Wirtschaftliche Lage im April: Strukturprobleme und geopolitische Risiken dominieren

Die wirtschaftspolitische Bewertung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zur konjunkturellen Lage im April 2025 verdeutlicht, wie fragil der derzeitige Erholungspfad der deutschen Volkswirtschaft bleibt. Trotz punktueller Stabilisierungssignale – insbesondere im Einzelhandel und bei der Inflationsentwicklung – offenbaren die aktuellen Daten strukturelle Schwächen im industriellen Sektor, eine anhaltend belastete Lage auf dem Arbeitsmarkt sowie erhebliche Risiken durch protektionistische Tendenzen im Welthandel. Die folgende Einordnung priorisiert die vom BMWK am 14. April 2025 veröffentlichten Befunde nach ihrer gesamtwirtschaftlichen Relevanz und verweist auf die zentralen Quellen der zugrunde liegenden Indikatoren.

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Die offizielle Bewertung des BMWK bestätigt, dass die deutsche Wirtschaft trotz einzelner positiver Signale in Konsum- und Preisdaten strukturell belastet bleibt.Foto: Adobestock

US-Zollpolitik als externer Schockfaktor: Systemische Risiken für Exportnation Deutschland

Die jüngsten handelspolitischen Ankündigungen und teilweisen Rücknahmen durch die US-Regierung stellen einen geopolitischen Schock dar, dessen Tragweite für die deutsche Industrie kaum zu überschätzen ist. Die expansive Ankündigung vom 2. April und die kurz darauf verkündete 90-tägige Zollpause (mit Ausnahme Chinas) führten zu deutlichen Einbrüchen in den globalen Stimmungsindikatoren, darunter der Sentix Global Economic Index (April: -12,0 Punkte) und insbesondere dem US-Wert (-42,0 Punkte) – dem tiefsten Stand seit der Finanzkrise 2008. Diese Daten stammen aus dem Sentix Economic Index, April 2025.

Für Deutschland, dessen wirtschaftliche Stärke maßgeblich auf einer hochvernetzten Exportindustrie beruht, erhöhen sich damit Unsicherheiten bei Investitionsentscheidungen und Absatzmärkten substanziell. Die Eintrübung zentraler Frühindikatoren wie der ifo Exporterwartungen (März: -1,6 Punkte) unterstreicht diese Diagnose.

Industrieproduktion und Auftragslage: Kernsektor unter Druck

Nach einem positiven Start in das Jahr 2025 ist die Produktion im Produzierenden Gewerbe im Februar saison-, kalender- und preisbereinigt um -1,3 % gegenüber dem Vormonat gesunken. Während die Industrieproduktion lediglich leicht rückläufig war (-0,5 %), fielen die Einbußen im Baugewerbe (-3,2 %) und im Energiesektor (-3,3 %) deutlich aus. Diese Zahlen stammen aus der Destatis-Kurzmitteilung zur Produktion im Produzierenden Gewerbe, Februar 2025.

Parallel dazu verharren die Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe auf niedrigem Niveau: Im Februar blieben sie gegenüber dem Vormonat unverändert, nachdem sie im Januar noch um 5,5 % gefallen waren. Besonders besorgniserregend ist der Rückgang der Auslandsbestellungen im Dreimonatsvergleich um -5,8 %. Die Daten wurden vom BMWK in der Monatsanalyse vom 14. April 2025 veröffentlicht.

Arbeitsmarkt: Ausbleibende Frühjahrsbelebung

Die strukturelle Schwäche der Industrie schlägt zunehmend auf den Arbeitsmarkt durch. Die Arbeitslosigkeit stieg im März saisonbereinigt um 26.000 Personen, die Erwerbstätigkeit sank im Februar um 10.000 Personen. Auch die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung entwickelte sich im Januar mit -12.000 negativ. Die Zahl der Kurzarbeiter lag mit 240.000 Personen erneut spürbar über dem Vorjahresniveau. Diese Angaben basieren auf den Daten der Bundesagentur für Arbeit und des IAB-Arbeitsmarktbarometers (98,2 Punkte, März 2025).

Binnenwirtschaft: Konsum stabilisiert, aber keine nachhaltige Wachstumsdynamik

Im Februar stieg der preisbereinigte Einzelhandelsumsatz ohne Kfz leicht um 0,3 % gegenüber dem Vormonat, im Jahresvergleich sogar um 4,4 %. Insbesondere der Onlinehandel zeigte mit +14,5 % eine außergewöhnlich starke Entwicklung. Demgegenüber sanken die Pkw-Neuzulassungen im März sowohl im Monats- als auch im Jahresvergleich deutlich, was auf eine schwache Anschaffungsneigung hinweist. Datenquelle: Destatis und Kraftfahrt-Bundesamt (KBA), März 2025.

Auch die Stimmungsindikatoren bleiben zwiegespalten: Das ifo Geschäftsklima im Einzelhandel stieg im März leicht, die GfK-Konsumklimaprognose für April weist hingegen nur eine minimale Erholung auf (+0,1 Punkte auf -24,5). Quelle: GfK Consumer Climate Report, April 2025.

Inflationsentwicklung: Entlastung durch Energiepreise, Kernrate bleibt erhöht

Die Inflationsrate sank im März auf +2,2 %. Deutlich preisdämpfend wirkten die rückläufigen Energiepreise (-2,8 %), während Nahrungsmittel weiterhin einen überdurchschnittlichen Preisauftrieb aufwiesen (+3,0 %). Die Kerninflation fiel leicht auf +2,6 %, getrieben durch einen nachlassenden Preisdruck im Dienstleistungsbereich (+3,5 %). Diese Werte stammen aus der Destatis-Verbraucherpreisstatistik, März 2025.

Insolvenzen: Anstieg signalisiert strukturelle Schwächen

Die Unternehmensinsolvenzen nahmen im Januar gegenüber dem Vormonat um 2,2 % zu (1.830 Fälle). Im ersten Quartal registrierte das IWH-Insolvenztrend-Modell insgesamt 4.237 Insolvenzen – ein Zuwachs von 18,4 % gegenüber dem Vorjahresquartal. Quelle: Statistisches Bundesamt und IWH, März 2025.

Konjunkturelle Unsicherheit überlagert Erholungstendenzen

Die offizielle Bewertung des BMWK bestätigt, dass die deutsche Wirtschaft trotz einzelner positiver Signale in Konsum- und Preisdaten strukturell belastet bleibt. Entscheidende Schwächen zeigen sich im industriellen Sektor und auf dem Arbeitsmarkt, während die eskalierende Unsicherheit im globalen Handel – insbesondere infolge der US-Zollpolitik – wie ein Damoklesschwert über der exportgetriebenen Wirtschaftsstruktur Deutschlands hängt.

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