Neue EU-Vorschriften für den Kleinanlegerschutz

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Die Eu-Kommission hat am 24. Mai 2023 ein Paket zu Investitionen von Kleinanlegern angenommen, in dessen Mittelpunkt die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher bei einschlägigen Investitionen stehen. Ziel ist es, Kleinanleger in die Lage zu versetzen, Anlageentscheidungen zu treffen, die ihren Bedürfnissen und Präferenzen entsprechen, und sicherzustellen, dass sie fair behandelt werden und angemessen geschützt sind.

Eines der drei Hauptziele des Aktionsplans 2020 für die Kapitalmarktunion der Kommission bestand darin, die EU als Anlageplatz noch sichererer für die langfristige Anlagetätigkeit der Bürgerinnen und Bürger zu machen. Das heute vorgelegte Paket stellt darauf ab, dieses Ziel zu erreichen und die Teilnahme an den EU-Kapitalmärkten zu fördern, die im Vergleich zu anderen Ländern wie den Vereinigten Staaten traditionell geringer ausfällt, wenngleich die Sparquoten der Europäerinnen und Europäer sehr hoch sind. Die Förderung der Kapitalmarktunion ist auch ein wesentliches Mittel, um private Finanzmittel in unsere Wirtschaft zu lenken und den ökologischen und digitalen Wandel zu finanzieren.

Das Paket im Einzelnen

Das Paket umfasst weitreichende Maßnahmen, mit denen Folgendes erreicht werden soll:  

  • Verbesserung der Art und Weise, wie Kleinanlegern Informationen über Anlageprodukte und -dienstleistungen bereitgestellt werden, sodass sie aussagekräftigere und standardisierte Informationen erhalten, indem die Offenlegungsvorschriften an das digitale Zeitalter und die wachsende Präferenz der Anleger für nachhaltige Investitionen angepasst werden;
  • mehr Transparenz und bessere Vergleichbarkeit der Kosten, indem ein Standardformat und eine einheitliche Terminologie verwendet werden müssen. Dies wird gewährleisten, dass Anlageprodukte den Kleinanlegern ein günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis bieten;
  • Gewährleistung, dass alle Kleinanleger mindestens einmal jährlich einen klaren Überblick über die Anlageentwicklung ihres Portfolios erhalten; 
  • Bewältigung potenzieller Interessenkonflikte beim Vertrieb von Anlageprodukten, indem Anreize für reine Verkäufe (ohne Beratung) verboten werden, und Gewährleistung, dass die Finanzberatung mit den Interessen der Kleinanleger im Einklang steht. Auch in Bereichen, in denen Anreize zulässig sind, werden strengere Schutzvorkehrungen eingeführt und die Transparenz erhöht;
  • Schutz der Kleinanleger vor irreführenden Marketingpraktiken, indem sichergestellt wird, dass Finanzintermediäre (Berater) in vollem Umfang für die Nutzung (und den Missbrauch) ihrer Marketing-Mitteilungen verantwortlich sind, auch wenn diese über soziale Medien oder über Prominente oder andere Dritte, die dafür eine Vergütung oder Anreize erhalten, verbreitet werden;
  • Wahrung hoher Standards hinsichtlich der beruflichen Qualifikation von Finanzberatern;
  • Stärkung der Verbraucherinnen und Verbraucher, damit diese bessere finanzielle Entscheidungen treffen können, indem die Mitgliedstaaten ermutigt werden, nationale Maßnahmen umzusetzen, um die Finanzkompetenz der Bürgerinnen und Bürger unabhängig von ihrem Alter und ihrem sozialen und Bildungsstand zu fördern;
  • Abbau des Verwaltungsaufwands und Verbesserung der Zugänglichkeit von Produkten und Dienstleistungen für erfahrene Kleinanleger, indem die Kriterien für die Anerkennung als professioneller Anleger verhältnismäßiger gestaltet werden;
  • Verbesserung der aufsichtlichen Zusammenarbeit, damit die zuständigen nationalen Behörden und die Europäischen Aufsichtsbehörden leichter sicherstellen können, dass die Vorschriften in der gesamten EU ordnungsgemäß, wirksam und einheitlich angewandt werden, und um gemeinsam Betrug und Fehlverhalten zu bekämpfen. 

Das vorgelegte Paket hat einen weit gefassten Anwendungsbereich und berücksichtigt den gesamten Investitionsprozess auf Verbraucherseite. Es besteht aus einer Änderungsrichtlinie, mit der die bestehenden Vorschriften der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II), der Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD), der Richtlinie über Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW), der Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFMD) und der Richtlinie über die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) überarbeitet werden, sowie aus einer Änderungsverordnung, mit der die Verordnung über Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIP) überarbeitet wird.

Hintergrund

Die Anlegerschutzvorschriften sind derzeit in verschiedenen sektorspezifischen Rechtsinstrumenten festgelegt, unter anderem in der MiFID, der PRIIP-Verordnung, der OGAW-Richtlinie, der AIFM-Richtlinie, Solvabilität II und der IDD. Die Vorschriften können von Finanzinstrument zu Finanzinstrument unterschiedlich und mitunter inkohärent sein, wodurch die kumulativen Anforderungen an Kleinanleger verwirrend sind. Zugleich hat die Digitalisierung zu Veränderungen bei den Vertriebsmodellen und zu neuen Vertriebsformen für Finanzinstrumente für Kleinanleger geführt.

In den letzten drei Jahren hat die Kommission die Faktengrundlage für die heutigen Vorschläge geprüft, darunter eine eingehende Studie zu den wichtigsten Kleinanlegerfragen (Offenlegungen, Beratung, Anreize, Eignung) und umfassende öffentliche Konsultationen, und sie hat die Europäischen Aufsichtsbehörden um Stellungnahme ersucht und zu zahlreichen Interessenträgern Kontakt aufgenommen. 

Reaktionen der Verbände

„Wir begrüßen es sehr, dass darin kein generelles Provisionsverbot vorgesehen ist“, sagt der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK), Michael H. Heinz. „Bei allem positiv zu Bewertenden des Entwurfs sollte man bedenken, dass die EU nicht übers Ziel hinausschießen soll. Denn wir halten es für unangemessen, strengere Regulierungen für alle Mitgliedstaaten vorzunehmen, obwohl nur bei einigen wenigen EU-Ländern Probleme aufgetaucht sind. Vielmehr wäre es im Hinblick auf die Kosten und die Rechtssicherheit für alle Marktteilnehmer besser gewesen, die bereits bestehenden Regelwerke nachzuschärfen, anstatt neue Aufsichtsinstrumente implementieren zu wollen.“

Weiterhin werde sich der BVK in die folgenden Diskussion einbringen und das anschließende Gesetzgebungsverfahren intensiv begleiten und in seinem Bemühen, ein Provisionsverbot zu verhindern, nicht nachlassen, konstatiert Heinz.

Für grundsätzlich gut befindet der AfW das Maßnahmenpaket. Aber: Der Vorschlag sieht weiterhin das vor, was bereits in einem zuvor geleakten Entwurf enthalten war. Es findet sich neben dem geplanten Verbot für „execution only“-Geschäfte weiter das Vorhaben, die IDD in einem wesentlichen Punkt zu ändern und jetzt in Artikel 30 IDD einen neuen Punkt 5b. einzufügen. Geplant ist, so der AfW, nach dem Entwurf, dass unabhängig agierende Vermittler – in Deutschland qua Gesetz also Versicherungsmaklerinnen und -makler – keine Provisionen mehr für die Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten (insurance-based investment products) erhalten sollen.

Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des AfW, befindet: „Das mögen einige vielleicht nach dem Motto akzeptieren: Es hätte ja noch viel schlimmer kommen können oder vielleicht ist es ja gar nicht so gemeint. Wir nicht! Wir halten es für komplett abwegig, dass dieses wettbewerbsverzerrende Vorhaben im Sinne von Verbraucherschutz sein soll.“

Kritisch zu sehen sei an dem Entwurf, so Daniel Quinten, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Deutsche Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) für die Deutschen Kreditwirtschaft (DK), dass die EU-Kommission ein Provisionsverbot für das in Deutschland weit verbreitete beratungsfreie Geschäft vorsehen möchte. Zudem schlage sie eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen vor, die in ihrer Gesamtheit das Wertpapiergeschäft deutlich komplexer machen. „Eine ehrliche Kosten-/Nutzen- und Wettbewerbsanalyse sind geboten“, mahnt Quinten. Insgesamt setze der Gesetzesentwurf die ursprünglichen Ziele der Kommission nicht um. Diese waren, den Zugang von Kleinanlegern zum Kapitalmarkt zu vereinfachen, überflüssige Informationen abzuschaffen und die Prozesse effizienter und damit für Kleinanleger attraktiver zu gestalten. 

Ausdrücklich positiv hingegen bewertet die DK, dass die EU-Kommission die Verbesserung der finanziellen Bildung in ihrem Vorschlag aufgegriffen hat. Finanziell gut informierte Bürger wissen um die Notwendigkeit der privaten Altersvorsorge, erkennen Chancen und Risiken der Kapitalmärkte und können fundierte Anlageentscheidungen treffen.