Seit der letzten Zinssenkung der Europäischen Zentralbank vor einem Jahr reißt der Trend zu Negativzinsen nicht ab. Aktuell weisen 126 Kreditinstitute Negativzinsen für Privatkunden in ihren Preisverzeichnissen aus, wie eine aktuelle Auswertung von Verivox zeigt. Das sind fast zehn Mal so viele wie vor einem Jahr.
Letzte Zinssenkung war Initialzündung
Am 12. September 2019 hat die Europäische Zentralbank ihren Einlagezins von minus 0,4 auf minus 0,5 Prozent gesenkt. Seitdem müssen Banken für Einlagen, die sie bei der Zentralbank parken, 0,5 Prozent Strafzinsen zahlen.
"Für viele Banken war die Zinssenkung die Initialzündung, um selbst Negativzinsen in ihrem Privatkundengeschäft durchzusetzen", sagt Oliver Maier, Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich GmbH. "Damals waren Negativzinsen für Privatkunden noch die absolute Ausnahme." Zum Zeitpunkt der Zinssenkung verlangten nur 13 Banken Negativzinsen. Heute weisen 126 Institute Negativzinsen für Privatkunden aus.
Negativzinsen auch bei niedrigeren Anlagesummen
Vor einem Jahr waren, wenn überhaupt, ausschließlich Sparer mit sehr hohen Guthaben ab 100.000 Euro von Negativzinsen betroffen. "Inzwischen werden immer häufiger auch niedrigere Anlagesummen belastet", berichtet Oliver Maier. 27 Institute räumen ihren Kunden deutlich weniger als 100.000 Euro Freibetrag ein. Bei drei Banken zahlen Sparer ab dem ersten Euro Negativzinsen. Drei andere Banken gehen mit ihrer Negativzinsregelung noch über den Strafzins der EZB hinaus und belasten Guthaben oberhalb des eingeräumten Freibetrags mit minus 0,6 Prozent.
Verivox wertet tagesaktuell die Preisverzeichnisse von rund 800 Banken und Sparkassen aus. "Doch nicht alle Banken veröffentlichen Negativzinsen in ihren Preisaushängen", erklärt Oliver Maier. "Viele treffen stattdessen individuelle Vereinbarungen mit ihren vermögenden Kunden."
Banken können Negativzinsen nicht einseitig einführen
Wenn Banken Negativzinsen einführen, gelten diese zunächst nur für Neukunden. "Will eine Bank auch von ihren Bestandskunden Negativzinsen erheben, muss sie das mit den Betroffenen individuell vereinbaren", sagt Oliver Maier. "In diesem Fall raten wir zum Wechsel."
Auch im anhaltenden Zinstief sind Null- und Negativzinsen kein Naturgesetz. Top-Banken im EU-Ausland gewähren aktuell 0,5 Prozent Zinsen aufs Tagesgeld. Anbieter mit deutscher Einlagensicherung zahlen in der Spitze 0,25 Prozent. Wer sein Geld für zwei Jahre fest anlegen kann, erhält bis zu 1,4 Prozent Zinsen.
Faktische Negativzinsen durch Gebühren
Nicht immer werden Negativzinsen als solche ausgewiesen. 13 Geldhäuser erheben zwar nominell keine Negativzinsen, verlangen aber eine Gebühr für das üblicherweise kostenfreie Tagesgeldkonto. "Aus unserer Sicht entstehen auf diese Weise faktische Negativzinsen, auch wenn die Bank nominal 0,00 oder 0,01 Prozent Zinsen ausweist", sagt Oliver Maier. Zusammen mit diesen 13 Banken wären es dann insgesamt 139 Kreditinstitute, die Negativzinsen verlangen.
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