„Sollte mein Sohn seine Lebensgefährtin heiraten, wird er enterbt!“

Mancher Erblasser will seinen Einfluss auf das Leben seiner Kinder über den Tod hinaus sichern. Mal ist die ungeliebte Schwiegertochter Stein des Anstoßes, mal der unsympathische Schwiegersohn. Erben sollen die Kinder dann meistens nur, wenn sie den offen oder insgeheim abgelehnten Lebenspartner nicht heiraten. Ist das noch zulässige elterliche Fürsorge oder illegale Aushöhlung der Eheschließungsfreiheit? Drei aktuelle Urteile bringen Klarheit.

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Der 2022 verstorbene Starkoch Heinz Winkler aus Aschau errichtete 2016 ein handschriftliches Testament, in dem er seine beiden Söhne Alexander aus erster Ehe und seinen jüngsten Sohn Constantin aus zweiter Ehe, zu Erben bestimmte. Weiter heißt es in dem Testament: „Sollte mein Sohn Alexander seine Lebensgefährtin … heiraten, wird er enterbt.“ Alexander schlug die Warnung des Vaters in den Wind: Er ist seit 2018 mit besagter Lebensgefährtin verheiratet. Nach dem Tod von Winkler beantragte Constantin die Erteilung eines Alleinerbscheins. Begründung: Durch die Hochzeit von Alexander sei die Bedingung im Testament eingetreten und dieser enterbt worden. Alexander war dagegen der Meinung, es handele sich insoweit um eine sittenwidrige Bedingung im Testament.

Trotz Enterbung bleibt der Pflichtteil

Doch damit fand er vor dem Oberlandesgericht (OLG) München kein Gehör (Beschluss vom 23.9.2024, Az.: 33 Wx 325/23). Warum, erklärt Rechtsanwalt Dr. Sven Gelbke: „Das Gericht stellte fest, dass der Sohn den Testamentsinhalt zum Zeitpunkt der Heirat nicht kannte. Deshalb habe der Vater keinen psychischen Druck ausgeübt. Das wäre allenfalls dann der Fall gewesen, wenn er die Enterbung vor seinem Tod mündlich angekündigt hätte.“ Das Gericht, so Gelbke weiter, habe außerdem betont, dass der Sohn durch ein entsprechendes Wohlverhalten wirtschaftlich zwar etwas hätte gewinnen können, durch die Hochzeit aber andererseits nichts verloren habe. Denn ihm bliebe trotz Enterbung auf jeden Fall der Pflichtteil – bei dem auf 11 Millionen Euro geschätzten Vermögen von Heinz Winkler immer noch ein Millionenbetrag. Mit mehr könne zunächst kein Angehöriger rechnen, da es sich der Erblasser immer anders überlegen und Erben wieder aus einem Testament streichen könne. „Alles in allem ist die Entscheidung richtig, weil die zur Eigentumsfreiheit nach Artikel 14 des Grundgesetzes gehörende Testierfreiheit sehr weit geht. Insbesondere muss niemand verstehen, warum jemand einen Angehörigen enterbt oder auch nicht“, so Gelbke.

Hausverbot für Partner der Erbin

Der Geschäftsführer des Erbrechtsportals „Die Erbschützer“ hält die Grenze der Testierfreiheit dort für überschritten, wo unzulässiger Druck auf die persönliche Lebensführung des Erben ausgeübt wird. Anschauungsmaterial für eine solche Situation liefert ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamm aus jüngerer Zeit (Az.: 10 U 58/21). Die spätere Klägerin erbte als einzige Tochter ihrer verstorbenen Mutter im Wesentlichen ein Hausgrundstück mit einem freistehenden Einfamilienhaus in Bochum, das sich seit Jahrzehnten im Eigentum der Familie befand und in dem die Mutter in einer und die Tochter mit der Enkelin in einer weiteren Wohnung lebten. Die Enkelin wurde als Miterbin eingesetzt. Der langjährige Lebensgefährte der Tochter hatte eine eigene Wohnung in der Nachbarschaft, ging aber in dem Haus ein und aus, war der Ziehvater der Enkelin und nahm im Haus auch Reparaturen vor. Es gab zu keiner Zeit Streit oder ein Zerwürfnis und man lebte wie eine Familie zusammen. Nach dem Tod der Erblasserin kam es zu einer Überraschung. In dem notariellen Testament, in dem die Tochter und die Enkelin als Erbinnen eingesetzt wurden, waren hierfür zwei Bedingungen formuliert. Zum einen war es den Erbinnen untersagt, das Grundstück an den Lebensgefährten der Tochter zu übertragen. Zum anderen sollten die Erbinnen dem Lebensgefährten auf Dauer untersagen, das Grundstück zu betreten. Zur Überwachung des Betretungsverbots wurde der Beklagte als Testamentsvollstrecker eingesetzt. Er sollte die Immobilie bei einem Verstoß gegen diese Bedingungen veräußern, wobei der Erlös zu ¼ der Tochter, einem ¼ der Enkelin und im Übrigen gemeinnützigen Zwecken zukommen sollte.

Unzumutbarer Druck auf Erben

Im konkreten Fall monierte das Gericht, dass dem langjährigen Lebensgefährten der Tochter, zugleich Ziehvater der Enkelin, der Zugang zu der schon vor dem Erbfall genutzten Wohnung auf einmal verwehrt sein sollte. Das bis zum Tod der Erblasserin unstreitig praktizierte familiäre Zusammenleben hätte aufgrund der Bedingung in dem Testament nicht mehr in dieser Form fortgeführt werden können – ein unzumutbarer Druck auf die Erben. „Das Gericht erkannte eine Verletzung des höchstpersönlichen Bereichs der Lebensführung der Tochter und hielt die Bedingung im Testament deshalb für sittenwidrig und nichtig. Das Gericht ging im Ergebnis davon aus, dass die Mutter und Erblasserin ihre Tochter und ihre Enkelin auch ohne die unwirksame Bedingung zu Erbinnen eingesetzt hätte“, erläutert Rechtsanwalt Dr. Sven Gelbke. Tochter und Enkelin erbten das Haus je zur Hälfte.

Familiäre Zuwiderhandlungen der Kinder

Doch nicht nur bei der Partnerwahl wollen Eltern bisweilen die Kontrolle über das Schicksal ihrer Kinder behalten – auch bei familiären Verstößen gegen die Anstandsregeln soll die Enterbungskeule schwingen. Doch die kann sich als Bumerang erweisen, wie ein vom OLG Bamberg entschiedener Fall zeigt (Az.: 3 W 43/20). Im Jahr 1999 hatte ein Ehepaar ein gemeinschaftliches Testament errichtet, wonach sie sich selbst als Erben und ihren Sohn als Schlusserben eingesetzt hatten. Zudem enthielt das Testament die Regelung, dass es bei einer „familiären Zuwiderhandlung" des Sohnes abgeändert werden kann. Ab dem Jahr 2004 unterhielt der Ehemann mit der Schwester seiner Ehefrau ein außereheliches Verhältnis einschließlich gemeinsamer Urlaubsreisen. Darunter hatte die Ehefrau sehr gelitten. Der Sohn des Paares stand dabei auf Seiten der Mutter. Im Mai 2013 verstarb schließlich die Ehefrau. Im Januar 2014 errichtete der überlebende Ehemann ein Testament, wonach sein Sohn und seine Geliebte je zur Hälfte seine Erben sein sollten. Er begründete dies mit dem Kontaktabbruch seines Sohnes. Nachdem auch der Ehemann verstorben war, beantragte seine Geliebte, die Schwester der vorverstorbenen Ehefrau, einen Erbschein, der sowohl sie als auch den Sohn des verstorbenen Paares als Erben ausweisen sollte. Der Sohn wiederum beantragte einen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweisen sollte.

Erblasser selbst hat Familienzusammenhalt untergraben

Das Amtsgericht Bamberg wies den Antrag des Sohnes zurück. Er sei nicht Alleinerbe geworden. Die Formulierung „familiäre Zuwiderhandlung" im gemeinschaftlichen Testament von 1999 sei so zu verstehen, dass bei einem ernsthaften Verstoß gegen den familiären Zusammenhalt das Testament geändert werden dürfe. Von einem solchen Verstoß sei aufgrund des Kontaktabbruchs des Sohns zu seinem Vater auszugehen. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Beschwerde des Sohns. „Das OLG Bamberg kritisierte, dass das Amtsgericht das Fremdgehen des Vaters mit der Schwägerin nicht ausreichend gewürdigt habe. Gerade dadurch habe das Verhältnis zwischen ihm und seinem Sohn eine tiefgreifende Störung erfahren. Der Erblasser habe nicht nur die Grundlagen seiner Ehe, sondern auch des familiären Zusammenhalts untergraben und damit die Gefahr eines Zerwürfnisses hervorgerufen“, fasst Rechtsanwalt Dr. Sven Gelbke die Entscheidung zusammen. Die Richter hoben zudem hervor, dass es Sache des Erblassers gewesen wäre, den ersten Schritt zur Aussöhnung mit dem durch den jahrelangen Ehebruch tief verletzten Sohn zu gehen. Ergebnis: Das Oberlandesgericht Bamberg entschied zu Gunsten des Sohns. Die Abänderung des gemeinschaftlichen Testaments von 1999 durch das Testament von 2014 hielt das Gericht für unwirksam.

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