Nur vier Monate ist es her, seit die US-Notenbank damit begonnen hat, die Zinsen wieder zu erhöhen, um die galoppierende Inflation in den Griff zu kriegen – und doch scheinen Investoren darauf zu spekulieren, dass die Fed bereits im kommenden Jahr die Zügel wieder lockerer lässt.
Darauf lässt zumindest der Markt für Fed Funds Futures schließen. Dieser ermöglicht es Anlegern, über Derivate auf steigende oder fallende Zinsen zu setzen. Hier geht man offenbar davon aus, dass die Zinsen bis Februar 2023 auf 3,39 Prozent steigen werden, um dann wieder zu fallen. Sascha Sadowski, Marktexperte beim Online-Broker LYNX erklärt:
Würde die Fed die Zinsen wieder senken und zu ihrer lockeren Geldpolitik der letzten Jahre zurückkehren, würde sie damit quasi den Sieg über die Inflation verkünden.
Investoren hoffen natürlich auf dieses Zeichen, so Sadowski, schließlich war das genau die Politik, die dem Aktienmarkt zum Höhenflug der vergangenen Jahre verholfen habe.
Die Frage ist nur: Wie wahrscheinlich ist es, dass die Fed bereits im ersten Quartal 2023 die Zinsen wieder sinken lässt? Denn es ist keineswegs gesagt, dass sie den Kampf gegen die Inflation so schnell gewinnen kann. Fed-Chef Powell räume selbst ein, dass sich viele Faktoren, die aktuell die Inflation steigen lassen, dem Einfluss der Fed entziehen, so Sadowski. So könne sie die Preise für Rohstoffe nicht senken oder den Krieg in der Ukraine beenden. Auch auf die Corona-Politik Chinas und die damit verbundenen Lockdowns habe sie keinerlei Einfluss. Sie könne also nur versuchen, die US-Wirtschaft durch steigende Zinsen zu bremsen und damit die Nachfrage zu senken. Sollten die Zinsen tatsächlich nur bis knapp unter 3,4 Prozent steigen, wäre es das erste Mal seit 70 Jahren, dass der Leitzins in einer Zinserhöhungsphase unter der Inflationsrate bleibe und damit zu keinem Zeitpunkt in den positiven Bereich rutsche.
Um einzuschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass wir es diesmal mit einer kurzen Phase der steigenden Zinsen zu tun haben, wirft Sadowski außerdem einen Blick auf die Zahlen der Vergangenheit: Tatsächlich habe es bereits früher Phasen der Zinserhöhung gegeben, die weniger als zwei Jahre gedauert haben, etwa von Juni 1999 bis Januar 2001. Doch in den meisten Fällen habe die Fed die Zügel nicht so schnell wieder gelockert. So habe beispielsweise die Zinserhöhungsphase vor der Finanzkrise 2008 von Juni 2004 bis September 2007 gedauert, erklärt der Experte.
Für Sadowski könnte es also durchaus sein, dass diejenigen, die mit einem baldigen Ende der strengeren Geldpolitik rechnen, eher von Hoffnung getrieben sind, als von einer realistischen Einschätzung der Situation. Sollte sich abzeichnen, dass diese Hoffnung enttäuscht wird, so der Marktexperte, könnte das den Finanz- und Aktienmärkten durchaus schwer zu schaffen machen.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Wind aus den Segeln der internationalen Aktienmärkte
Die Aktienmärkte verzeichnen leichte Verluste, während die US-Futures vor der Eröffnung unverändert sind. Die Erholungsrallye hat an Schwung verloren, was nach dem letzten Arbeitsmarktbericht verständlich ist. Das heißt nicht, dass der Optimismus nicht zurückkehren kann.
Wege aus der Vielfachkrise – Ausblick auf 2023
2022 ist gezeichnet von vielzähligen Krisen, die auch die Finanzmärkte beeinflussen. Zudem vollziehen viele Notenbanken einen geldpolitischen Kurswechsel. Mit welchen Trends Investoren in diesem Umfeld anhaltender Volatilität und zunehmend angespannter Liquidität rechnen sollten.
Stoppt die Bankenkrise den extremen Zinsanstieg?
Wir befinden uns in einer Phase der Zinsvolatilität. Auch wenn die akute Situation unter Kontrolle ist, kann diese Entwicklung den Markt noch einige Zeit begleiten. Dies könnte dazu führen, dass die Leitzinsen nicht mehr die hohen Erwartungen erfüllen, die noch vor kurzem in sie gesetzt wurden.
Warum die Inflation ein hartnäckiger Gegner ist
Die jüngsten Inflationsdaten waren für Viele enttäuschend, sind aber keineswegs überraschend. Denn die enorme Ausweitung der Geldmenge durch die lang andauernde expansive Geldpolitik bereitete den Boden für eine preistreibende Störung des Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
In der Steuerung des Kreditrisikos liegt ein strategischer Hebel
Protektionismus, Handelskonflikte, geopolitische Risiken – die Unsicherheit an den Märkten bleibt hoch. Passive Kreditstrategien stoßen in diesem Umfeld schnell an ihre Grenzen. Warum gerade aktives Management und ein gezielter Umgang mit Kreditaufschlägen den Unterschied machen können, erklärt Jörg Held, Head of Portfolio Management bei Ethenea.
Mehrheit befürwortet Rüstungsinvestments – Akzeptanz steigt auch bei nachhaltigen Fonds
Private Geldanlagen in Rüstungsunternehmen polarisieren – doch laut aktueller Verivox-Umfrage kippt die Stimmung: 56 Prozent der Deutschen halten solche Investments inzwischen für legitim. Auch nachhaltige Fonds greifen vermehrt zu.
PKV-Initiative „Heal Capital 2“: Neuer Fonds, neue Investoren, neue Start-ups
Digitale Wartung, KI-Zertifizierung, stärkere europäische Vernetzung: Der PKV-Investitionsfonds Heal Capital geht mit neuer Schlagkraft an den Start – und will die digitale Versorgung nachhaltig verändern. Doch welche Start-ups profitieren zuerst?
„Was zu gut klingt, um wahr zu sein, ist es meistens auch“
Von unseriösen Werbeversprechen bis KI-Euphorie: Im zweiten Teil des Interviews mit Tim Grüger geht es um Trends im Daytrading, die Erwartungen von Kunden und den Kampf gegen Finanz-Fake-News. Plus: Was TradingFreaks für die Zukunft plant – und welchen Rat der Gründer Anfängern mit auf den Weg gibt.
Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk
Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.