Der Bundestag hat eine weitreichende Reform verabschiedet, die Bürgerinnen und Bürger steuerlich und sozial entlasten soll. Im Mittelpunkt stehen der Ausgleich der kalten Progression bei der Einkommensteuer und eine Erhöhung des Kindergeldes. Am Freitag stimmte der Bundesrat zu.
Ziel der Maßnahmen ist es, die arbeitende Mitte und Familien in Zeiten hoher Inflation finanziell zu unterstützen.
Abbau der kalten Progression: Mehr Netto trotz Inflation
Ein zentraler Bestandteil der Reform ist der Abbau der kalten Progression. Dieses Phänomen führt dazu, dass Gehaltserhöhungen durch höhere Steuerabgaben kompensiert werden, ohne dass die Kaufkraft steigt. Um diesen Effekt auszugleichen, wird der Grundfreibetrag ab Januar 2024 von 11.784 Euro auf 12.096 Euro angehoben, mit einer weiteren Erhöhung auf 12.348 Euro im Jahr 2026. Zusätzlich werden die Eckwerte im Steuertarif verschoben, sodass höhere Steuersätze erst bei höheren Einkommen greifen. Die Freigrenze für den Solidaritätszuschlag wird angepasst, während die Grenze für die Reichensteuer unverändert bleibt.
Kindergeld und Kinderfreibetrag steigen ab 2024
Das Kindergeld wird ab Januar 2024 um 5 Euro auf 255 Euro monatlich erhöht. Der Kinderfreibetrag steigt um 60 Euro auf 6.672 Euro, und einkommensschwache Familien profitieren von einer Erhöhung des Kindersofortzuschlags auf 25 Euro monatlich. Nach Berechnungen der Grünen wird eine Familie mit zwei Kindern und einem Jahreseinkommen von 60.000 Euro dadurch im kommenden Jahr um insgesamt 306 Euro entlastet. Eine weitere Anpassung des Kindergeldes und Kinderfreibetrags ist für 2026 geplant.
Elterngeld bleibt unberührt: Ein vernachlässigtes Problem
Während Einkommensteuer und Kindergeld regelmäßig an die Inflation angepasst werden, bleibt das Elterngeld seit 2007 unverändert. Der Ökonom Maurice Höfgen weist in seinem letzten Newsletter „Geld für die Welt“ darauf hin, dass das Elterngeld dadurch massiv an Kaufkraft verloren hat. Der Mindestsatz von 300 Euro entspricht heute nur noch einer realen Kaufkraft von 211 Euro, während der Höchstsatz von 1.800 Euro auf 1.268 Euro gesunken ist. Zudem kritisiert Höfgen, dass die Einkommensgrenze für Zuschläge seit ihrer Einführung bei 1.240 Euro stagniert, obwohl sie inflationsbereinigt bei 1.760 Euro liegen müsste. Er bemängelt, dass politische Parteien seit 2007 keine Inflationsanpassung für das Elterngeld vorgenommen haben und stattdessen durch Kürzungen bei den Einkommensgrenzen Einsparungen erzielt wurden, ohne diese Mittel zur Verbesserung des Elterngeldes zu nutzen.
Finanzielle Belastung für den Staat und die Länder
Die Entlastungsmaßnahmen verursachen erhebliche Kosten. Im Jahr 2024 belaufen sie sich auf rund 7,2 Milliarden Euro, während sie in den Folgejahren auf 13,5 bis 14,8 Milliarden Euro jährlich steigen. Die Bundesländer verzichten durch das Gesetz auf Einnahmen von durchschnittlich 5,4 Milliarden Euro pro Jahr.
Politische Unterstützung und kontroverse Diskussionen
Die Reform fand breite Unterstützung von SPD, Grünen, FDP, Union und AfD, stieß aber auch auf Kritik. SPD und Grüne bemängelten die Streichung von Investitionsanreizen und Abschreibungsmöglichkeiten, die ursprünglich vorgesehen waren. Die Union begrüßte hingegen den Abbau von Bürokratie im ursprünglichen Gesetzentwurf. Der ehemalige Finanzminister Christian Lindner (FDP) verteidigte die Maßnahmen und betonte, dass der Staat kein „Inflationsgewinner“ sein dürfe.
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