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Wer eine Versicherung oder eine Finanzanlage abschließen möchte, wendet sich häufig an Vermittler. Werben diese mit unabhängiger Beratung, kann bei Verbraucher*innen der irrtümliche Eindruck entstehen, sie hätten es mit einem Honorarberater zu tun, der unabhängig von Produktanbietern und ohne Provisionen arbeitet.
Zwei aktuelle Gerichtsentscheidungen bestätigen die Auffassung des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), dass Vermittler ihre Beratung nicht als unabhängig darstellen und auch nicht als reine Berater auftreten dürfen, wenn sie Provisionen von Versicherern oder Finanzinstituten erhalten.
„Wer Provisionen kassiert, agiert nicht unabhängig. Für Verbraucher*innen muss klar sein, ob sie es mit einer vom Produktanbieter unabhängigen Honorarberatung oder mit einer provisionsabhängigen Vermittlung zu tun haben. Bisher ist das häufig schwer erkennbar“, sagt David Bode, Rechtsreferent im vzbv.
Gerichte bestätigen Auffassung des vzbv
Der vzbv hatte gegen zwei Versicherungsmakler geklagt, wobei einer der beiden Anbieter auch als Finanzanlagenvermittler agiert.
Die Firma „Die Finanzprüfer“ hatte eine Versicherungsberatung ohne Vermittlung angeboten, obwohl sie keine Zulassung als Versicherungsberater hat. Das ist unzulässig, entschied das Landgericht Köln. Die Gewerbeformen des Honorarberaters und des Vermittlers sind per Gesetz scharf voneinander getrennt, das gleichzeitige Betreiben ist ausdrücklich verboten.
Der „Finanzberatung Schorn“ untersagte das Landgericht Bremen nach der vzbv-Klage, online mit „unabhängiger Beratung“ zu werben. Ein Finanzanlagenberater könne im Gegensatz zum Honorarberater keine unabhängige Beratung anbieten, auch wenn er in Einzelfällen anstatt oder neben einer Provision ein Honorar erhält, so das Gericht.
Die beiden Gerichtsentscheidungen sind richtungsweisend und helfen Verbraucher*innen zu erkennen, ob sie es mit unabhängiger Beratung zu tun haben oder mit einer Vermittlung, bei der Provisionen fließen. Das ist wichtig, damit Verbraucher*innen bei Empfehlung bestimmter Finanzanlagen oder Versicherungen durch Vermittler und Makler informierte Entscheidungen treffen können.
Strengere Regeln für die Bezeichnung „unabhängig“
Damit solche Fälle künftig vermieden werden, fordert der vzbv eine gesetzliche Klarstellung im Wertpapier- und Versicherungsvertrieb, welche Vermittler sich als unabhängig bezeichnen dürfen. Es braucht einen Bezeichnungsschutz – auch bei werblichen Aussagen der Vermittler.
Die geplanten Änderungen der europäischen Vorschriften bei der Kleinanlegerstrategie (Retail Investment Strategy) bieten einen Anknüpfungspunkt für mehr Verbraucherschutz, so der Verband.
„Die EU muss mit der Retail Invest Strategy dafür sorgen, dass Versicherungsvermittler in Deutschland nicht irreführend mit dem Wort ‚unabhängig‘ auftreten oder werben können. Es muss gesetzlich klargestellt werden, dass bei einer unabhängigen Beratung grundsätzlich kein Geld vom Produktgeber zum Berater fließen darf“, sagt Dorothea Mohn, Leiterin Team Finanzmarkt beim vzbv.
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