Die Rezessionswahrscheinlichkeit in Deutschland bleibt weiterhin hoch. Grund dafür sind die wirtschaftlichen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sowie fortdauernde Lieferkettenprobleme durch rigide Abschottungen in der Omikron-Welle in China.
Das signalisiert der Konjunkturindikator des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Das nach dem Ampelsystem arbeitende Frühwarninstrument steht für den Zeitraum von Anfang Mai bis Ende Juli auf „rot“ und signalisiert so weiterhin ein akutes Rezessionsrisiko. Die Wahrscheinlichkeit, dass die deutsche Wirtschaft in den kommenden drei Monaten in eine Rezession gerät, ist gleichwohl zuletzt leicht gesunken: von 65,4 Prozent Anfang April auf jetzt 52,6 Prozent. Auch die statistische Streuung, ein Maß für die Unsicherheit von Wirtschaftsakteuren, ist von 26,2 Prozent auf 24,2 Prozent geringfügig zurückgegangen.
Die etwas gesunkene Rezessionswahrscheinlichkeit beruht vor allem auf der Stabilisierung zweier konjunktureller Frühindikatoren: Erstens dem leichten Anstieg des ifo-Geschäftsklimaindex. Zweitens einem leichten Rückgang der Zinsaufschläge, die Unternehmen für ihre Anleihen gegenüber Staatspapieren zahlen müssen, was für verbesserte Finanzierungsbedingungen sorgt. Dagegen ist aber der Finanzmarktstressindex gestiegen, den das IMK aus einem breiten Kranz von Finanzindikatoren berechnet. Das liegt an einem abermaligen Anstieg der Prämien von Kreditrisikoversicherungen. Deutlich negative Impulse kamen zuletzt auch von den Rückgängen bei Produktionsdaten und den Auftragseingängen des Verarbeitenden Gewerbes.
Das Risiko befindet sich dennoch weiterhin im akuten Bereich
Die Experten wollen daher die leichte Entspannung nicht überbewerten. Dr. Thomas Theobald, Leiter des Referats für Finanzmärkte und Konjunktur am IMK, sagt:
Die vorliegenden Ergebnisse bieten keinen Grund zur konjunkturellen Entwarnung.
Selbst wenn der deutschen Wirtschaft im ersten Halbjahr 2022 eine Rezession erspart bleibe, lassen die weiter hohe Inflation und das neu erreichte Ausmaß an Liefer- und Materialengpässen eine Abwärtsrevision des prognostizierten jahresdurchschnittlichen BIP-Wachstums befürchten, so Theobald.
Bislang rechnet das IMK im Basisszenario seiner Konjunkturprognose mit einem Wirtschafswachstum von 2,1 Prozent im Jahresmittel 2022, die nächste Prognose erscheint Ende Juni.
In den IMK-Konjunkturindikator fließen zahlreiche Daten aus der Real- und der Finanzwirtschaft ein. Darüber hinaus berücksichtigt das Instrument Stimmungsindikatoren. Das IMK nutzt die Industrieproduktion als Referenzwert für eine Rezession, weil diese rascher auf einen Nachfrageeinbruch reagiert als das Bruttoinlandsprodukt. Der Konjunkturindikator wird monatlich aktualisiert.