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Derzeit liegt ein starker Fokus des Europäischen Gesetzgebers sowie der Aufsichtsbehörden auf dem Thema „Value for Money“. Dahinter verbirgt sich im Kern die Frage, wie sich das Preis-Leistungs-Verhältnis von Anlageprodukten feststellen beziehungsweise messen lässt. Unbestritten ist: dieses muss angemessen sein und die Bedürfnisse und Ziele der Verbraucher*innen erfüllen. Ein Kernproblem dabei ist, dass hier die Feststellung eines Kundennutzens nicht anhand von "einfachem Ausprobieren" möglich ist.
Ein Beitrag der Deutschen Aktuarvereinigung e.V.
Zudem haben viele Bürgerinnen und Bürger häufig keine ausreichenden Erfahrungen und Kenntnisse mit Anlageprodukten und eine Vielzahl technischer Begriffe erschweren die transparente Vergleichbarkeit verschiedener Produkte. Um diesen Besonderheiten zu begegnen, gibt es Bestrebungen von Gesetzgebern und Aufsichtsbehörden, die Feststellung eines angemessenen Kundennutzens der Produkte zu regeln. Dieser Artikel stellt die wesentlichen Ideen von BaFin, EIOPA und EU-Kommission kurz vor und diskutiert anhand ausgewählter Beispiele die Herausforderungen, die sich hieraus für die Produktanbieter ergeben.
Value for Money ist ein wesentlicher Bestandteil der am 24. Mai 2023 vorgestellten EU-Kleinanlegerstrategie. In der Begründung des Maßnahmenpakets heißt es wörtlich:
„Die EU-Strategie für Kleinanleger zielt darauf ab, den Rechtsrahmen zu stärken, um sicherzustellen, dass Kleinanleger 1) in die Lage versetzt werden, fundiertere Anlageentscheidungen zu treffen, die ihren Bedürfnissen und Zielen besser entsprechen, und 2) im Binnenmarkt durch einen kohärenten Rechtsrahmen angemessen geschützt werden. Dadurch werden die Bürgerinnen und Bürger mehr Vertrauen in die Kapitalmärkte bekommen und sich dort stärker engagieren, mit der Folge, dass die Beteiligung von Kleinanlegern an den Märkten zunimmt.“
Deutsche und europäische Aufsicht teilen ihre Erwartungen mit
Auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat zu diesem Themenkomplex am 8. Mai 2023 ein Merkblatt zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten veröffentlicht. Die BaFin äußert in diesem Merkblatt ihre Erwartungen, wie die Anbieter von Altersvorsorgeprodukten im Rahmen des Produktfreigabeverfahrens nach der Versicherungsvermittlerrichtlinie (Insurance Distribution Directive, IDD) die Feststellung eines angemessenen Kundenutzens praktizieren sollen.
Damit will die deutsche Aufsichtsbehörde unter anderem sicherstellen, dass Altersvorsorgeprodukte einen angemessenen Kundennutzen bieten. Das Merkblatt ist die deutsche Umsetzung von zwei Publikationen der europäischen Aufsichtsbehörde EIOPA (European Insurance and Occupational Pensions Authority) zum Thema Value for Money.
In allen genannten Veröffentlichungen geht es insbesondere auch um die Frage, wie sich das Preis-Leistungs-Verhältnis von Anlageprodukten messen lässt. Diese Frage ist alles andere als einfach zu beantworten.
Die BaFin erwartet von den Produktanbietern unter anderem, dass diese Renditeziele formulieren, die jeweils zum Zielmarkt des Produktes passen. Auf Basis stochastischer Simulationen müssen sie dann jeweils prüfen, ob das formulierte Renditeziel mit „hinreichender Wahrscheinlichkeit“ erreicht wird. Neben dieser Anforderung besteht der Ansatz der BaFin darin, die Versicherer näher zu prüfen, bei denen insbesondere die Effektivkosten und die Aufwendungen für die Vermittler im Branchenvergleich sehr hoch sind.
Bei diesem Ansatz sollen grobe Kennzahlen die Aufsicht auf Produkte hinweisen, die potenziell keinen Kundennutzen bieten. Auf EU-Ebene verfolgt man aktuell den Ansatz, eine Vielzahl ausgewählter Kennzahlen zu definieren, anhand derer die Produktanbieter den Wert ihrer Produkte prüfen und nachweisen müssen. Der Fokus liegt hierbei auf Kosten- und Performance-Kennzahlen.
Vergleichbarkeit von Kosten
Im Bereich der Kostenkennziffern existieren verschiedene Möglichkeiten, eine solche Kennzahl zu bestimmen. Am weitesten verbreitet ist die Kennzahl "Reduction in Yield“, die alle Kosten eines Produktes in eine jährliche Renditeminderung umrechnet. Da sie damit einen direkten Zusammenhang zwischen einer jährlichen Vor- und einer Nachkostenrendite darstellt, hat sie einen direkten Bezug zur Performance-Kennzahl „Rendite“.
Mithilfe dieser Kennzahl ist ein Vergleich von Kosten verschiedener Produkte trotz zahlreicher Detailfragen relativ gut möglich. Daher wird diese Kostenkennzahl sowohl von der BaFin als auch von EIOPA bereits an vielen Stellen verwendet, zum Beispiel bei der Darstellung von Kosten in den Basisinformationsblättern nach PRIIP-Verordnung oder bei Angaben zu Effektivkosten anhand der VVG-Informationspflichtenverordnung. Die verwendeten Modelle sollten auf die zu beurteilenden Produkte zugeschnitten sein
Viel facettenreicher als ein Vergleich von Kosten ist jedoch die Frage, wie man das Performance-Potenzial eines Produktes sinnvoll einschätzen kann. Beim Blick in die Vergangenheit kann naturgemäß nur eine Realisierung beobachtet werden. Ein Produkt, das in den letzten Jahren eine besonders gute oder schlechte Performance hatte, muss nicht unbedingt auch in Zukunft eine gute oder schlechte Performance-Erwartung mit sich bringen.
Eine alternative Herangehensweise ist die Einschätzung des Performance-Potenzials auf Basis von stochastischen Simulationen. Das bedeutet, dass anhand möglichst realitätsnaher Modelle eine Vielzahl möglicher zukünftiger Entwicklungen betrachtet wird. Bei langfristigen Produkten können stochastische Simulationen eine Indikation für das Performance-Potenzial geben, sind aber naturgemäß sehr stark von Annahmen geprägt.
Sowohl die Wahl eines geeigneten Modells als auch die Festlegung der Modell-Parameter müssen daher hohen fachlichen Standards genügen. Dabei sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass es nicht möglich ist, ein Modell zu definieren, das den Eigenschaften und Besonderheiten aller Produkte gerecht wird. Die verwendeten Modelle sollten deshalb auf die Besonderheiten der zu beurteilenden Produkte zugeschnitten sein.
Kennzahlen ungeeignet als Entscheidungshilfe für Verbraucher
Insgesamt sind Kennzahlen sicher ein geeignetes Experten-Tool, um genauer zu prüfende Produkte im Zuge einer risikobasierten Aufsicht zu identifizieren. Jedoch lassen sich viele wichtige Produkteigenschaften nicht anhand von Kennzahlen quantifizieren. Hierzu gehören etwa Sicherheit, Ausgleichmechanismen im Sicherungsvermögen eines Versicherers, die Flexibilität eines Produktes, angebotene Serviceleistungen oder die Absicherung biometrischer Risiken.
Gerade bei Altersvorsorgeprodukten (oder Versicherungsprodukten im Allgemeinen) sind diese qualitativen Aspekte zentrale Produkteigenschaften. Deshalb ist eine abschließende Beurteilung eines angemessenen Kundennutzens für Verbraucherinnen und Verbraucher einzig auf Basis von Kennzahlen nicht möglich.