Das Bezugsrecht ohne Schenkungsvertrag ist wirtschaftlich meist wertlos
Das regelmäßig widerrufliche Bezugsrecht einer Lebensversicherung ist für sich nicht ausreichend dafür, dass der Begünstigte die spätere Leistung des Versicherungsunternehmens (VU) behalten darf: Der Begünstigte wäre aus der Sicht der Erben rechtsgrundlos bereichert – sie müssen nur die Begünstigung vor Vollzug widerrufen. Es bedarf daher zusätzlich eines Schenkungsvertrags zwischen Versicherungsnehmer (VN) und Begünstigtem.
Häufig kennt der Begünstigte sein Glück gar nicht; es besteht noch kein wirksamer Schenkungsvertrag. Kennt er die Begünstigung, besteht das Risiko, dass er nicht so lange warten kann – vor allem, wenn nur im Todesfall Geld fließt.
Der Schenkungsvertrag kann wirksam oder schwebend sein
Die Ausnahme in der Praxis ist der zusätzliche notarielle Schenkungsvertrag mit dem Begünstigten der Lebensversicherung, § 518 I BGB. Kaum ein Versicherungsvermittler schickt seine Kunden auch noch zum Notar. Ohne notarielle Form würde das Schenkungsversprechen des VN erst mit „Bewirkung“ der Leistung, also durch die Auszahlung wirksam, § 518 II BGB. Viele Versicherungsnehmer wollen dies so, um wie Eumolpos in Kroton allabendlich Begünstigungen ändern zu können.
Diskretion durch notarielle Schenkung ohne Mitwirkung des Begünstigten?
Rechtsanwaltskanzlei Dr. Johannes FialaEine Variante zum angeblichen „Erbenschutz“ ist der notarielle Schenkungsvertrag, wobei der Schenker den Begünstigten als „Vertreter ohne Vertretungsmacht“ mit vertritt. Der Schenker möchte auch dann alles bis zum Tode in der Hand behalten, sodass der Schenkungsvertrag zu Lebzeiten ohne Genehmigung des Begünstigten in der Schwebe bleibt. Der Schenker beziehungsweise Erblasser kann auch das widerrufliche Bezugsrecht zurückziehen oder die Lebensversicherung noch auflösen. Indes wird allein das Vernichten der Schenkungsurkunde die Schenkung nicht beseitigen – somit wäre zu regeln, welche Vorbehalte gelten, wie etwa bei Unmöglichkeit durch Versicherungsablauf zu Lebzeiten. Bis zur Genehmigung durch den Begünstigten ist die Schenkung nicht wirksam, §§ 177 I, 184 I BGB. Die (Nach-)Genehmigung, insbesondere nach dem Tode des Schenkers, würde dann voraussetzen, dass (a) der Begünstigte von seinem Glück erfährt – und (b) zudem auch noch die Annahme der Schenkung gegenüber dem Erben als Rechtsnachfolger des Erblassers erklärt, § 1922 BGB.
Eine vor Aufforderung durch den Erben vorab erklärte Genehmigung wird unwirksam, § 177 I 1 BGB – was den Beschenkten verwirren kann: Nach Aufforderung hat der Begünstigte zwei Wochen zur Genehmigung – danach wäre die Schenkung unwirksam, § 177 II 2 BGB. Sitzt der Erbe im Ausland, kann die Postlaufzeit bis zu mehr als zwei Wochen betragen. Im Einzelfall können Monate oder Jahre vergehen, bis gerichtlich überhaupt geklärt ist, wer Erbe wurde.
Das Anheften der Genehmigung an der großen Eiche im Büsingpark ist gesetzlich nicht vorgesehen. Es kann auch vorkommen, dass ein Nichterbe oder nur ein Miterbe ohne Vollmacht weiterer Miterben zur Genehmigung auffordert – woraus sich weitere Fallstricke für Begünstigte ergeben. Käme es zum Streit zwischen Erben und Begünstigtem, kann der Versicherer sich aus der Schusslinie nehmen und meist beim Amtsgericht das Guthaben nach der Hinterlegungsordnung abliefern.
Das verlorene Versicherungsguthaben in der Praxis
Der Versicherer wird keine Begünstigten suchen; es kommt vor, dass er sie nicht mal kennt. Auch eine Meldung über Vermögen und Begünstigung an Nachlassgerichte kommt kaum vor. Jahrzehnte später kann der Versicherer das Vermögen als sogenannten außerordentlichen Ertrag für sich verbuchen. Oder ein findiger Bereichsleiter verschickt Spam-E-Mails an Zufallsadressen, man möge sich doch bei ihm melden, um sich als Begünstigten auszugeben.
Findet ein Erbe den notariellen Schenkungsvertrag bei den Nachlassunterlagen, kann er sich an folgenden Spruch erinnern: „Hättest du geschwiegen, wärst du Philosoph geblieben.“ Der Rechtsanspruch des unwissenden Begünstigten könnte dann in aller Ruhe verjähren. Tatortreiniger sind da gewissenhafter – und schildern schon mal, wie sie vermutete wichtige Papiere aus der Toilettenschüssel fischen.
Will der Erblasser beziehungsweise Schenker auf Nummer sicher gehen, müsste er die Begünstigung zusätzlich im Testament als Vermächtnis aufnehmen. Besteht der Versicherungsvertrag am Todestag jedoch nicht mehr, so fällt auch regelmäßig das testamentarische Vermächtnis fort. Dabei kann es auf die Formulierung ankommen – und später auf das Risiko anderer Auslegung durch Gerichte. Schließlich könnten Schenkungen und Testamente durch Erben auch anfechtbar sein.
Die Beseitigung der Lebensversicherung noch Jahre nach dem Tode durch die Erben
In der Praxis kam es bereits vor, dass der VN zunächst seine zwei Kinder auf den Todesfall als Bezugsberechtigte eingesetzt hatte. Als versicherte Personen (VP) hätten die Kinder zustimmen müssen, damit der Versicherungsvertrag wirksam wird, § 150 II VVG beziehungsweise § 159 II VVG a. F. Später hat der VN das Bezugsrecht geändert (im Zweifel lediglich eine Vertragsanpassung; BGH, Urteil vom 26.10.2010, Az. XI ZR 367/07) und ist dann gestorben. Die Erben werden sich darauf berufen, dass der Versicherungsvertrag und mit ihm alle Bezugsrechte unwirksam waren und der Versicherer die Beiträge an die Erben auszahlen muss. Nicht selten können Erben den Versicherungsvertrag noch eine Ewigkeit lang widerrufen, was die (dann fehlerhafte) versicherungsvertragliche Gestaltung häufiger zulässt. Auch eine Änderung der Bezugsberechtigung kann zur Möglichkeit der Rückabwicklung für die Erben führen, denn auch da muss die versicherte Person zustimmen – was schon mal übersehen wurde; BGH, Urteil vom 25.09.2019, Az. IV ZR 99/18.
Besondere Gestaltungen über Lebensversicherung
Erblasser begünstigen bisweilen Familienfremde in Lebensversicherungen – dies im Einzelfall bis hin zur Überschuldung des Nachlasses oder „lediglich“ zur Umgehung von Pflichtteilsansprüchen. Korrigiert wird dies freilich durch beispielsweise die Insolvenzordnung und das Anfechtungsgesetz. Diskretion über den Tod hinaus, auch zur späteren Streitvermeidung, erfordert besonders umsichtige Gestaltung und Fingerspitzengefühl beim zeitlichen Vorlauf. Auch spätere Schenkungsteuer, einschließlich solcher auf Vorschenkungen aus bis zu 30 Jahren, wäre zu betrachten. Eventuelle Treuhänder oder etwa Testamentsvollstrecker haften für anfallende Abgaben auf Auszahlungen, §§ 33 ff., 69 ff. AO. Der Erblasser hingegen sagt sich vielleicht eher „Nach mir die Sintflut“.
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