EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen macht sich Sorgen um die globale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und kündigt einen standardmäßigen Wettbewerbsfähigkeitscheck für die EU-Gesetzgebung an. Auch für Bundesfinanzminister Christian Lindner stellt die Regulierung bisher zu sehr auf Finanzmarktstabilität und Verbraucherschutz ab und zu wenig auf Wettbewerbsfähigkeit. Dabei verweist er auf die seit Jahren niedrige Profitabilität der deutschen Banken.
Ein Interview mit Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des deutschen Fondsverbands BVI
Herr Richter, die EU hat kürzlich einen standardmäßigen Wettbewerbsfähigkeitscheck für die EU-Gesetzgebung angekündigt. Das fordern Sie doch schon seit Jahren, oder?
Richtig, wir fordern schon lange ein Umdenken, um die Finanzmarktregulierung besser und ausgewogener zu machen. Die Ankündigung von Frau von der Leyen ist deshalb eine gute Nachricht für uns. Denn bislang richtet die EU ihre Finanzmarktregulierung allein an den beiden Zielen Finanzmarktstabilität und Verbraucherschutz aus. Das sind wichtige Ziele, aber es sind nicht die einzigen.
Auch standortpolitische und volkswirtschaftliche Belange sollten in regulatorische Abwägungsentscheidungen einfließen. In den USA ist das der Fall. Die US-Regulierung hat auch die wichtigen Ziele Verbraucherschutz und Finanzmarktstabilität, daneben behält sie aber auch die Interessen der heimischen Finanzindustrie im Auge – mit Erfolg.
Die amerikanischen Assetmanager wachsen seit Jahren schneller als die europäischen, gleiches gilt für die Banken. Deshalb sollte die EU jetzt endlich handeln. Die Fondsbranche in Europa steht in einem globalen Wettbewerb. Kein Markt kann sich abschotten. Angesichts des steigenden Margendrucks müssen sich europäische Assetmanager auf ihre globale Wettbewerbsfähigkeit konzentrieren.
Wo sehen Sie in der EU-Regulierung das Problem?
Das Problem ist die überbordende Detailregulierung. Im Vergleich zu 2010 dominiert heute eine kleinteilige Regulierung aus Brüssel unser Tagesgeschäft. Fast wöchentlich veröffentlichen die EU-Behörden hunderte Seiten mit technischen Regulierungsstandards, Leitlinien und Empfehlungen. ESMA, EBA und EIOPA sind viel mehr als nur Aufsichtsbehörden. Sie sind eine Art Schattengesetzgeber.
Dieser Machtzuwachs ist eine Antwort der EU auf die Finanzkrise gewesen, hat sich aber zunehmend verselbständigt. Die EU muss sich endlich fragen, ob Verbraucher und Aufsichtsbehörden zum Beispiel auf das sechste oder siebte Reporting gewartet haben und ob dieses Reporting wirklich noch einen Mehrwert bringt, während es auf Seite der Branche unverhältnismäßige Kosten verursacht.
Insgesamt belastet die Umsetzung der vielen EU-Detailregeln die Fondsbranche mit hohen Kosten. Dieses Geld fehlt zum Beispiel für die weitere Digitalisierung oder die Erschließung von Märkten.
Was ist nötig, um das Umdenken in der Finanzmarktregulierung umzusetzen?
Wichtig ist, dass die EU-Behörden möglichst bald die Vorgabe erhalten, bei Abwägungsentscheidungen neuer Regeln neben Verbraucherschutz und Finanzmarktstabilität auch die globale Wettbewerbsfähigkeit der Finanzindustrie zu berücksichtigen.
Zudem sollte die EU einen stärker prinzipienbasierten Regulierungsansatz verfolgen. Das bedeutet weniger Detailvorschriften, mehr grundsätzliche Regeln, die dann ausgefüllt werden können von den Mitgliedstaaten – natürlich in einem harmonisierten Aufsichtssystem. Wir dürfen am Ende nicht mehr vor einer Vielzahl von Regeln stehen, deren Sinn sich nicht immer erschließt, die teilweise widersprüchlich sind oder Kollateralschäden an anderen Stellen verursachen.
Die Fragen stellte die Internetredaktion des BVI.
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