Alleingelassene und überlastete Krankenpfleger in der Nachtschicht, Patienten und Patientinnen mit Schmerzen, die nach einer Krankenschwester klingeln und dann lange warten müssen, oder Pflege-Dienstpläne, die wegen Personalmangels immer wieder neu geschrieben werden müssen.
Das sind Situationen, die in deutschen Kliniken leider zum Alltag gehören. Bereits seit Jahrzehnten versucht die Politik, die besonderen Herausforderungen der Krankenhauspflege in den Griff zu bekommen.
Von der gescheiterten Pflege-Personalregelung (PPR) aus dem Jahr 1993 über verschiedene Pflegegipfel bis zu Pflegestellen-Förderprogrammen reicht die Bandbreite an Initiativen und Maßnahmen.
Der GKV-Spitzenverband schlägt ein Drei-Säulen-Modell für sichere, gute und bedarfsgerechte Pflege vor. Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstand beim GKV-Spitzenverband, fordert sichere Pflege durch Pflegepersonaluntergrenzen, die für ein Mindestversorgungsniveau sorgen. Sie will gute Pflege an jedem Krankenbett durch eine moderne Pflegepersonalbedarfsermittlung.
Diese soll digital und ohne Zusatzdokumentation anhand einer einheitlichen Pflegedokumentation generiert werden. Außerdem fordert sie bedarfsgerechte Strukturen für bessere Pflege am Bett. Viele Patientinnen und Patienten könnten oftmals ambulant versorgt werden, wodurch Pflegekräfte mehr Zeit für die stationären Patientinnen und Patienten gewinnen würden.
Für die Krankenhäuser gäbe es keine Ausreden mehr für Nicht-Handeln, denn die Beitragszahlenden der gesetzlichen Krankenversicherung finanzieren mit ihren Beiträgen die Pflege zu 100 Prozent.
Sichere Pflege braucht Transparenz
Bis vor vier Jahren gab keine Transparenz über die Personalbesetzung in den Krankenhäusern. Mit den Pflegepersonaluntergrenzen und der Verpflichtung, die tatsächliche Pflegeausstattung auf den Stationen zu melden, weiß man nun ein wenig mehr darüber, was tatsächlich auf den Stationen passiert.
Dabei sind Pflegepersonaluntergrenzen im Schulnotenvergleich bestenfalls eine „vier“. Sie dienen lediglich dazu, Patientengefährdung zu vermeiden. Und der Alltag auf vielen Stationen zeigt, dass selbst diese Untergrenzen oft nicht erreicht werden.
In 12 Prozent aller Schichten wurden Pflegeuntergrenzen verfehlt
Von der Herzchirurgie über die Geriatrie bis zur Inneren Medizin sind für zwölf „pflegesensitive Bereiche“ verpflichtende Mindestvorgaben, die Pflegepersonaluntergrenzen festgelegt, um Patientengefährdung zu vermeiden.
Stoff-Ahnis sagt:
Im Durchschnitt der 1300 Krankenhäuser, für die Pflegepersonaluntergrenzen gelten, sind 12 Prozent aller Schichten unterbesetzt. Nicht mal das Mindestmaß an Pflegepersonal ist dort vorhanden. Das ist für die Patientinnen und Patienten und für das Pflegepersonal eine gesundheitsgefährdende Zumutung! Und wenn es um Schlaganfälle geht, ist es besonders dramatisch: In den neurologischen Schlaganfalleinheiten wird sogar in jeder fünften Schicht noch nicht einmal die Mindestanzahl an Pflegekräften erreicht, um die Sicherheit der Pflege zu gewährleisten. Von wirklich guter Pflege sind wir dann noch weit weg.
Gute Pflege braucht genug Pflegekräfte
Eine Personalausstattung, die einer guten pflegerischen Versorgung in Krankenhäusern Rechnung trägt, ist abhängig vom Pflegebedarf der Patientinnen und Patienten und somit deutlich höher als eine Mindestvorgabe.
Nachdem der Gesetzgeber die Grundlage dafür geschaffen hat, müssen sich nun die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der GKV-Spitzenverband über Inhalte der Beauftragung und den Zeitplan für die Entwicklung des neuen Instruments durch die Wissenschaft verständigen. Der Gesetzgeber hat vorgesehen, dass die Entwicklung und Erprobung des neuen Instruments zur Pflegepersonalbemessung bis Ende 2024 abgeschlossen sein müssen.
Stoff-Ahnis fordert ein zuverlässiges Instrument zur Messung des tatsächlichen Pflegepersonalbedarfs auf jeder Station in jedem Krankenhaus. Bis es soweit ist, seien laut ihr die Pflegepersonaluntergrenzen in Kombination mit der vollständigen Finanzierung jeder neuen Pflegestelle eine gute und vor allem praktikable Interimslösung.
Bedarfsgerechte Strukturen schaffen Entlastung
Durch medizinisch nicht notwendige stationäre Behandlungen verschaffen sich Kliniken zusätzliche Einnahmen und blockieren gleichzeitig Pflegekräfte, die an anderer Stelle fehlen. So wurden 2019 rund vier Millionen Menschen für lediglich eine Nacht im Krankenhaus behalten.
Ein großer Teil davon hätte auch ambulant behandelt werden können. Ein klares Indiz hierfür ist, dass in 2020 ausgewählte operative Leistungen mit ambulantem Potential um 28 Prozent zurückgegangen sind.
Bedarfsgerechte Strukturen zu schaffen, sei für Stoff-Ahnis ein Schlüssel, um die Pflegesituation für Patientinnen und Patienten sowie Pflegende dauerhaft zu verbessern: Durch das Schließen nicht bedarfsnotwendiger Kliniken schwinde der Anreiz, unnötige Behandlungen und Operationen durchzuführen. Durch den Ausbau der Mindestmengenvorgaben würde Gelegenheits-Chirurgie verhindert werden.
Die so freigewordenen Pflegekräfte würden dann beispielsweise in Spezialkliniken zur besseren Krebsversorgung zur Verfügung stehen, wie in Landkrankenhäusern, die für die flächendeckende Versorgung zum Beispiel mit Kinderheilkunde gebraucht werden.
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