Haftung für fehlende Dokumentation, auch bei korrekter Beratung: Teil 1

Ein aktuelles Urteil des OLG Köln vom 26.02.2016 (Az. 20 U 102/15) unterstreicht die „Pflicht des Maklers, den Versicherungsnehmer darauf hinzuweisen, dass der beabsichtigte Wechsel in die private Krankenversicherung (PKV) sich auf den Versicherungsschutz seines Ehepartners und dessen damit verbundene finanzielle Belastungen auswirken kann“. Der Ehegatte ist beim Wechsel von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in die PKV durch das Rechtsinstitut des (Makler-)Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter häufig mit einbezogen.

(PDF)
mann-verzweifelt-in-wasser-stuhl-44009787-FO-kurusawamann-verzweifelt-in-wasser-stuhl-44009787-FO-kurusawa

Regelmäßig ist es bei Verheirateten für den Versicherungsmakler erkennbar, dass der Wechsel von der GKV in die PKV sich auch beim Ehepartner auswirkt, womit auch dem Ehepartner gegenüber Schutz und Fürsorge geschuldet wird.

„Bei der Beratung über einen Versicherungswechsel hat der Makler dem Versicherungsnehmer alle mit dem Wechsel möglicherweise verbundenen Konsequenzen aufzuzeigen“;

selbstverständlich auch bezüglich der durch die Schutzwirkung betroffenen Dritten bzw. Ehegatten.

 Mögliche finanzielle Nachteile durch Wechsel in die PKV auch beim Ehegatten

cms.aqela.x *von Rechtsanwalt Dr. Johannes Fialacms.uhjni.x *und Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik

Beispielsweise kann für einen Ehegatten sowie (auch künftige) Kinder die Option der beitragsfreien Familienversicherung entfallen.

Für den (selbstständigen) Ehegatten kann sich der GKV-Beitrag erhöhen, wenn gemäß § 240 IV SGB V das Einkommen beider Ehegatten der Verbeitragung zugrunde gelegt wird – die zunächst scheinbar preiswertere PKV beim einen Ehegatten führt beim nach wie vor GKV-Versicherten dann zu einem Zusatzbeitrag. Damit wird jedoch auch der künftig PKV-Versicherte selbst geschädigt,

indem er seiner nach wie vor GKV-versicherten Ehegattin einen erhöhten (Krankenvorsorge-) Unterhalt (§ 1578 II Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) schulden würde. Für den PKV-Versicherten ergeben sich je nach Tarif früher oder später Mehrbelastungen im Vergleich zur GKV-Pflichtversicherung: Rentner zahlen einkommensunabhängig in der PKV häufig mehr als 1.000 Euro Monatsprämie – während Pflichtversicherte in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) nur rund die Hälfte des Beitragssatzes auf die Rente selbst aufbringen müssen sowie die vollen Beiträge aus Betriebsrenten.

Pflicht des Maklers zur Sachverhaltsaufklärung und Beratung?

 Das OLG Köln meint zu den Maklerpflichten:

„Vor einem Wechsel von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung hat er auch auf die Vor- und Nachteile, die sich aus einem solchen Wechsel der Systeme ergeben, hinzuweisen.“

Dabei

„richtet sich der Umfang der Aufklärungs- und Beratungspflicht nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Kenntnis des Maklers von den bestehenden Versicherungsverhältnissen seines Vertragspartners und der von einem Wechsel mittelbar betroffenen Dritten.“

Nach Ansicht des OLG Köln schuldet der Makler

„jedoch nicht von sich aus eine Aufklärung über das System der gesetzlichen Krankenkassen und die Berechnung der dort zu entrichtenden Beiträge.“

Der Bundesgerichtshof hat jedoch bereits in seinem Sachwalterurteil (BGH, Urteil vom 22.05.1985, Az. IV a ZR 190/83) festgeschrieben, dass der Makler zur Risikountersuchung und zur Objektprüfung verpflichtet ist. Wer als Makler zur Risikoanalyse wegen Schwierigkeiten und Komplexität der Materie nicht fähig ist, darf keinen Vermittlungsauftrag übernehmen.

Beweislast beim Opfer falscher Beratung

Grundsätzlich trifft auch Dritte, als Geschädigte einer Falschberatung, die Beweislast für falsche, unvollständige oder unrichtige Beratungen. Das OLG Köln führt dazu aus:

„Die gesetzliche Dokumentationspflicht beschränkt sich auf die Beratung des Versicherungsnehmers zu seinem Versicherungsverhältnis und erstreckt sich nicht auch auf die Wahrung von Belangen dritter Personen.“

Der Dritte bzw. Ehegatte kann sich mithin keine Beweiserleichterung erhoffen, wenn er keine Dokumentation der Beratung gemäß § 61 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) erhalten hatte. Vielleicht hätte statt der Ehefrau als Dritter besser der VN als Maklerkunde klagen sollen, da er ja seiner Ehefrau den höheren Krankenvorsorgeunterhalt ggf. später schuldet?

Daher sollten (künftige) PKV-Versicherte darauf achten, dass ihnen eine vollständige Dokumentation zur Beratung vor der Unterschrift unter den Antrag auf PKV-Versicherung vorliegt, § 62 VVG. Denn der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 13.11.2014, Az. III ZR 544/13) entschied bereits, dass eine mangelhafte, gesetzlich vorgeschriebene Dokumentation zur Beweislastumkehr führt.

Dokumentationspflicht der Beratung – auch ohne anschließende Vermittlung

Dem OLG ist dabei jedoch wohl ein Verstoß gegen die Denkgesetze unterlaufen, denn im vorliegenden Fall hatte auch die (selbstständig tätige) GKV-versicherte Ehefrau selbst nach einer PKV gefragt, die dann nicht zustande kam, sodass sie in der GKV blieb. Spätestens damit bestand eine direkte Beratungspflicht gegenüber der Ehefrau, einschließlich einer Dokumentationspflicht – auch ohne Zustandekommen eines Versicherungsvertrages in der PKV.

Denn auch ein Abraten von einer PKV und ein Zuraten zum Verbleib in der GKV ist ein Rat, für den der Makler haftet. Ohne Dokumentation, warum ein Vertrag nicht zustande kam, wird beweiserleichternd vermutet, dass dies ein Fehler des Maklers ist, und so darf der Makler die (Mehr-)Leistungen erbringen – für den gänzlich fehlenden Vertrag. Im vorliegenden Fall hat möglicherweise der Klägeranwalt versäumt,

„die zugunsten seiner Partei sprechenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte so umfassend wie möglich darzustellen“,

und hätte nun als Regressschuldner einzustehen (BGH, Urteil vom 10.12.2015, Az. IX ZR 272/14).

 Beratungsverzicht ohne Dokumentation – auch zulasten Dritter?

Bereits die Studie „Evaluierung der Beratungsdokumentation im Geldanlage- und Versicherungsbereich“ vom 18.02.2014 im Auftrage des Bundesjustizministers ergab, dass in der Versicherungsvermittlung rund 85 Prozent der Beratungen – entgegen der seit 22.05.2007 bestehenden gesetzlichen Pflicht – nicht dokumentiert werden. Würde im Einzelfall auf (ggf. weitere) Beratung verzichtet, so wäre auch dies mit den Gründen dafür zu dokumentieren.

Folgt man dennoch dem OLG Köln, so wäre ein Makler ohne Dokumentation gegenüber einem solchen mit Dokumentation dann aber besser gegen den Dritten geschützt, weil dieser keine Fehler mithilfe der (fortgelassenen) Dokumentation nachweisen könnte, und auch keine Beweiserleichterung hätte. BGH und Europäischer Gerichtshof (EuGH) könnten dies bei Vorliegen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter durchaus auch anders beurteilen.

Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter

 Erwägenswert ist, dass der (ggf. künftige) Versicherungsnehmer (VN) selbst auf die Beratung verzichten kann, ohne dass der Dritte gefragt wird. Der Dritte kann gleichwohl in den Schutzbereich einer Maklerberatungspflicht einbezogen bleiben, wenn der Makler erkennt oder erkennen muss, dass den (künftigen) VN eine eigene Personensorge- oder Fürsorgepflicht gegenüber dem Dritten trifft (BGH, Urteil vom 17.09.2002, Az. X ZR 237/01), § 311 BGB. Der Makler ahnt häufig nicht, dass er dann buchstäblich zwischen den Stühlen sitzt, wenn die Interessen des künftigen VN gegenläufig sind zu jenen des Dritten bzw. Ehegatten.

Maklerhaftung gegenüber Dritten

 Ein Beratungsverzicht oder auch nur ein Verzicht auf Dokumentation ist meist wertlos, wenn ein Dritter in den Schutzbereich einbezogen ist. Der Dritte kann dann den Makler selbst verklagen, und damit argumentieren, dass die Dokumentation eine gesetzliche Pflicht darstellt. Wäre sie erfolgt, dann hätte man es nochmal in Ruhe nachlesen können, und dann entweder das Problem bemerkt, oder wäre auf die Lücke in der Beratung gestoßen, wodurch die eigene Fehlentscheidung nicht erfolgt wäre.

Dabei muss gar nicht behauptet werden, dass falsch beraten wurde, sondern eventuell korrekt – vielmehr dass die Pflicht zur Dokumentation verletzt wurde, sodass die Beratung ihren Zweck verfehlt hat. Die Dokumentation dient ja nicht (nur) dazu, später ein Beweismittel zu haben, was gesagt wurde, sondern auch dazu, nochmal in Ruhe die Gründe für die Entscheidung zu rekapitulieren und ggf. zu revidieren. Pflicht ist sie auf jeden Fall. Also kann auch diese Pflichtverletzung für sich die Haftung für einen Schaden begründen.

Teil 2 des Beitrages lesen Sie hier:

http://www.experten.de/2016/08/12/wie-den-makler-auch-schutzpflichten-gegen-dritte-treffen-koennen-teil-2/

*von Dr. Johannes Fiala, RA (München), RB, VB, MBA Finanzdienstleistungen (Univ.), MM (Univ.), Geprüfter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.), Bankkaufmann (www.fiala.de)

und

Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik (Diethardt), Aktuar DAV, öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK Frankfurt am Main für Versicherungsmathematik in der privaten Krankenversicherung (www.pkv-gutachter.de).

Bild: (1) © kurusawa / fotolia.com (2) © Fiala (3) © Schramm

(PDF)

LESEN SIE AUCH

Ein Beratungsverzicht bei Versicherungsverträgen muss nicht zwingend in einem separaten Dokument erklärt werden, sondern kann auch innerhalb eines Antragsformulars erfolgen.Ein Beratungsverzicht bei Versicherungsverträgen muss nicht zwingend in einem separaten Dokument erklärt werden, sondern kann auch innerhalb eines Antragsformulars erfolgen.DALL-E
Recht

Beratungsverzicht per Vordruck? OLG Nürnberg stärkt Versicherer und sorgt für Kritik

Ein Beratungsverzicht bei Versicherungsverträgen muss nicht zwingend in einem separaten Dokument erklärt werden, sondern kann auch innerhalb eines Antragsformulars erfolgen, sofern er optisch hervorgehoben und vom Kunden unterschrieben ist. So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg (Az. 8 U 1684/24).
Maenner-Streit-Papier-27007544-FO-Dragos-IliescuMaenner-Streit-Papier-27007544-FO-Dragos-IliescuDragos Iliescu / fotolia.com (2) © Rechtsanwaltskanzlei Dr. Johannes Fiala (3) © Aktuariat Schramm
Recht

Dokumentationspflicht und Beweislast trotz Verzicht auf Beratungsdokumentation

Der beste Beweis bei fehlerhafter Beratung ist die Beratungsdokumentation, weil sich daraus die Lücken in der Beratung ableiten lassen. Die wenigen sachverständig beratenen Versicherungsnehmer haben häufig bessere Aussichten, die Beratungslücken sowie eventuelle Fehler darzulegen. Umgekehrt haben aber auch Versicherungsvermittler und Versicherungsmakler bei Begleitung durch einen Privatgutachter weitaus bessere Chancen bei der Haftungsabwehr.
Einbrecher-Tuerkette-136620240-FO-AA+WEinbrecher-Tuerkette-136620240-FO-AA+W
Thema des Tages

Haftung des Maklers wegen Nichtzustandekommen des Vertrages

Das LG Bielefeld hatte sich mit der Haftung eines Versicherungsmaklers zu befassen. Dieser hatte es unterlassen, das Zustandekommen des beantragten Versicherungsvertrages zu kontrollieren. Das Gericht entschied zwar zugunsten des Versicherungsnehmers, erkannte aber auch sein Mitverschulden.
mann-menschen-auf-waage-gleich-114288441-FO-denisismagilovmann-menschen-auf-waage-gleich-114288441-FO-denisismagilov
Thema des Tages

Allgemeine Gleichbehandlung auch für Geschäftsführer?

Grundsätzlich gelten für alle Arbeitnehmer die Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Geschäftsführer einer GmbH sind jedoch keine „Arbeitnehmer“ im eigentlichen Sinne. Dennoch gelten die Grundsätze der allgemeinen Gleichbehandlung auch für sie. So hat auch der BGH mit Urteil vom 23.04.2012 (Az: II ZR 163/10) entschieden. S

Unsere Themen im Überblick

Informieren Sie sich über aktuelle Entwicklungen und Hintergründe aus zentralen Bereichen der Branche.

Themenwelt

Praxisnahe Beiträge zu zentralen Themen rund um Vorsorge, Sicherheit und Alltag.

Wirtschaft

Analysen, Meldungen und Hintergründe zu nationalen und internationalen Wirtschaftsthemen.

Management

Strategien, Tools und Trends für erfolgreiche Unternehmensführung.

Recht

Wichtige Urteile, Gesetzesänderungen und rechtliche Hintergründe im Überblick.

Finanzen

Neuigkeiten zu Märkten, Unternehmen und Produkten aus der Finanzwelt.

Assekuranz

Aktuelle Entwicklungen, Produkte und Unternehmensnews aus der Versicherungsbranche.

Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk

Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.

"Viele Eltern unterschätzen die finanziellen Folgen, wenn ihr Kind berufsunfähig wird."
Ausgabe 10/25

"Viele Eltern unterschätzen die finanziellen Folgen, wenn ihr Kind berufsunfähig wird."

Jens Göhner, Leiter Produktmanagement der Stuttgarter
"Unabhängigkeit hat viele Gesichter"
Ausgabe 07/25

"Unabhängigkeit hat viele Gesichter"

Was bedeutet Unabhängigkeit im Versicherungsvertrieb wirklich?
"Das Gesamtpaket muss stimmen"
Ausgabe 05/25

"Das Gesamtpaket muss stimmen"

Bernd Einmold & Sascha Bassir
Kostenlos

Alle Ausgaben entdecken

Blättern Sie durch unser digitales Archiv im Kiosk und lesen Sie alle bisherigen Ausgaben des ExpertenReports. Zur Kiosk-Übersicht