidrig, wenn ein Finanzdienstleister beim Umdecken keine Vergleichsbetrachtung beziehungsweise Vergleichsberechnung – hinsichtlich Rentabilität oder Wirtschaftlichkeit - dem Kunden erteilt oder mindestens auf die Möglichkeit verweist, diese von einem Sachverständigen einzuholen.

Mangels sachverständiger Begutachtung keine schlüssige Zahlungs-Teilklage

cms.sphrq.x Dr. Johannes Fiala, RA

Der Kläger und sein Anwalt hatten es versäumt für den (angeblich bereits eingetretenen) Schaden einen schlüssigen Vortrag dem Gericht zu präsentieren. Derartiger Vortrag gelingt beispielsweise beim Umdecken zur weitergehenden Steuerersparnis kaum ohne Einschaltung eines Privatgutachters. Letzteres ist eigentlich bereits vorgerichtlich eine Pflicht des Klägers in seinem eigenen Interesse.

Ohne Darlegung, weshalb ein bestimmter Teilschaden bereits ganz sicher eingetreten ist, kann keine schlüssige Zahlungsklage erhoben werden; eingeschlossen einen vollständigen Vermögensvergleich zwischen der Situation vor und nach dem Umdecken, damit der Mindestschaden – neben einem Feststellungsantrag – ausreichend dargelegt ist.

Für Feststellungsklage bedarf es keiner zeitlichen Einordnung der Vermögensdifferenz

Ausreichend sind greifbare konkrete Anhaltspunkte für einen Schaden, wie bei einer Rürup-Rente die Personengebundenheit der Versicherungsleistung, welche kaum vererbbar ist, oder beispielsweise der Hinweis auf diverse Abgabennachteile bei Auszahlung im Alter. Entscheidend ist dazu die Darlegung einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für derartige künftige Schäden.

Risiko der Umdeckung auch bei Sachversicherung oder anderen Personenversicherungen

Natürlich wäre es eine Option für den Versicherungsnehmer (VN) jeweils selbst die Beratung des Vermittlers sofort sachverständig überprüfen zu lassen, um gegebenenfalls sogleich einen Widerruf oder eine Anfechtung und hilfsweise auch eine Kündigung auszusprechen.

cms.zbxzu.x Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik

Das Umdecken von Krankenversicherungen erweist sich in der Praxis ebenso fehlerträchtig. Die scheinbar zunächst günstige Prämie kann binnen weniger Jahre höher geworden sein, als jene des Ursprungsvertrages – und dies bei geringeren Versicherungsleistungen. Mancher Vergleich verkennt, indem er den Selbstbehalt der Beitragsdifferenz zuschlägt, dass nur der Beitrag, nicht aber der Selbstbehalt großenteils steuerlich abzugsfähig ist.

Eine pflichtgemäße Vergleichsbetrachtung, vor und nach Steuern, für die Einzahlungs- sowie die Auszahlungsphase, drängt sich auch auf, soweit es um betriebliche Altersversorgung, Versorgungswerkansprüche oder solche der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) geht.

Beratungsdefizit bei alternativen Handlungsmöglichkeiten – anstatt Kündigung und Neuabschluss

In Beratungsdokumentationen der Vermittler steht beim Thema des Umdeckens von Lebensversicherungen selten etwas über die Alternativen, die Beiträge herabzusetzen, die Laufzeit zu verlängern, eine Beitragsfreistellung zu beantragen oder vielleicht die Auszahlung einer Rente vorzeitig(er) zu gestalten. Etwa so wie es bei bereits vorliegenden Erkrankungen ohne medizinischen Gutachter kaum entscheidbar sein wird, ob man neben dem Wechsel in die GKV noch einzelne Tarifbausteine seiner PKV besser behalten sollte.

Umdecken in der PKV – auch als bloßer Tarifwechsel möglich?

Durch sein Urteil vom 18.05.2018 untersagte das LG München I einem Versicherungsberater (VB) die Vereinbarung einer Vergütung für seine Rechtsdienstleistung (RDG) der Tarifwechselberatung nach § 204 VVG als Erfolgshonorar. Das LG Heidelberg (Az. 11 O 18/17) wiederum gestattete einem Versicherungsmakler-Strukturvertrieb die Wechselberatung gegen eine bei erfolgreichem Wechsel fällige Pauschale.

Gleichwohl war dem VB eine Tarifwechselberatung von schon immer gestattet – seit 2018 eingeschlossen ein Umdecken, also die Vermittlung; jedoch nicht mit Provision beziehungsweise Erfolgsvergütung.

Wenn ein Makler gegen das RDG verstößt, sofern er Tarifwechselberatung durchführt, schulden ihm seine Kunden keine Vergütung – denn die Vergütungsvereinbarung wäre nichtig, § 134 BGB.

Aber vielleicht schuldet der Versicherer eine Courtage, sofern sich die Prämie durch Tarifwechsel erhöht. Gegenüber Nichtunternehmern gestattet § 34 d GewO dem Makler bis heute insbesondere keine (Tarifwechsel-)Beratung gegen gesonderte erfolgsunabhängige Vergütung.

Trotz Fehlberatung des Maklers kann die Feststellungsklage unzulässig werden

Wenn zwar ein Beratungsfehler feststeht, es dem Kläger aber nicht gelingt, einen Schaden als wahrscheinlich dadurch entstehend in schlüssiger Weise darzulegen und mindestens dies dann auch zu beweisen, verliert er die Feststellungsklage trotzdem.

In zahlreichen Gerichtsverfahren ist es Maklern, obwohl sie zweifelsfrei einen Beratungsfehler begangen hatten, zum Teil mit sachverständiger Hilfe gelungen, die Darlegungen des Klägers zum künftigen Schaden erfolgreich als falsch oder unschlüssig anzugreifen oder gar selbst schlüssig darzulegen, dass ein Schaden auch künftig unwahrscheinlich ist. Manche Kläger haben daraufhin auf Hinweis des Richters ihre Klage sogar zurückgenommen, bei anderen wurde die Feststellungsklage daher abgewiesen, in Lebens-, Renten- und Krankenversicherungen.

Auch für die Feststellungsklage reicht also nicht der Nachweis des Beratungsverschuldens, sondern es muss auch aufwendig zum künftigen Schaden vorgetragen werden.

Je später die Klage gegen den Vermittler erfolgt, umso aufwendiger wird sie

Bis zu mehr als 90 Prozent der falsch beratenen Kunden scheitern bereits daran, die Kosten für eine Begutachtung und Prozessbegleitung durch einen Privatgutachter aufzubringen – schließlich deckt eine übliche Rechtsschutzversicherung derartigen finanziellen Aufwand nicht.

Vom Rest der Kunden scheitern dann noch weitere 30 Prozent daran, dass sie schlicht keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen liefern, aus denen sich ein Schaden ergeben könnte.

Es sind auch zahlreiche „Aufkäufer von Rechtsansprüchen“ nach Widerruf oder wegen Schadensersatz bei ihren Prozessen „baden gegangen“ – beispielsweise weil nötige behördliche Erlaubnisse für ihr Geschäftsmodell fehlten. Oder etwa weil dem Kläger unterwegs das Geld für die sachverständige Prozessbegleitung ausgegangen war; und dann kein sinnvoller Vortrag gegenüber dem Gericht mehr erfolgte – mit der Folge einer Klageabweisung. Mancher „Aufkäufer“ sammelte bereits Original-Akten ein, und legte die Hände in den Schoß, bis Verjährung eingetreten war. Da mag dann der Verdacht fern liegen, dass im Hintergrund ein „Deal“ mit der Gegenseite erfolgt ist?

Umdecken und Vermittlung durch steuerliche Berater

Besondere Eile für Kunden kann dann geboten sein, wenn der steuerliche Berater etwa Schiffsbeteiligungen oder Container-Leasing-Modelle vermittelt hatte. Auch wenn die Provision auf ein Konto der Ehefrau geflossen sein mag, ist derartige gewerbliche Tätigkeit diesem Beruf untersagt – und damit auch keinesfalls versichert. Wer sich als Kunde dann Zeit lässt, schaut am Ende nur noch zu wie die Kanzlei abgewickelt wird – nach Entzug der Zulassung. Vielleicht droht noch eine strafrechtliche Verurteilung, sowie eine Scheidung – mit vollständigem Vermögensverlust beim ehemaligen Berater. Es gilt dann das Windhund-Prinzip: Wer zuerst kommt mahlt zuerst – die späteren Kläger gehen meist leer aus. Für manche Kunden mündet die Kapitalanlage in eine Überschuldung wegen Tonnagesteuer oder Einkommensteuer für Gewinne auf dem Papier trotz eines Schneeball-Systems; bei Kreditfinanzierung bzw. Hebelgeschäften sogar verbunden mit einem sprichwörtlichen Turbolader in Richtung der einen Folgeinsolvenz.

Von Dr. Johannes Fiala, PhD, MBA Finanzdienstleistungen (Univ.), MM (Univ.), Geprüfter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.), Bankkaufmann (www.fiala.de) und

Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik (Diethardt), Aktuar DAV, öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK Frankfurt am Main für Versicherungsmathematik in der privaten Krankenversicherung (www.pkv-gutachter.de).

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