Mündige Bürger oder Lenkung durch „Vater Staat“?

Die Zukunft der Rente ist eine der politischen Kernfragen der Bundestagswahl. Die Parteiprogramme weisen bei privaten und sozialen Sicherungssystemen zwar deutliche konzeptionelle Unterschiede auf, aber es gibt auch Gemeinsamkeiten. Die Frage muss erlaubt sein, ob die Parteien das Kernproblem im Blick haben.

(PDF)
Bundestagswahlv2021-422255283-AS-KrischiMeierBundestagswahlv2021-422255283-AS-KrischiMeierKrischiMeier – stock.adobe.com

Ein Kommentar zu den Wahlprogrammen 2021 von Prof. Dr. Michael Heuser, Wissenschaftlicher Direktor des DIVA.

Der demographische Wandel spitzt sich weiter zu. In wenigen Jahren beginnt der Exit der geburtenstarken Jahrgänge aus dem Erwerbsleben. Demgegenüber stehen aber viel zu wenig junge Menschen, die die sozialen Sicherungssysteme über das Umlageverfahren finanzieren sollen. Was die Parteien in ihren Programmen vorlegen, kommt entweder zu spät oder könnte das Problem sogar noch verstärken.

Ausbau des Umlageverfahrens ist kontraproduktiv

Grüne, SPD und Linke streben Pflichtsysteme in Form von „Bürgerversicherungen“ an. Diese stützen sich – bei den letztgenannten Parteien nahezu komplett und bei den Grünen zum großen Teil – auf das Umlageverfahren. Dieses soll auf hohem Leistungsniveau noch weiter ausgebaut werden.

Und das, ohne das Renteneintrittsalter oder die Beiträge zu erhöhen. Mit anderen Worten: Es ist wenig Änderung in Sicht. Die Förderung der privaten Altersvorsorge soll abgeschafft werden.

Wer soll das bezahlen? Kaum ein Wort dazu in den Wahlprogrammen. Zusätzliche Schulden? Zusätzliche Steuern? Letzteres wäre in Wahlprogrammen jedenfalls ein zu wagemutiger Schritt.

Auch das aktuelle Niedrigzinsumfeld tut diesen Plänen keinen Gefallen. Immerhin: Union, FDP und mit Abstrichen die Grünen setzen auf mehr aktienbasierte Vorsorge, sei es mit einer Generationenrente (Union) oder einer Aktienrente (FDP). Allerdings nicht in privater Verantwortung, sondern in staatlicher Regie.

Ob „Vater Staat“ der bessere Kapitalanleger ist, kann mit Fug und Recht bezweifelt werden. Und fest steht: Die Renten der geburtenstarken Jahrgänge lassen sich damit nicht finanzieren, denn die Konzepte wirken erst in Jahrzehnten.

Die Deutschen sind bereit für Eigeninitiative

Staatliche Pauschallösungen schränken die Eigenverantwortung der Bürger ein. Individuelle Präferenzen bei der Vorsorge finden so gut wie keine Berücksichtigung. Erkennbar ist dies auch am Umgang der Parteien mit den Riester-Produkten.

Deren schlechtes Image nehmen fast alle Parteien zum Anlass, andere Lösungen zu propagieren. Bereits ausgearbeitete und durchaus tragfähige Reformvorschläge werden nicht aufgegriffen. So hätte im Nullzinsumfeld die Absenkung oder Abschaffung der Bruttobeitragsgarantie positive Renditeeffekte für bestehende und neue Verträge, was die Riester-Rente zukunftsfähig machen würde.

Die Politik ist gut beraten, die Mündigkeit der Bürger anzuerkennen und die staatliche Lenkung etwas zurückzufahren. Denn im Status quo sind die gesetzlichen Renten nicht finanzierbar. Ein erster Schritt, um das zu ändern, wäre die Wiedereinführung des Nachhaltigkeitsfaktors in der Rentenanpassungsformel. Ebenso müsste eine stufenweise Absenkung des Rentenniveaus in Kauf genommen werden.

Die Mehrheit der Menschen ist sich der schlechten Perspektiven bei der gesetzlichen Rente bewusst und setzt durchaus auf eigene Vorsorge. Das geht auch aus den regelmäßigen Umfragen des Deutschen Instituts für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA) hervor. Das Bewusstsein für das Thema ist hoch. Die Parteien sollten die Bereitschaft der Menschen zur Eigenvorsorge nicht unterschätzen.

(PDF)

LESEN SIE AUCH

Stop the domino effect concept for business solution and interveStop the domino effect concept for business solution and interveBrian Jackson – stock.adobe.comStop the domino effect concept for business solution and interveBrian Jackson – stock.adobe.com
Assekuranz

Studie bestätigt BVK-Kritik an Staatsfonds

Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) begrüßt das „Gutachten Kapitalbedarf Altersvorsorge und Rentenpolitik“ der teckpro AG: Damit wird bestätigt, die Einrichtung eines Staatsfonds ist keine nachhaltige Lösungt, um die gesetzliche Rentenversicherung zu stabilisieren.

Bright ideas on wallBright ideas on wallSergey Nivens – stock.adobe.comBright ideas on wallSergey Nivens – stock.adobe.com
Assekuranz

GDV präsentiert Konzept für Bürgerrente und Geschäftszahlen 2022

22 Jahre nach Einführung der Riester-Rente haben die Versicherer Vorschläge für eine standardisierte Form der privaten Altersvorsorge mit unbürokratischer Förderung vorgelegt. Für das Geschäftsjahr 2022 bescheinigt der GDV der Branche „sich ordentlich geschlagen zu haben.“

The blue morning alarm rings and jumps on a gray background.The blue morning alarm rings and jumps on a gray background.SharlottaU – stock.adobe.comThe blue morning alarm rings and jumps on a gray background.SharlottaU – stock.adobe.com

Zaudern bei der Rentenreform gefährdet künftigen Wohlstand

Ein rentenpolitisches „Weiter-wie-bisher“ wird dazu führen, dass in Zukunft bis zur Hälfte des Bundeshaushalts für die gesetzliche Rente beansprucht wird. Das führt geradewegs in einen „steinernen Haushalt“ ohne Freiraum für notwendige Zukunftsinvestitionen.

Piggy Bank on vacationPiggy Bank on vacationdavid_franklin – fotolia.comPiggy Bank on vacationdavid_franklin – fotolia.com
bAV

Wahlprogramme: Welche Partei rockt die Rente?

Seit Jahren kommt die Altersvorsorge in Deutschland wie ein verbrauchter Straßenmusiker daher. Vom einstigen Glanz und internationalen Ruhm für das Drei-Säulen-System ist nicht mehr viel übrig. Das Rentenniveau sinkt durch den demographischen Wandel unaufhörlich, im Zeitraum von 1990 bis 2020 um ganze sieben Prozentpunkte von 55 Prozent auf 48 Prozent.

Unsere Themen im Überblick

Informieren Sie sich über aktuelle Entwicklungen und Hintergründe aus zentralen Bereichen der Branche.

Themenwelt

Praxisnahe Beiträge zu zentralen Themen rund um Vorsorge, Sicherheit und Alltag.

Wirtschaft

Analysen, Meldungen und Hintergründe zu nationalen und internationalen Wirtschaftsthemen.

Management

Strategien, Tools und Trends für erfolgreiche Unternehmensführung.

Recht

Wichtige Urteile, Gesetzesänderungen und rechtliche Hintergründe im Überblick.

Finanzen

Neuigkeiten zu Märkten, Unternehmen und Produkten aus der Finanzwelt.

Assekuranz

Aktuelle Entwicklungen, Produkte und Unternehmensnews aus der Versicherungsbranche.