Renten-Reform: Warum ein späterer Renteneintritt das Sterbe-Risiko erhöht

Weltweit altern viele Gesellschaften rapide: Die OECD erwartet, dass die Zahl der Rentenbezieher pro Arbeitnehmer bis 2050 um 50 Prozent steigen wird. Die Politik reagiert auf die zunehmenden Kosten mit Rentenreformen – zentrales Instrument dabei ist die Anhebung des Mindest-Eintrittsalters für den Ruhestand. Eine neue Studie des EPoS Research Center an der Universität Mannheim kommt allerdings zu dem Ergebnis, dass die Abschaffung der vorgezogenen Altersrente das Sterberisiko erhöht. Die Autoren des Diskussionspapiers "The Effect of Removing Early Retirement on Mortality" sind: Dr. Cristina Bellès-Obrero, Ph.D., Prof. Sergi Jiménez-Martìn und Prof. Han Ye vom EPoS-Sonderforschungsbereich Transregio 224, einer Kooperation der Universitäten Bonn und Mannheim. "Unsere Forschung weist empirisch nach, dass ein späterer Renteneintritt die Sterblichkeit erhöht", sagen die Ökonomen. "Um die Herausforderung alternder Gesellschaften zu meistern, setzen politische Entscheidungsträger gerne Anreize für ein längeres Arbeitsleben. Welche Auswirkungen ein späterer Renteneintritt hat und wie sich die negativen Folgen abmildern lassen, ist daher von großer Relevanz. Dazu haben wir in einer langfristig angelegten Analyse Sozialversicherungsdaten aus Spanien untersucht, die jeweils vor oder nach der Rentenreform von 1967 starten. In diesem Jahr wurde das Alter für den Vorruhestand angehoben: Diejenigen, die vor dem 1. Januar 1967 eingezahlt hatten, durften weiter mit 60 Jahren freiwillig in Rente gehen. Diejenigen, die nach diesem Stichtag die ersten Beiträge leisteten, konnten erst mit 65 Jahren freiwillig eine Rente beanspruchen." Die Ergebnisse zeigen, dass eine Verzögerung des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben um ein Jahr das Risiko um 4,2 Prozentpunkte erhöht, im Alter zwischen 60 und 69 Jahren zu sterben. Je nach den Arbeitsbedingungen in den letzten Beschäftigungsjahren wirkt sich eine Verzögerung des Renteneintritts unterschiedlich auf die Lebenserwartung aus. Merkmale wie die körperliche und psychosoziale Belastung, der Selbstwert bei der Arbeit und das Qualifikationsniveau haben jeweils einen Einfluss.

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Erfolgserlebnisse sind wichtig für die Gesundheit

Die Ergebnisse lassen erkennen, dass der Verlust des Rechts auf Frühverrentung zum vorzeitigen Tod von Personen führen kann, die in körperlich anstrengenden Berufen arbeiten und zudem hohen psychosozialen Belastungen ausgesetzt sind. Dagegen zeigen sich bei Arbeitnehmern mit Erfolgserlebnissen und Anerkennung am Arbeitsplatz keine negativen Auswirkungen auf die Sterblichkeit. Wird der Renteneintritt bei Arbeitern mit niedrigem Qualifikationsniveau um ein Jahr verschoben, erhöht sich wiederum die Wahrscheinlichkeit, im Alter zwischen 60 und 69 Jahren zu sterben, um 5,4 Prozentpunkte.

Keine "Pauschallösung"

"Diese Ergebnisse zeigen, dass es keine einheitliche 'Pauschallösung' für den Ruhestand geben kann", sagt das Forscherteam. "Wir stellen fest, dass eine Politik, die den Zugang zum Vorruhestand generell abschafft, die sozioökonomischen Ungleichheiten bei der Lebenserwartung verschärfen kann. Unsere Ergebnisse zeigen zudem, dass die Spanierinnen und Spanier sich nicht in vollem Umfang an die Anhebung des gesetzlichen Rentenalters hielten. Vor der Beantragung einer regulären Rente nutzten sie andere Wege, um den Arbeitsmarkt zu verlassen, indem sie beispielsweise eine Berufsunfähigkeitsversicherung oder eine Teilrente beantragten."

Ausblick: Flexible Ruhestandsregelungen

Menschen, die eine Teilrente beanspruchen konnten, verzeichneten eine niedrigere Sterblichkeitsrate. Dies zeigt, dass ein schrittweiser Übergang in den Ruhestand den negativen Auswirkungen eines längeren Arbeitslebens entgegenwirkt. "Eine allmähliche Absenkung der Arbeitsstunden am Ende des Berufslebens ist ein guter Weg, um die Herausforderungen der alternden Bevölkerung für den Arbeitsmarkt zu bewältigen und gleichzeitig die Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu schützen", sagen die Autoren. Ein Beitrag im Originalvon: Economic Research EPoS - Universitäten Bonn und Mannheim übermittelt durch news aktuell. __________________________________________________________________________ Das vorgestellte Diskussionspapier ist eine Publikation des Sonderforschungsbereichs (SFB) Transregio 224 EPoS. Die vollständige Studie finden Sie hier. Eine Liste aller Diskussionspapiere des SFB finden Sie hier. Die Autoren Cristina Bellès-Obrero, Ph.D., Universitat de Barcelona und IZA Prof. Sergi Jiménez-Martìn, Ph.D., Universitat Pompeu Fabra, FEDEA und Barcelona School of Economics Prof. Han Ye, Ph.D., Universität Mannheim, IZA und ZEW, Collaborative Research Center Transregio 224 EPoS Der Sonderforschungsbereich Transregio 224 EPoS: Der 2018 eingerichtete Sonderforschungsbereich Transregio 224 EPoS, eine Kooperation der Universität Bonn und der Universität Mannheim, ist eine langfristig angelegte Forschungseinrichtung, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird. EPoS befasst sich mit drei zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen: Wie kann Chancengleichheit gefördert werden? Wie können Märkte angesichts der Internationalisierung und Digitalisierung der Wirtschaftstätigkeit reguliert werden? Und wie kann die Stabilität des Finanzsystems gesichert werden?

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