Der WTW „Political Risk Index 2021“ weist 66 – auch europäische – Länder mit hohen politischen Risiken aus. Häufige Ursachen: Hashtag-Kampagnen über soziale Medien, Pandemie und Staatsverschuldung.
Wie politische Risiken, beispielsweise Risiken durch Enteignung, politische Gewalt, Wechselkursschwankungen, Handelssanktionen sowie durch eine mögliche Staatsinsolvenz, weltweit und insbesondere in instabilen Regionen gestiegen sind, zeigt der neue Political Risk Index von WTW in Kooperation mit Oxford Analytica: Auf einer Skala von 5 bis 95 beurteilt der Index die politischen Risiken in 66 besonders verwundbaren Ländern. Die meisten Länder mit einem hohen Risiko lassen sich in Asien, Afrika oder dem Mittleren Osten verorten. Den höchsten Risiken sind der Libanon, Mali und Libyen mit einem Wert von über 70 ausgesetzt. Mathias Pahl Head of Corporate Risk & Broking bei WTW, erklärt:
Unternehmen müssen politische Risiken in anderen Ländern stets beobachten und mit Blick auf ihre eigene Geschäftstätigkeit bewerten. Insbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländern können sich Wachstumschancen bieten – jedoch gilt es, Absicherungsmaßnahmen gegen politische Risiken zu ergreifen.
Pandemie und Staatsverschuldung als Risikotreiber
Der wesentliche Grund für das Ansteigen der Risikowerte ist in vielen Ländern die wachsende Schuldenlast aufgrund der Corona-Pandemie. Regierungen mit hoher Staatsverschuldung stehen vor der schwierigen Aufgabe, den Staatsbankrott zu verhindern oder aber Schulden aggressiv abzubauen und damit soziale Unruhen zu riskieren.
Steigendes Risiko durch Technologie und Social Media
Einen wachsenden Einfluss auf das politische Geschehen haben überdies die digitalen Kommunikationstechnologien – auch in den Schwellenländern. Monika Behrens, Geschäftsführerin der Willis Towers Watson Versicherungsmakler GmbH erläutert:
Soziale Medien haben politischen Aktivismus effektiver gemacht und befähigen Menschen, die sich bisher aus Angst vor Diskriminierung zurückgehalten haben, sich in die Politik einzubringen.
Auch in Ländern wie China spielen die sozialen Netzwerke, trotz Restriktionen von Seiten der Regierung, eine große Rolle. Tatsächlich sind Social Media dort der wichtigste Interaktionspunkt für den Meinungsaustausch zu kontroversen gesellschaftlichen Themen.
Ebenso lösen durch Hashtags getriebene Kampagnen mehr Druck aus als bisher – solche kennt man aus dem Westen etwa durch #blacklivesmatter (ab Mai 2020) oder durch die starken Krawalle gegen Corona-Maßnahmen in den Niederlanden (Januar 2021). Behrens dazu:
Solche Hashtag-Kampagnen haben sich mit einer außerordentlichen Geschwindigkeit entwickelt und verursachten 2021 einen Sachschaden, den man in so einem Ausmaß normalerweise nicht mit sozialen Unruhen in Verbindung bringt.
Erhöhtes Risiko auch in europäischen Ländern
Mit Weißrussland, der Ukraine, Russland und der Türkei sind auch vier europäische Länder im Risk Index gelandet: Mit einem Wert von 64 weist Weißrussland das höchste Risiko auf. Im Vergleich zum letzten Bericht im Sommer 2021 ist dieser Wert um 5 Punkte gestiegen. Besonders das Risiko durch den Wechselkurs und Handelssanktionen sticht heraus. In Weißrussland tätige Unternehen, müssen diese Entwicklung im Auge behalten, rät Behrens. Die Sanktionen werden Auswirkungen auf ihre Geschäftstätigkeit haben. So seien bereits heute keine internationalen Versicherungsgesellschaften in Weißrussland ansässig. Sie werden für dort belegene Risiken aufgrund der Sanktionen auch keinen Deckungsschutz gewähren, ergänzt die Geschäftsführerin.
Auch in der Ukraine herrscht mit einem Wert von 62 ein „signifikantes“ politisches Risiko. Im Zusammenhang mit dem Russland-Konflikt ist insbesondere das Risiko politischer Gewalt eine Bedrohung für Menschen und Unternehmen vor Ort. Dieses allein wurde mit einem Wert von 66 eingestuft, dürfte aber angesichts der aktuellen Entwicklung zwischenzeitlich noch gestiegen sein. Behrens berichtet, dass allein in den letzten fünf Jahren die Prämien für politisch bedingte Risiken in der Ukraine teilweise um das Fünffache gestiegen seien. Pahl rät:
Risk Manager sollten die politischen Risiken für die Länder, in denen sie eigene Produktionsstandorte unterhalten sowie ihre wichtigsten Zulieferer und Abnehmer sitzen, stets im Auge behalten.
So können sie in dort aufkommenden Krisensituationen rechtzeitig risikominimierende Maßnahmen ergreifen. Darüberhinaus sollte eine Risikoabsicherung durch eine Deckung für politische Risiken rechtzeitig geprüft werden, bevor die Situation eskaliere. Damit beugen Unternehmen explodierenden Deckungskosten und im Notfall sehr knappen Kapazitäten vor, fasst Pahl zusammen.
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