Laut Bundesbank verfügen rund 30 % der Haushalte in Deutschland über Rücklagen von weniger als 1.000 Euro. Gleichzeitig zeigt eine Studie der Finanztip-Stiftung: Praktisches Finanzwissen ist bei der Hälfte der Bevölkerung unzureichend ausgeprägt. Das Missverhältnis ist systemisch – und hat Folgen. Unsicherheit, Intransparenz und Beratungsabhängigkeit prägen den Zugang zu Finanz- und Versicherungsthemen. Saidi Sulilatu, Chefredakteur von Finanztip, will mit seinem Buch Finanzen ganz einfach gegensteuern.
Komplexität als Geschäftsmodell – und ihre Auflösung
Ob Altersvorsorge, Vermögensaufbau oder Versicherungen: Kaum ein Bereich ist so stark durchsetzt von Halbwissen, Vertriebslogik und emotionaler Unsicherheit wie der der privaten Finanzen. Märchen, nennt Sulilatu das – verbreitet durch Verwandte, Berater, Banken, aber auch durch digitale Finanzinfluencer. Der Autor kennt beide Seiten: Als ehemaliger Finanzvertriebler weiß er, wie Produkte platziert werden; als Chef der Finanztip-Stiftung kennt er die Lücken im System.
Seine Antwort: das Finanztip-Prinzip. Es basiert auf Reduktion, Klarheit und Eigenverantwortung – und zielt darauf, Menschen strukturell handlungsfähig zu machen, ohne sie zu Experten zu erklären. Notgroschen, ETF, Haftpflicht, Altersvorsorge – strukturiert, aber nicht dogmatisch. Ohne Anbieterempfehlungen, ohne Fachjargon, ohne falsche Versprechen.
Systemkritik durch Vereinfachung
Sulilatus Position ist klar: Ein Großteil der Finanzbranche hat kein Interesse daran, Menschen unabhängig zu machen. Statt Transparenz zu fördern, wird Komplexität verkauft. Finanzprodukte werden nicht erklärt, sondern vermittelt – oft auf Provisionsbasis. Der Preis dafür ist hoch: Viele zahlen zu viel, ohne zu wissen, wofür.
Finanzen ganz einfach formuliert darauf eine strukturelle Antwort: Bildung statt Beratung, Orientierung statt Überwältigung. Nicht durch emotionale Appelle, sondern durch methodisch reduzierte Systeme. Die Leser sollen nicht motiviert, sondern entlastet werden – von der Idee, Finanzkompetenz sei Spezialwissen.
Altersvorsorge und Versicherungen: nicht mehr als nötig
Die Versicherungsebene spielt dabei eine zentrale Rolle. Welche Policen notwendig sind, welche verzichtbar – das Buch beantwortet diese Frage nicht durch Produktlisten, sondern durch Systematik. Absichern, was existenziell ist. Streichen, was verkauft, aber nicht gebraucht wird. Keine Suggestion, keine Angstkommunikation, kein Beratungsersatz.
Auch bei der Altersvorsorge bleibt Sulilatu nüchtern: Wer regelmäßig spart, klug investiert und auf teure Fehler verzichtet, braucht weder Renditeversprechen noch Immobilienmythen. Statt „Rente oder Eigentum“ fragt das Buch: Was passt zur eigenen Lebensrealität – und was kostet es, sich finanziell abhängig zu machen?
YouTube, Stiftung, Buch: Finanzaufklärung als öffentliches Gut
Als einer der sichtbarsten Finanz-YouTuber Deutschlands erreicht Sulilatu mit Finanztip ein breites Publikum. Die gemeinnützige Ausrichtung der Stiftung verpflichtet zur Unabhängigkeit – kein Affiliate, keine Produktwerbung, kein Coaching-Versprechen. Das Buch ist die logische Fortsetzung dieser Linie: öffentliches Finanzwissen, zugänglich und systematisch.
Struktur statt Abhängigkeit
Finanzen ganz einfach ist kein Ratgeber im klassischen Sinn. Es ist eine Handlungsanleitung gegen die systemische Entmündigung im Finanzmarkt. Reduktion ersetzt Rat. Struktur ersetzt Vertrauen. Und finanzielle Eigenverantwortung wird nicht als Pflicht, sondern als Möglichkeit gedacht – unter der Voraussetzung, dass die Regeln verständlich bleiben.
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