Schon krank - welche LV geht?

Lebensversicherungsschutz bereits erkrankter Versicherter Personen und Versicherungsnehmer: welche alternativen Gestaltungen bieten sich hier an, mit und ohne Gesundheitsfragen?

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cms.csdwt.x *von Rechtsanwalt Dr. Johannes Fiala

Der (künftige) Versicherungsnehmer (VN) hat dem Versicherer (VR) nur seine zumindest in Textform zu stellenden Antragsfragen nach Gefahrumständen wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten, §§ 19 I, 32 VVG. Agenten sind dabei „Auge und Ohr“ des VR, so dass deren Wissen als beim VR bekannt gilt, § 69 I Nr. 1 VVG. Beim Vertragsschluss- und beim Invitatiomodell dauert die Anzeigepflicht des VN bis zur Abgabe seiner Angebots- bzw. Annahmeerklärung. Über Rücktritts- und Kündigungsrechte des VR bei fehlerhaften Angaben ist in Textform zu belehren hat, § 19 V VVG.

Rücktritts-, Anfechtungs-, Kündigungs-, und Vertragsanpassungsoption

Wird die Anzeigepflicht absichtlich verletzt, oder grob fahrlässig, indem naheliegende Überlegungen verdrängt werden, kann der VR zurücktreten, § 19 II VVG. Nach § 19 IV VVG kann eine Vertragsanpassung in Frage kommen, sofern der VR bei Kenntnis der Umstände einen Vertrag geschlossen hätte – zu anderen Bedingungen (z.B. hinsichtlich Prämie, Leistungsumfang).

Tritt der VR zurück, so ist er bei nachträglichen Versicherungsfällen von der Leistung frei

Tritt der Versicherungsfall vor einem Rücktritt des VR ein, so hat er zu leisten, wenn die Verletzung der Anzeigepflicht eine Tatsache berührt, die weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist, § 21 Abs. 2 VVG. Solange die Versicherung besteht, bis zum Wirksamwerden von Kündigung oder Rücktritt, wird Prämie geschuldet, § 39 I VVG.

Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder lediglich Kündigung?

cms.orods.x * und Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik

Der VR kann wegen arglistiger Täuschung anfechten, wenn der VN bewusst unrichtige Angaben machte, § 22 VVG. Der VR wird durch wirksame Anfechtung innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Täuschung von der Leistung frei, § 21 II VVG. Bei lediglich leichter Fahrlässigkeit oder Schuldlosigkeit des VN, etwa wenn abgefragter Arztbesuch vergessen wurde, kann der VR mit Monatsfrist den Versicherungsvertrag kündigen, § 19 III VVG. Allerdings – je nach Annahmerichtlinien des VR – gibt es kein Kündigungsrecht des VR, wenn er den Vertrag zu anderen Bedingungen geschlossen hätte, § 19 IV VVG. Darlegen und beweisen muss dies jedoch der VN.

Für Rücktritt und Kündigung hat der VR ab Kenntnis der Tatsachen einen Monat lang Zeit, und ist zur Begründung verpflichtet. Nach fünf Jahren seit Vertragsschluss erlöschen diese Gestaltungsrechte, sofern zuvor kein Versicherungsfall eingetreten ist, § 21 III VVG. Bei Arglist oder Vorsatz beträgt die Frist 10 Jahre, selbst wenn vorher ein Versicherungsfall eingetreten war, § 124 III BGB (BGH, Urteil vom 25.11.2015, Az.: IV ZR 277/14.

Versicherungsschutz, auch wenn der Kunde schwer krank ist und eigentlich nicht versicherbar?

Findige Makler streuen das Risiko auf verschiedene Berufsunfähigkeits-(BU)-VR, nicht nur um das Risiko überhaupt untergebracht zu bekommen, sondern auch um bei kleineren Versicherungssummen weniger Fragen beantworten zu müssen. Immer wieder gibt es befristete Sonderaktions-Angebote mit weniger Gesundheitsfragen, etwa „waren Sie in den letzten 5 Jahren länger als zwei Wochen krank gewesen?“.

Natürlich kann sich der (künftige) VN auch dazu entschließen, einem Agenten unter Zeugen die volle Wahrheit zu sagen, wenn der es dann nicht aufschreibt, und als Auge und Ohr zählt. Jedoch kann der VR sich dann immer noch auf Irrtum berufen und vom Vertrag zurücktreten. Zwar muss er dann Schadenersatz leisten, doch besteht dieser nur in der Rückzahlung der Beiträge, wenn der VN bei nichtirrtümlicher Antragsablehnung auch woanders keine Versicherung hätte abschließen können.

Eine Alternative wäre es, nach einer Arglist erst mal 10 Jahre abzuwarten, bevor ein Leistungsantrag gestellt wird. Eine Risiko-LV ganz ohne Gesundheitsfragen und nicht teuer gibt es bei der Bausparkasse, wenn man dort ein Darlehen hat, in dessen Höhe mit Maximalgrenzen.

BU ohne Risikofragen gibt es auch bei Versorgungswerken.

Die Träger der gesetzlichen Sozialversicherung (GKV, DRV) stellen ebenfalls keine Gesundheitsfragen – so kann eine Erwerbsunfähigkeit abgesichert werden. Kluge Anwälte optimieren die Leistungen, indem sie Satzungen unterschiedlicher Versorgungswerke versicherungsmathematisch vergleichen lassen, bevor man sich für einen Hauptsitz irgendwo, und eine Zweigstelle am Arbeitsort entscheidet.

Vorteile durch kleine Geheimnisse?

Man kann auch seine Krankheitshistorie verschleiern, indem man über das Ausland neu zuzieht und sich dann erstmals Krankenversichert, als kerngesund ohne medizinische Vergangenheit, und bei neuen Ärzten auch bei der Anamnese nichts angibt. Ärzte jeweils getrennt selbst bezahlen, und sich auf die Schweigepflicht verlassen ist auch eine gute Idee. Viele Ärzte prüfen keine Identität - da kann man irgendeine zur Tarnung annehmen. Barzahlung oder Bar-Überweisung bei der Post tut ein Übriges, und eine Tarnadresse oder ein Postfach - es muss ja nur die Rechnung ankommen. Man muss keine breiten Spuren hinterlassen. Der Versicherer wird es glauben müssen, dass man bei bester Gesundheit 30 Jahre lang keinen Arzt gesehen hat.

* von Dr. Johannes Fiala, RA (München), RB, VB, MBA Finanzdienstleistungen (Univ.), MM (Univ.), Geprüfter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.), Bankkaufmann (www.fiala.de)

und

Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik (Diethardt), Aktuar DAV, öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK Frankfurt am Main für Versicherungsmathematik in der privaten Krankenversicherung (www.pkv-gutachter.de).

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