Mehr Tempo bei der Digitalisierung von Versicherungen

Machine Learning und Big Data bieten Firmen und Kunden im Versicherungssektor enorme Möglichkeiten – aber oft wird das Potenzial nicht ausgeschöpft.

(PDF)
Datenstrom-81347591-AS-eyetronicDatenstrom-81347591-AS-eyetroniceyetronic – stock.adobe.com

Ein Kommentar von:  Dirk Schmidt-Gallas, Seniorpartner und Leiter der Versicherungs-Practice bei Simon-Kucher & Partners und Jan-Frederik Jakubek, Digitalisierungsexperte bei Simon-Kucher & Partners

Covid-19 ist hierzulande zu einem Turbo für die Digitalisierung geworden – auch im Versicherungssektor. Allerdings bleiben die Ergebnisse der digitalen Transformation in vielen Fällen noch hinter den Bedürfnissen und Erwartungen der Versicherungskunden zurück.

Das zeigt eine aktuelle Markteinschätzung der Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners. Senior Partner und Leiter der Versicherungs-Practice Dirk Schmidt-Gallas berichtet:

Die ansonsten mitunter schwerfällige Branche hat in den vergangenen Monaten erstaunlich schnell auf die Corona-Krise reagiert.

Viele Versicherer haben bei der Digitalisierung plötzlich Dinge innerhalb von zwei Wochen hinbekommen, die vorher zwei Jahre gedauert hätten.

"Allerdings sollten sie bei dem Tempo nicht nachlassen. Versicherer, die die Bedürfnisse und Erwartungen ihrer Kunden wirklich erfüllen und ungenutztes Wachstumspotenzial heben wollen, sollten jetzt den Turbo einschalten oder – besser noch – auf Warp-Geschwindigkeit gehen“, so Schmidt-Gallas weiter.

Versicherer fahren beim Thema Machine Learning mit angezogener Handbremse

Insbesondere beim Machine Learning lassen Versicherer nach Einschätzung von Jan-Frederik Jakubek, Digitalisierungs-Experte bei Simon-Kucher, noch viel Potenzial ungenutzt.

Die Mehrheit der Use-Cases im Bereich Machine Learning beschränkt sich bei Versicherern auf die Einsparung von Kosten oder die Abwehr von Betrugsversuchen. Neben diesen wichtigen Punkten liegt das viel interessantere Potenzial allerdings in der Top Line-Optimierung – und dieser Motor, der den Umsatz ankurbelt, kommt in der Versicherungsbranche bislang kaum zum Einsatz,

berichtet Jakubek. Dabei könne der intelligente und zugleich verantwortungsvolle Dateneinsatz sowie die ständige Generierung von neuem künstlichem Wissen den Versicherern in der Top Line-Optimierung drei vielversprechende Booster für ihr Business bieten:

  1. Customer Lifecycle Management: „Versicherer bekommen es bislang oft nicht mit, wenn der Kunden eine neue Absicherung gebrauchen könnte oder sich mit Wechselgedanken beschäftigt“, berichtet Jakubek. „Mit Hilfe von Machine Learning und künstlicher Intelligenz können Versicherer Kunden viel zielgerichteter die passenden Produkte anbieten, sobald sich deren Lebenssituation ändert.“
  2. Empfehlungsmanagement: „Aufgrund der Daten, die den Versicherern ohnehin schon vorliegen oder die Versicherer in der Interaktion mit den Kunden sammeln können, sind sie in der Lage, den Kunden bessere Produktempfehlungen zu geben. Die Realität sieht hingegen so aus, dass Kunden noch immer zu lange brauchen, um die für sie passende Versicherung zu finden – viele geben vorher auf“, so Jakubek.
  3. Personalisierte Interaktion: „Das große Thema in der Versicherungswirtschaft ist derzeit, Websites und Sales-Tools so neu zu strukturieren, dass von vornherein erkannt wird, zu welcher Kundengruppe der Verbraucher gehört. Dazu gehört auch, für die jeweilige Person eine stärker personalisierte Customer Journey zu kreieren“, erklärt Jakubek. „Erfolgreiche Online-Händler machen das schon seit Jahren. Versicherer, die ihre Websites und Verkaufs-Tools ebenfalls entsprechend optimieren, können sich bei der Neukundengewinnung und bei der Bindung bestehender Kunden große Wettbewerbsvorteile verschaffen.“

Den Verbraucher mitnehmen und seine Bedürfnisse ernst nehmen

„Der Kunde wird nie Spaß an seiner Versicherung haben“, sagt Dirk Schmidt-Gallas. „Aber durch gezielten Service kann der Versicherer ein engeres Verhältnis zu seinen Kunden knüpfen. Ein Schlüssel dazu ist Machine Learning. Denn durch die Covid-19-Pandemie und die Beschleunigung der Digitalisierung erwarten die Verbraucher einen besseren digitalen Service und passgenau auf sie zugeschnittene Angebote. Die Erwartungen und Bedürfnisse der zunehmend digital-affinen Kunden lassen sich nur erfüllen, wenn Versicherer die Daten intelligent nutzen“, so Schmidt-Gallas.

(PDF)

LESEN SIE AUCH

KI - künstliche intelligenz - vernetztKI - künstliche intelligenz - vernetztm.mphoto – stock.adobe.comKI - künstliche intelligenz - vernetztm.mphoto – stock.adobe.com
Assekuranz

KI: Europäische Versicherer haben Aufholbedarf

Wenn jeder Touchpoint mit Kunden digitalisiert ist, können Machine Learning und Artificial Intelligence in der Versicherungsbranche für neues organisches Wachstum sorgen. Europäische Versicherer haben bei der Einführung jedoch noch Aufholbedarf.
78e25063-72fe-40d5-8998-83e67da541e078e25063-72fe-40d5-8998-83e67da541e0Sergey Nivens – stock.adobe.com78e25063-72fe-40d5-8998-83e67da541e0Sergey Nivens – stock.adobe.com
Assekuranz

Cross-Selling: Versicherer lassen Potenzial ungenutzt

Bei der Kundenbindung und beim Cross-Selling bleiben die Versicherer in Deutschland weit hinter ihren Möglichkeiten zurück. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage der Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners. Demnach haben nur 26 Prozent aller Kunden ihre Versicherungen bei einem Anbieter gebündelt. Im Vergleich zur Erhebung im Jahr 2018 bleibt die Cross-Selling-Quote damit weiterhin auf einem niedrigen Niveau.
Treppe-Pfeil-304915068-AS-LunatictmTreppe-Pfeil-304915068-AS-LunatictmLunatictm – stock.adobe.comTreppe-Pfeil-304915068-AS-LunatictmLunatictm – stock.adobe.com
Assekuranz

Biometrie: 150 Prozent Wachstum ist möglich

Biometrie-Produkte könnten Versicherern durch die Corona-Krise helfen. Doch dafür müssen die Unternehmen ihren Vertrieb noch mehr stärken und mehr in die Digitalisierung investieren.
Businessman pointing at polygonal hand on blue background. Digital transformation and ai concept.Businessman pointing at polygonal hand on blue background. Digital transformation and ai concept.Who is Danny – stock.adobe.comBusinessman pointing at polygonal hand on blue background. Digital transformation and ai concept.Who is Danny – stock.adobe.com
Assekuranz

Wie digital ausgereift sind Versicherer im Jahr 2023?

Die Branche hat in den letzten Jahren bedeutende digitale Technologien eingeführt, doch wie steht es um die Versicherer im Branchenvergleich? Und wie gut sind sie darauf vorbereitet, die neuen Technologien rund um KI und Automatisierung in Angriff zu nehmen?

online datingonline datingonline dating
Digitalisierung

Klick zum Glück: Wie Onlinedating zur Wachstumsbranche wird

Onlinedating ist längst mehr als nur eine moderne Möglichkeit, neue Menschen kennenzulernen. Es hat sich zu einem bedeutsamen Wirtschaftsfaktor entwickelt, der ein breites Spektrum an Arbeitsplätzen generiert und erhebliche Umsätze einbringt.

a human hand touching with digital hand, digital transformationa human hand touching with digital hand, digital transformationpatiwat – stock.adobe.coma human hand touching with digital hand, digital transformationpatiwat – stock.adobe.com
Digitalisierung

Work smart, not hard!

In Unternehmerkreisen gilt Machine Learning schon lange als Notwendigkeit, für eine zukunftssichere Planung. In welchen Anwendungsgebieten künstliche Intelligenzen Zeit sparen und wieso der Schlüssel zum Einsatz einer erfolgreichen KI-Lösung in den richtigen Datensätzen liegt.

Mehr zum Thema

Hartmuth Kremer-JensenAon DeutschlandHartmuth Kremer-JensenAon Deutschland
Assekuranz

Aon-Marktprognose 2025: „Bürokratie bremst den Fortschritt aus“

Das Beratungsunternehmen Aon hat seine Marktprognose für den deutschen Versicherungsmarkt 2025 veröffentlicht. Der Bericht zeigt: Unternehmen müssen sich zunehmend mit komplexen und global vernetzten Risiken auseinandersetzen. Politische Unsicherheiten, hohe Kosten und der Klimawandel setzen Unternehmen unter Druck.

GDV-Präsident Dr. Norbert Rollinger (rechts) und GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen (Archiv).GDVGDV-Präsident Dr. Norbert Rollinger (rechts) und GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen (Archiv).GDV
Assekuranz

Versicherungsbranche erwartet 2025 stabiles Wachstum – GDV fordert Reformen

Die Versicherungswirtschaft prognostiziert für 2025 ein branchenweites Beitragswachstum von fünf Prozent. Besonders die Schaden- und Unfallversicherung sowie die PKV legen zu. Gleichzeitig fordert der GDV Reformen in der Altersvorsorge, Cybersicherheit und dem Steuerrecht.

Zum 1. März müssen Mofas, Mopeds und E-Scooter auf ein grünes Versicherungskennzeichen umgestellt werden.Laney5569 / pixabayZum 1. März müssen Mofas, Mopeds und E-Scooter auf ein grünes Versicherungskennzeichen umgestellt werden.Laney5569 / pixabay
Assekuranz

Kennzeichenwechsel für Mofas, Mopeds und E-Scooter: Ab März gilt nur noch Grün

Zum 1. März müssen Mofas, Mopeds und E-Scooter auf ein grünes Versicherungskennzeichen umgestellt werden. Wer weiterhin mit dem blauen Kennzeichen unterwegs ist, fährt nicht nur ohne Versicherungsschutz, sondern macht sich auch strafbar. Die aktuellen Zahlen des GDV zeigen zudem: Schäden und Diebstähle haben 2023 deutlich zugenommen.

Thorsten Saal, Bereichsleiter Mathematik & RatingMORGEN & MORGENThorsten Saal, Bereichsleiter Mathematik & RatingMORGEN & MORGEN
Assekuranz

Lebensversicherung: Überschussbeteiligung 2025 steigt weiter – doch nicht in der Breite

Die Überschussbeteiligungen deutscher Lebensversicherer steigen weiter, wenn auch weniger stark als im Vorjahr. Eine Analyse von MORGEN & MORGEN zeigt, dass fast alle Versicherer mindestens zwei Prozent bieten, während jeder fünfte Anbieter drei Prozent oder mehr gewährt. Thorsten Saal, Bereichsleiter Mathematik & Rating, bewertet die Entwicklung als kundenfreundlich, betont aber auch die individuelle Strategie der Versicherer.

ACWells / pixabayACWells / pixabay
Assekuranz

Lebensversicherung führt Beschwerde-Statistik an

Der Versicherungsombudsmann e. V. hat seinen Tätigkeitsbericht zur Streitbeilegung vorgelegt. Insgesamt 21.548 Beschwerden wurden im Jahr 2024 bearbeitet. Dabei fällt auf: Beschwerden über Versicherungsvermittler sind mit 334 Fällen gering und zeigen kaum Veränderungen zu den Vorjahren.

Bei einer Wasserbüffel-Herde in Brandenburg wurde Maul- und Klauenseuche (MKS) nachgewiesen.Anduka66 / pixabayBei einer Wasserbüffel-Herde in Brandenburg wurde Maul- und Klauenseuche (MKS) nachgewiesen.Anduka66 / pixabay
Assekuranz

Maul- und Klauenseuche in Deutschland: Was Versicherungen wirklich abdecken

Maul- und Klauenseuche nach Jahrzehnten erneut in Deutschland: Der Ausbruch in Brandenburg zeigt, wie schnell Tierseuchen enorme wirtschaftliche Risiken für Landwirte mit sich bringen. Versicherungen helfen bei direkten Schäden, lassen Landwirte bei Einkommensverlusten durch Exportverbote jedoch oft allein.