Der passende Versicherungsschutz ist gerade bei einer Unternehmenstransaktion von ganz besonderer Bedeutung. Denn wenn dem Grunde nach eine Haftung besteht, ist es ja nicht nur die Frage, ob der Veräußerer oder der Erwerber dafür haften muss. Es ist doch in erster Linie die Frage, ob ein Versicherer die (überraschend festgestellte) Haftung durch Zahlung zu übernehmen hat.
Ich schreibe heute über den Share-Deal (zum Beispiel Verkauf von GmbH-Anteilen) und den Asset-Deal (Bestandsverkauf) von Versicherungsmaklern. Wenn ich nach üblichen Versicherungsbedingungen analysieren will, ob die Haftungsverantwortung einem Kunden gegenüber über die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung als Pflichtversicherung abgedeckt ist, dann muss ich mich natürlich zunächst einmal mit dieser Haftungssituation auseinandersetzen.
Würden Sie ein Versicherungsmaklerunternehmen kaufen, welches eine jährliche Courtageeinnahme von 1.000.000 Euro hat? Grundsätzlich schon, wenn Sie sich das leisten können. Aber würden Sie dieses Unternehmen auch kaufen, wenn es eine Haftungsverantwortung von 10.000.000 Euro hat? Die Haftungsverantwortlichkeit finden Sie natürlich nicht in einer Bilanz.
Bilanzielle Forderung oder Haftungsgefahr?
Denn in der Regel handelt es sich nicht um eine bilanzielle Forderung eines Dritten, sondern nur um eine Haftungsgefahr, die sich möglicherweise erst in naher Zukunft aus einer längst begangenen Falschberatung ergibt. Sie müssen also zusätzlich aus dem Bestand heraus die möglichen schon angelegten Haftungsgefahren analysieren und finanziell bewerten.
Rechtsanwälte
Wenn Sie dann zu der Erkenntnis kommen, dass möglicherweise auch die 10.000.000 Euro an drohendem Haftungspotenzial komplett versichert sind, sieht die Welt schon wieder besser aus.
Ein Haftungsproblem kann beispielsweise schon allgemein bekannt sein, aber dem Erwerber noch nicht. Wussten Sie zum Beispiel, dass Sie für die Vermittlung von P+R-Containern in Anspruch genommen werden können? Aufgrund der eindeutigen Rechtsprechung hierzu würde ich dies als objektiv bekannt bejahen.
So gab es natürlich auch viele weitere haftungsträchtige Kapitalanlageprodukte, die vermittelt wurden, die eigentlich auf Ihrer Black List bei der Analyse des Bestandes stehen sollten.
» Sicher geht, wer sich mit einer ausreichend großen Vermögensschadenhaftpflichtversicherung ausstattet.«
Nun stellt sich natürlich noch die zweite Frage, ob die Vermittlung von Kapitalanlageprodukten beim Veräußerer überhaupt richtig versichert war und auch mit der richtigen Versicherungssumme.
Sollten Sie also den Versicherungsschutz bejahen können, dann sieht die Welt erneut schon wieder deutlich besser aus. Aber wehe, wenn die Vermittlung von Kapitalanlageprodukten, die der Versicherungsmakler „eigentlich“ gar nicht vorgenommen hatte, nicht einmal richtig versichert war.
Haftungsansprüche vorhanden?
Dann könnte also überraschend der 10.000.000-Euro-Haftungsanspruch kurz nach Erwerb der GmbH auf Sie zurollen. Umgangssprachlich gesagt: Sie müssen also die Leichen im Keller finden.
Wenn der Versicherungsmakler aber nur Versicherungsprodukte vermittelt hat, dann stellt sich natürlich auch die Frage, ob hier eine Haftungsverantwortlichkeit bestehen könnte.
In erster Linie tritt eine Haftungsgefahr ein, wenn ein nicht versicherter Versicherungsfall entstanden ist, der aber hätte versichert werden können. In der Regel ist es also die Entscheidung des
Versicherungsnehmers, ob er glaubt, einen Beratungshaftungsanspruch gegen den Versicherungsmakler zu haben oder nicht.
Wenn der Kunde genau den Versicherungsschutz bekommen hat, den er haben wollte, wird der Kunde zumeist dem Versicherungsmakler keinen Vorwurf machen. Glaubte der Kunde aber, richtig versichert zu sein, und stellt überraschend fest, dass er eben nicht richtig versichert ist, so kann schon ab jetzt Ungemach drohen.
Die Haftungsverantwortlichkeit des RECHT & DATENSCHUTZ Versicherungsmaklers ist aber nicht davon abhängig, was der Kunde glaubte an Versicherungsschutz zu haben.
Die Haftungsverantwortlichkeit ist auch nicht davon abhängig, was der Kunde tatsächlich vermittelt bekommen hat. Natürlich sind diese beiden Aspekte in Relation zueinander zu bringen und
es bedarf einer Analyse der Beratungsdokumentation, was vermutlich von VN und Makler besprochen und beraten worden war.
»Es ist für einen Erwerber nicht einfach festzustellen, ob Haftungsgefahren im Bestand schlummern.«
Das Gesetz objektiviert aber dahingehend, dass es sich jedenfalls um ein geeignetes Versicherungsprodukt gehandelt haben musste. Dabei wird dann auch geprüft, ob der Berater (Versicherungsmakler) die Geeignetheit des Produktes am objektiv festzustellenden Bedarf des Kunden geprüft hatte.
Wäre es dem Versicherungsmakler erkennbar gewesen, dass objektiv bestehende erhebliche Gefahren nicht versichert wurden, obwohl diese versicherbar gewesen wären, dann kann ein Gericht hier sehr schnell zu einer Beratungspflicht des Versicherungsmaklers kommen und damit die Haftungsverantwortlichkeit für den versicherbaren Schaden feststellen.
Häufig ist es sogar so, dass nicht einmal vernünftige Beratungsdokumentationen vorhanden sind; häufig besteht nicht mal überhaupt eine Beratungsdokumentation! Dann muss der Erwerber wissen, dass eine Beweislastumkehr greift.
Auch der Erwerber müsste dann darlegen können, dass der Veräußerer vollständig und richtig beraten hat. Kann er dies nicht, wovon in der Regel auszugehen ist, dann haftet also der Erwerber
für den Veräußerer gegenüber dem Kunden. Wir sind wieder bei dem Thema der unentdeckten 10.000.000 Euro an Haftungsverantwortlichkeit. Der Erwerber einer GmbH sollte
also genau hinschauen, ob noch „Leichen im Keller “ sind.
Kauft er ohne Wenn und Aber die GmbH-Anteile, so kauft er auch die Haftung. Es bedarf gegebenenfalls gesonderter klarstellender Vereinbarungen, wenn er den Verkäufer wegen derartiger Haftungsschäden in Anspruch nehmen will. Unterlässt er dies, bleibt er jedenfalls auf der Haftung allein sitzen. Bei einem Bestandsverkauf sieht es dann schon wieder etwas anders aus.
»Denn hier bleibt der Verkäufer erst einmal fünf Jahre in der Nachhaftung.«
Der Kunde kann also auch direkt den Veräußerer noch eine ganze Zeit in Anspruch nehmen. Ansonsten regelt sich die Haftungsverantwortlichkeit natürlich nach dem geschlossenen Bestandskaufvertrag.
Hier muss der Verkäufer einen Regress befürchten und der Käufer muss befürchten, dass er zwar möglicherweise einen Regressanspruch hat, dieser aber nicht werthaltig ist.
Hat also der Verkäufer schnell das Geld verprasst, dann nützt einem der beste Anspruch nichts, wenn nichts mehr zu holen ist. Auch in dieser Konstellation stellt sich erneut die maßgebliche Frage, ob der Vermögensschadenhaftpflichtversicherer für die Altschäden zahlen muss.
Dies ist grundsätzlich zu bejahen, wenn unter den Bedingungen des zugrunde liegenden VSH-Versicherungsvertrages eine Deckung anzunehmen ist. Die wesentlichsten Kriterien für den Versicherungsschutz sind wohl, dass der Veräußerer regelmäßig die Versicherungsprämie gezahlt hatte, keine wissentlichen Pflichtverletzungen begangen und alle Obliegenheiten eingehalten hatte. So hoffentlich auch die Obliegenheit, eine Beratungsdokumentation zu erstellen, wenn Derartiges noch in den (alten) Versicherungsbedingungen gefordert war.
Fazit
Damit bei Ihnen nicht plötzlich das „10.000.000-Euro-Problem“ auftaucht, sollte der zurückliegende Versicherungsschutz genauestens geprüft werden. Gegebenenfalls ist dringend der Abschluss einer Rückwärtsversicherung mit angemessenen Versicherungssummen zu empfehlen und die Prämie ist wohl vom Kaufpreis abzuziehen.
Ansonsten können Sie das 10.000.000-Euro-Problem nur dahingehend lösen, dass Sie eine genaueste Bestandsanalyse vorgenommen haben und zu der Feststellung gelangt sind, dass im Rahmen einer umfassenden Dokumentation stets das bestmögliche und geeignete Produkt an den jeweiligen Kunden vermittelt worden war.
Wenn also kein Schaden drohen könnte, dann ist vielleicht auch ein schlechter zurückliegender Versicherungsschutz nicht mehr von so großer, besonderer Relevanz?
»Empfehlenswert ist möglicherweise eine Law Due Diligence mit einer ergänzenden Haftungsübernahme durch den Rechtsanwalt.«
Gegebenenfalls lässt sich das 10.000.000-Euro-Problem auch dahingehend lösen, dass vertragliche oder gesetzliche Regressansprüche gegenüber dem Veräußerer bestehen könnten. Aber welcher Verkäufer wäre schon bereit, eine Garantieerklärung abzugeben, dass keine Haftungsverantwortung im Bestand ist, und sich in Regress nehmen zu lassen?
Eine solche Forderung dürfte jeder Verkäufer sicherlich ablehnen und damit auch die Kaufverhandlungen beenden. Empfehlenswert ist möglicherweise eine Law Due Diligence mit einer ergänzenden Haftungsübernahme durch den Rechtsanwalt. Diejenigen Rechtsanwälte, die sich aber mit diesen Fragen auskennen, werden (voraussichtlich) nicht bereit sein, eine solche Haftung freiwillig zu übernehmen.
Zwar könnte man dafür wiederum eine VSH-Projektversicherung der bestehenden Beratungshaftung des Rechtsanwalts vereinbaren, aber auch das wird vermutlich nicht ganz günstig!
Im Ergebnis bedarf es daher wohl am besten immer eines „Rettungsschirmes“, der sich Vermögensschadenhaftpflichtversicherung nennt und groß genug ist, um das 10.000.000-Euro-Problem in den Kaufverhandlungen zu lösen. Bestimmt sind Sie selbst Experte in diesem Themenbereich oder kennen einen …?
Bilder: (1) © Sergey Nivens – stock.adobe.com (2) © Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte
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