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Diejenigen, die bei der Sitzung am 25. Januar 2024 eine Kehrtwende in der Zinspolitik der EZB erwarten, dürften wahrscheinlich enttäuscht werden. Nach der jüngsten aggressiven Rhetorik und den Hinweisen von Präsidentin Lagarde in Davos auf die Möglichkeit einer Zinssenkung in diesem Sommer, wird die EZB wohl an ihrem Kurs festhalten und die Zinsen erst ab Juni um 25 oder sogar 50 Basispunkte senken, ganz im Einklang mit der Fed.
Ein Marktkommentar von Claudia Fontanive-Wyss, Portfoliomanagerin bei Vontobel
Der allgemeine Tenor der Sitzung wird wahrscheinlich dem der Dezember-Sitzung ähneln, mit einer weitgehend unveränderten Erklärung und einer positiven Charakterisierung des zugrunde liegenden Inflationstrends. Wir gehen auch davon aus, dass die EZB weiterhin datenabhängig bleibt und in der Pressekonferenz die Wetten der Anleger auf frühere Zinssenkungen verbal zurückweisen wird.
Die jährliche Wachstumsrate der Geldmenge M2 ist sowohl in der Eurozone als auch in den USA negativ geworden. Dies ist restriktiv und nimmt den Zentralbanken einen Teil ihrer Arbeit ab. Daher könnte der derzeitige geldpolitische Kurs sogar noch restriktiver sein und eine Senkung vor Juni ist nicht völlig auszuschließen. Die aktualisierte EZB-Prognose vom März dürfte jedoch bessere Anhaltspunkte für den Zeitpunkt der ersten Senkung liefern.
Fed und EZB synchron
Der Markt rechnet derzeit mit fünf oder sechs Zinssenkungen der EZB im Jahr 2024, was der Anzahl der Zinssenkungen der Fed entspricht. Angesichts der anfangs unterschiedlichen Inflationsfaktoren in der EU und den USA (nachfragegetrieben und endogen für die USA, während angebotsgetrieben und exogen für die EU) ist dies überraschend. Derzeit liegt die Dynamik der Kerninflation in der Eurozone unter 10 Basispunkten pro Monat oder 1 Prozent auf Jahresbasis, während sie in den USA fast 30 Basispunkte pro Monat oder 3,3 Prozent auf Jahresbasis beträgt. Unserer Ansicht nach rechtfertigt dies größere oder schnellere Zinssenkungen durch die EZB.
Lieferkettenstörungen ohne Auswirkungen
Wir gehen nicht davon aus, dass die derzeitige Unterbrechung der Lieferkette im Roten Meer nennenswerte Auswirkungen auf die Inflation haben und die Politik der EZB ändern wird. Erstens ist die Situation nicht vergleichbar mit dem Stau von Schiffen, den wir während der Pandemie in großen Häfen wie zum Beispiel Los Angeles erlebt haben. Zweitens waren die Auswirkungen der Unterbrechung der Lieferkette in diesem Zeitraum nur einer von vielen Faktoren, die die Inflation anheizten.
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