Schon im zweiten Winter mehren sich die Verluste von Containern, die bei schwerer See über Bord gehen. Experten des GDV sind den Ursachen auf den Grund gegangen - und machen Lösungsvorschläge.
In den letzten zwei Jahren haben sich die Fälle über Bord gehender Container auffallend gehäuft. Schon im Winterhalbjahr 2020/21 gingen so Waren im Wert von mehreren 100 Millionen Euro verloren, in diesem Jahr sieht die Lage nicht besser aus: Im Oktober verlor die “ZIM Kingston” über 100 Container und geriet als Folge des Ladungsverlustes in Brand, im November gingen der „COSCO Nagoya“ 38 Container über Bord. Die stellvertretende GDV-Hauptgeschäftsführerin Anja Käfer-Rohrbach warnt:
Wir müssen diese Entwicklung stoppen: Die Containerverluste gefährden die Besatzung und das Schiff, verursachen hohe Kosten und tragen zur Verschmutzung der Meere bei.
Sicherheitsexperten des GDV haben nun die möglichen Ursachen für die vielen Containerverluste untersucht und Lösungsvorschläge erarbeitet. Käfer-Rohrbach erklärt:
Das Grundproblem ist, dass die Fahreigenschaften großer Containerschiffe und die gängigen Sicherungssysteme nicht mehr zusammenpassen.
Konkret führen die GDV-Experten die Probleme auf die folgenden Ursachen zurück und schlagen diese Lösungen vor:
1. Containerschiffe mit Rolldämpfungstanks ausrüsten oder nicht voll beladen
Containerschiffe sind in den vergangenen Jahren immer größer und dabei auch breiter geworden. Die Schiffe sind teilweise mehr als 60 Meter breit, dadurch sehr stabil und neigen dazu, sich sehr schnell wieder aufzurichten. Ist das Schiff voll beladen, kommt es in schwerer See zu gefährlichen seitlichen Schwingungen („Rollen“) – sogar in Situationen, in denen das Schiff nicht parallel zu den Wellen, sondern gegen die Wellen gefahren wird. Gleichzeitig sind mit den bis zu zwölf Lagen hohen Containerstapeln große Windangriffsflächen an Deck entstanden, die die Sicherungssysteme zusätzlich beanspruchen.
Den gefährlichen Rollbewegungen entgegenwirken könnten sogenannte Rolldämpfungstanks. In ihnen strömt Ballastwasser so hin und her, dass die Rollschwingungen des Schiffes gedämpft werden. Bislang ist der Einbau solcher Tanks nicht vorgeschrieben, nur wenige Reedereien lassen sie in ihre Schiffe einbauen. Kurzfristig könnte das Problem nur durch eine geringere Decksladung reduziert werden – denn bei nicht voll ausgelasteten Schiffen treten Containerverluste nur äußerst selten auf.
2. Container an Bord besser sichern
Die Sicherungssysteme für die Container an Deck haben mit dem Wachstum der Containerschiffe und der Deckslast nicht schrittgehalten. Auch der Standard-Container selbst wurde kaum weiterentwickelt – obwohl er nicht mehr wie früher in vier bis sechs Lagen, sondern in “Türmen” von bis zu zwölf Containern übereinandergestapelt wird.
Die Auslegung der Sicherungssysteme muss daher grundlegend überdacht und angepasst werden; insbesondere sind sie wieder so zu dimensionieren, dass sie zu den tatsächlichen Seegangseigenschaften großer und sehr stabiler Containerschiffe passen – und zwar auch dann, wenn sie voll beladen sind.
3. Gewichte und Qualität von Containern kontrollieren
Aktuell wird zwar für jeden Container die Angabe des Gewichts verlangt, für die Kontrolle der Angaben gibt es aber keine funktionierenden Mechanismen. Dabei kommt dem Gewicht eine entscheidende Rolle für den richtigen Platz an Bord zu: Container müssen so gestapelt werden, dass die schwersten Container unten stehen. Nach oben sollte das Gewicht der Container immer weiter abnehmen. Schon ein zu schwerer beziehungsweise falsch gestauter Container kann die Sicherung des gesamten Stapels überlasten. In der Folge fällt der Stapel wie ein Domino-Stein gegen den Nachbarstapel und zerstört auch dessen Sicherung. Auch die Qualität der Container muss stimmen – denn die unteren Container müssen das Gewicht der über ihnen gestapelten Container tragen.
Um falsche Gewichtsangaben sicher zu erkennen und Fehlstauungen zu vermeiden, müssten entsprechende Kontrollmechanismen etabliert werden: Erstens müssten die Gewichtsangaben, zweitens die Qualität und strukturelle Sicherheit der Container geprüft werden. Drittens schließlich müsste sichergestellt werden, dass die Ladung in den Containern richtig gestaut und gesichert ist. Andernfalls kann sich die Ladung im Container gleich einer “Abrissbirne” frei bewegen und die Sicherungssysteme überfordern. Ist auf diese Weise ein Containerstapel erst einmal instabil geworden, tritt der oben beschriebene Domino-Effekt ein.
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