Versicherungsvermittlung im Wandel: Zwischen Bauchgefühl und Bildschirm

Die Versicherungsvermittlung steht vor einem fundamentalen Wandel - alte Rollenbilder verlieren an Bedeutung, digitale Sichtbarkeit und Authentizität werden zur neuen Währung, meint Bastian Kunkel, CEO von „Versicherungen mit Kopf“, in seinem Gastkommentar. Der Text erschien zuerst im expertenReport 10/25.

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cms.atjagVMK Versicherungsmakler GmbH

Die klassische Versicherungsvermittlung hat ausgedient – zumindest in ihrer alten Form. Das Bild vom Makler mit Krawatte, Aktenkoffer und Hausbesuch gehört genauso ins Archiv wie die Lebensversicherungspolice in Schwarz-Weiß. Die Welt da draußen tickt längst anders: schneller, digitaler, informierter. Die Menschen googeln, vergleichen, hinterfragen. Vertrauen entsteht nicht mehr durch Titel und Tischkante, sondern durch Transparenz, Erreichbarkeit und Authentizität – oft online, manchmal unbewusst, aber immer individuell.

Was sich aktuell im Markt verändert, ist kein Trend. Es ist ein fundamentaler Wandel der Beziehung zwischen Kunde und Vermittler. Und wer diesen Wandel nicht ernst nimmt, wird in Zukunft keine Rolle mehr spielen.

Wissen ist keine Waffe – es ist Währung

Die zentrale Erwartung vieler Kundinnen und Kunden heute: Sie wollen verstehen, was sie da eigentlich unterschreiben. Die Zeit, in der Versicherungen blind gekauft wurden, ist vorbei. Heute will man wissen, wie eine BU funktioniert, was bei einer fondsgebundenen Rentenversicherung wirklich hinten rauskommt und warum der Basistarif in der PKV keine gute Idee ist.

Und hier kommt das große Problem: Die Branche ist in ihrer Kommunikation häufig noch auf Produktverkauf gepolt, nicht auf Bildungsarbeit. Dabei ist klar, wie es besser geht. Über YouTube-Videos, Insta-Reels oder Podcasts werden komplexe Versicherungsthemen heute verständlicher erklärt als in mancher Beratung. Nicht mit Floskeln, sondern mit echten Beispielen. Nicht in 60 Minuten am Konferenztisch, sondern in 60 Sekunden im Feed – on demand, jederzeit und überall. Das verändert nicht nur die Erwartungshaltung der Kundinnen und Kunden – es verändert auch das Machtverhältnis. Wer sich informiert fühlt, entscheidet selbst. Und genau das ist gut so.

Vertrauen entsteht durch Sichtbarkeit, nicht durch Visitenkarten

Vertrauen ist in der Versicherungswelt alles. Aber Vertrauen entsteht nicht mehr automatisch durch Titel oder Zertifikate. Es entsteht durch kontinuierliche Sichtbarkeit, nachvollziehbare Aussagen und eine Kommunikation auf Augenhöhe. Wer heute als Vermittler digital sichtbar ist, sendet ein klares Signal: Ich verstecke mich nicht hinter Produkten – ich stehe für Haltung, Klarheit und Transparenz.

Dabei geht es nicht darum, Versicherungen auf TikTok zu tanzen oder in YouTube-Videos auf Clickbait zu setzen. Es geht darum, da zu sein, wenn jemand eine Frage hat. Es geht darum, im Kopf zu bleiben, auch wenn gerade kein Bedarf besteht. Und es geht darum, einen Stil zu entwickeln, der zur eigenen Persönlichkeit passt – nicht glatt, sondern greifbar.

Viele erfolgreiche Vermittlerinnen und Vermittler haben das längst verstanden. Sie teilen regelmäßig Inhalte, beantworten Fragen öffentlich, erklären komplexe Dinge in einfacher Sprache – und machen sich damit unverzichtbar. Der Lead kommt dann oft nicht über eine Anzeige, sondern über ein Kurzvideo, das jemand im Freundeskreis geteilt hat.

Die Beratung bleibt – aber sie sieht anders aus

Wer glaubt, der digitale Wandel bedeute das Ende der persönlichen Beratung, hat das Prinzip nicht verstanden. Menschen wollen nach wie vor mit Menschen sprechen – aber vorbereitet, informiert, mit eigenen Vorstellungen und kritischen Fragen. Die Beratung wird dadurch nicht ersetzt, sondern aufgewertet. Und Vermittler, die diesen Dialog willkommen heißen, werden belohnt: mit Kunden, die bleiben, weil sie sich ernst genommen fühlen.

Tools wie Videoberatung, digitale Unterschrift, interaktive Angebotsvergleiche oder Online-Terminbuchung sind längst keine Kür mehr – sie sind Mindeststandard. Beratung heute ist hybrid. Sie findet da statt, wo der Kunde gerade ist: im Wohnzimmer, im Homeoffice, unterwegs am Smartphone. Wer das ignoriert, verliert. Und wer’s clever kombiniert, gewinnt.

Was bleibt, ist Haltung

Zwischen Lead-Funnels, Content-Marketing und Automatisierung darf man eines nicht vergessen: Am Ende geht’s immer um Menschen. Wer aufklärt, statt zu überreden, wer Fragen ernst nimmt, statt auswendig Gelerntes herunterzubeten, der wird langfristig Vertrauen aufbauen. Und Vertrauen ist in der Versicherungsbranche die einzige echte Währung, die Bestand hat – auch wenn sich Kanäle, Formate und Zielgruppen weiter verändern.

Die Digitalisierung ersetzt keine Integrität. Aber sie belohnt die, die sie smart und authentisch nutzen.

Und genau darin liegt die Chance für eine neue Generation von Vermittlern: nicht Verkäufer zu sein, sondern Begleiter. Nicht Lautsprecher, sondern Erklärer. Nicht „Ich weiß es besser“, sondern „Ich helfe dir, es zu verstehen“.

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