Trotz Fachkräftemangel: Jeder dritte Beschäftigte 50+ will vorzeitig in Rente
Der demografische Wandel hat den Arbeitsmarkt fest im Griff. Die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer gehen in den nächsten Jahren in Rente, während nicht genügend jüngere Beschäftigte nachrücken. Eine aktuelle Befragung von mehr als 1.000 Erwerbstätigen ab 50 Jahren durch das Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG) im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) zeigt: Fast ein Drittel der älteren Erwerbstätigen ab 50 Jahren (31,3 Prozent) plant sogar, vor dem gesetzlichen Rentenalter aus dem Job auszuscheiden.
Das ist ein Ergebnis des TK-Gesundheitsreports 2024 „Fachkräftemangel: Was hält die Generation 50+ im Job?“, der in Berlin vorgestellt wurde.
Generation 50+: Wertvolle Ressource für die Wirtschaft
„Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ist es für Arbeitgeber unerlässlich, die Generation 50+ noch stärker in den Fokus zu rücken“, so Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK. „Ältere Beschäftigte sind eine wertvolle Ressource für die Unternehmen. Sie verfügen über großes Erfahrungswissen, sind gut vernetzt und haben sich in der Regel über Jahre an ihrem Arbeitsplatz bewährt.“
Bindung der älteren Beschäftigten für 77 Prozent der Arbeitgeber wichtig
Ein Großteil der Firmen und Institutionen hat das bereits erkannt. Laut einer weiteren Befragung des IFBGs von mehr als 300 Betrieben aus dem ganzen Bundesgebiet geben gut drei Viertel der befragten Personalverantwortlichen sowie Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer (77 Prozent) an, dass die Bindung von älteren Beschäftigten in den nächsten drei Jahren eine große Bedeutung für ihre Unternehmen haben wird. Bei 46 Prozent der Unternehmen geht in den nächsten fünf Jahren mehr als ein Viertel der Belegschaft in den Ruhestand.
Top 1 Wunsch der Beschäftigten: Flexiblere Arbeitszeitlösungen
Doch was genau sind die Faktoren, die ältere Beschäftigte länger im Job halten? Was wünscht sich die Generation 50+ konkret, um ihr Ausscheiden aus dem Arbeitsleben aufzuschieben? Neben einem höheren Gehalt (66,5 Prozent) nennen die Ü-50-Jährigen vor allem Maßnahmen zur flexibleren Arbeitszeitgestaltung wie „Anpassung der Arbeitszeit an individuelle Bedürfnisse“ (73,7 Prozent) und “Unterstützung, den Renteneintritt individuell zu gestalten“ (70,3 Prozent). Hier liegen jedoch Wunsch und Wirklichkeit noch weit auseinander. So bietet nur etwas mehr als die Hälfte der für den Report befragten Arbeitgeber bereits flexiblere Arbeitszeiten an (57 Prozent). Ähnlich ist es bei den Angeboten, den Übergang in den Ruhestand individuell zu gestalten.
Das setzt nach eigenen Angaben nicht einmal die Hälfte der befragten Arbeitgeber um (48,8 Prozent). Lediglich bei der Möglichkeit, zwischen Teilzeit und Vollzeit zu wechseln, sowie gesundheitsförderlichen Maßnahmen stimmen Wunsch und Angebot überein. „Darüber hinaus zeigt die Studie einen deutlichen Zusammenhang zwischen positiver Unternehmenskultur und dem Wunsch der Beschäftigten, später in den Ruhestand zu gehen“, erklärt Dr. Fabian Krapf, Geschäftsführer vom IFBG: „Wer mehr Wertschätzung, Selbstbestimmung und Flexibilität am Arbeitsplatz erlebt, der arbeitet auch länger.“ Daher sei es wichtig, genau an diesen Stellschrauben anzusetzen.
Gesundheit wesentlicher Faktor für längeres Arbeiten
Wie wichtig die Gesundheit für ein langes Arbeitsleben ist, zeigt der zweite Teil des Reports. Dafür wurden vom Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (aQua-Institut) die Abrechnungsdaten von mehr als 420.000 bei der TK versicherten Berufstätigen aus den Geburtsjahrgängen 1948 bis 1956 auswertet, die in den Jahren zwischen 2014 bis 2023 ein Alter von 67 Jahren erreichten oder verstorben waren.
Gut elf Prozent bleiben im regulären Rentenalter berufstätig
„Es zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen den Fehlzeiten der Beschäftigten in jüngeren Jahren und dem längeren Arbeiten über das reguläre Renteneintrittsalter hinaus“, erklärt Dr. Thomas Grobe vom aQua-Institut. „Von den Beschäftigten, die im Jahr 2012 im Vorfeld des Beobachtungszeitraums keinen einzigen Tag arbeitsunfähig gemeldet waren, waren 14,1 Prozent mit 67 Jahren, also nach ihrem regulären Renteneintritt, immer noch berufstätig.
Von den Beschäftigten, die 43 Tage oder mehr krankgeschrieben waren, waren es nur 7,1 Prozent.“ Im Schnitt arbeiten 11,6 Prozent über die Renteneintrittsgrenze hinaus. Diese Ergebnisse verdeutlichen laut Kassenchef Baas, wie wichtig es sei mit der Gesundheitsförderung bereits frühzeitig und über alle Altersgruppen hinweg anzufangen. „Dadurch lassen sich nicht nur kostenintensive Fehlzeiten reduzieren. Je früher Arbeitgeber gesunde Arbeitsbedingungen schaffen, desto länger bleiben die Beschäftigten auch motiviert und leistungsfähig.“
Berufstätige 50+ haben zehn Fehltage mehr als jüngere Beschäftigte
Laut TK-Report waren 2023 bei der TK versicherte Berufstätige ab 50 Jahren durchschnittlich 25,9 Tage krankgeschrieben. 14,5 Prozent fehlten sogar 43 oder mehr Tage krankheitsbedingt am Arbeitsplatz. Zum Vergleich: Bei den Berufstätigen unter 50 Jahren lag die Zahl der Fehltage 2023 bei 16 Tagen pro Kopf. Lediglich 7,7 Prozent der Jüngeren fehlten 43 Tage oder mehr.
Hinweis: Für den Gesundheitsreport 2024 wertete die TK die Krankschreibungen der 5,7 Millionen bei der TK versicherten Erwerbspersonen aus. Dazu zählen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und Empfänger von Arbeitslosengeld I. Für die Auswertungen zu den Berufstätigkeiten mit 67 Jahren wurden vom Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (aQua-Institut) die Abrechnungsdaten von mehr als 420.000 bei der TK Versicherten aus den Geburtsjahrgängen 1948 bis 1956 ausgewertet, die Anfang 2013 berufstätig waren und in den Jahren zwischen 2014 bis 2023 ein Alter von 67 Jahren erreichten oder verstorben sind. Zusätzlich hat das IFBG im Januar 2024 in einer Onlinebefragung bundesweit 1.021 Beschäftigte ab 50 Jahren sowie 311 Arbeitgeber (Geschäftsführende und Personalverantwortliche) zum Thema Renteneintritt sowie zu ihren Wünschen und den Angeboten der Arbeitgeber zur Mitarbeitendenbindung befragt.