Die Zukunft der Rente ist eine der politischen Kernfragen der Bundestagswahl. Die Parteiprogramme weisen bei privaten und sozialen Sicherungssystemen zwar deutliche konzeptionelle Unterschiede auf, aber es gibt auch Gemeinsamkeiten. Die Frage muss erlaubt sein, ob die Parteien das Kernproblem im Blick haben.
Ein Kommentar zu den Wahlprogrammen 2021 von Prof. Dr. Michael Heuser, Wissenschaftlicher Direktor des DIVA.
Der demographische Wandel spitzt sich weiter zu. In wenigen Jahren beginnt der Exit der geburtenstarken Jahrgänge aus dem Erwerbsleben. Demgegenüber stehen aber viel zu wenig junge Menschen, die die sozialen Sicherungssysteme über das Umlageverfahren finanzieren sollen. Was die Parteien in ihren Programmen vorlegen, kommt entweder zu spät oder könnte das Problem sogar noch verstärken.
Ausbau des Umlageverfahrens ist kontraproduktiv
Grüne, SPD und Linke streben Pflichtsysteme in Form von „Bürgerversicherungen“ an. Diese stützen sich – bei den letztgenannten Parteien nahezu komplett und bei den Grünen zum großen Teil – auf das Umlageverfahren. Dieses soll auf hohem Leistungsniveau noch weiter ausgebaut werden.
Und das, ohne das Renteneintrittsalter oder die Beiträge zu erhöhen. Mit anderen Worten: Es ist wenig Änderung in Sicht. Die Förderung der privaten Altersvorsorge soll abgeschafft werden.
Wer soll das bezahlen? Kaum ein Wort dazu in den Wahlprogrammen. Zusätzliche Schulden? Zusätzliche Steuern? Letzteres wäre in Wahlprogrammen jedenfalls ein zu wagemutiger Schritt.
Auch das aktuelle Niedrigzinsumfeld tut diesen Plänen keinen Gefallen. Immerhin: Union, FDP und mit Abstrichen die Grünen setzen auf mehr aktienbasierte Vorsorge, sei es mit einer Generationenrente (Union) oder einer Aktienrente (FDP). Allerdings nicht in privater Verantwortung, sondern in staatlicher Regie.
Ob „Vater Staat“ der bessere Kapitalanleger ist, kann mit Fug und Recht bezweifelt werden. Und fest steht: Die Renten der geburtenstarken Jahrgänge lassen sich damit nicht finanzieren, denn die Konzepte wirken erst in Jahrzehnten.
Die Deutschen sind bereit für Eigeninitiative
Staatliche Pauschallösungen schränken die Eigenverantwortung der Bürger ein. Individuelle Präferenzen bei der Vorsorge finden so gut wie keine Berücksichtigung. Erkennbar ist dies auch am Umgang der Parteien mit den Riester-Produkten.
Deren schlechtes Image nehmen fast alle Parteien zum Anlass, andere Lösungen zu propagieren. Bereits ausgearbeitete und durchaus tragfähige Reformvorschläge werden nicht aufgegriffen. So hätte im Nullzinsumfeld die Absenkung oder Abschaffung der Bruttobeitragsgarantie positive Renditeeffekte für bestehende und neue Verträge, was die Riester-Rente zukunftsfähig machen würde.
Die Politik ist gut beraten, die Mündigkeit der Bürger anzuerkennen und die staatliche Lenkung etwas zurückzufahren. Denn im Status quo sind die gesetzlichen Renten nicht finanzierbar. Ein erster Schritt, um das zu ändern, wäre die Wiedereinführung des Nachhaltigkeitsfaktors in der Rentenanpassungsformel. Ebenso müsste eine stufenweise Absenkung des Rentenniveaus in Kauf genommen werden.
Die Mehrheit der Menschen ist sich der schlechten Perspektiven bei der gesetzlichen Rente bewusst und setzt durchaus auf eigene Vorsorge. Das geht auch aus den regelmäßigen Umfragen des Deutschen Instituts für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA) hervor. Das Bewusstsein für das Thema ist hoch. Die Parteien sollten die Bereitschaft der Menschen zur Eigenvorsorge nicht unterschätzen.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Studie bestätigt BVK-Kritik an Staatsfonds
Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) begrüßt das „Gutachten Kapitalbedarf Altersvorsorge und Rentenpolitik“ der teckpro AG: Damit wird bestätigt, die Einrichtung eines Staatsfonds ist keine nachhaltige Lösungt, um die gesetzliche Rentenversicherung zu stabilisieren.
GDV präsentiert Konzept für Bürgerrente und Geschäftszahlen 2022
22 Jahre nach Einführung der Riester-Rente haben die Versicherer Vorschläge für eine standardisierte Form der privaten Altersvorsorge mit unbürokratischer Förderung vorgelegt. Für das Geschäftsjahr 2022 bescheinigt der GDV der Branche „sich ordentlich geschlagen zu haben.“
Zaudern bei der Rentenreform gefährdet künftigen Wohlstand
Ein rentenpolitisches „Weiter-wie-bisher“ wird dazu führen, dass in Zukunft bis zur Hälfte des Bundeshaushalts für die gesetzliche Rente beansprucht wird. Das führt geradewegs in einen „steinernen Haushalt“ ohne Freiraum für notwendige Zukunftsinvestitionen.
Wahlprogramme: Welche Partei rockt die Rente?
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Versicherer heben Beitragsprognose für 2025 deutlich an
Die deutschen Versicherer blicken optimistischer auf das laufende Geschäftsjahr 2025. Wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) mitteilt, erwartet die Branche nun ein spartenübergreifendes Beitragswachstum.
Versicherungsbranche: Tarifabschluss bringt deutliche Lohnerhöhungen
Die Gehälter im Versicherungsinnendienst steigen deutlich – vor allem in den unteren Entgeltgruppen. Auch Azubis profitieren. Der neue Tarifvertrag läuft über 26 Monate und bringt zahlreiche zusätzliche Regelungen.
Versicherungstarifrunde: 1.400 Beschäftigte in Baden-Württemberg im Warnstreik
Im Tarifkonflikt der privaten Versicherungswirtschaft erhöhen die Beschäftigten den Druck: Rund 1.400 Angestellte legen in Baden-Württemberg die Arbeit nieder – mit klarer Botschaft an die Arbeitgeber vor der entscheidenden Verhandlungsrunde am 4. Juli.
Lebensversicherung: ZZR-Rückflüsse bringen Spielraum
Zinsanstieg, ZZR-Rückflüsse und demografischer Wandel verändern das Geschäftsmodell der Lebensversicherer grundlegend. Die Branche steht finanziell stabil da – doch das Neugeschäft bleibt unter Druck.
Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk
Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.