„AU-Klauseln“ in der Berufsunfähigkeitsversicherung
Was ist besonders an einer Berufsunfähigkeitsversicherung mit AU-Klausel? Die Antwort findet sich, wie so oft, im Detail. Die sogenannte „AU-Klausel“ ist eine besondere und ergänzende Regelung in einem Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag.
Berufsunfähigkeit und Arbeitsunfähigkeit
In der Berufsunfähigkeitsversicherung wird die Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers abgesichert. Die Arbeitsunfähigkeit ist hingegen üblicherweise in einem Krankentagegeldversicherungsvertrag abgesichert. Das Bedürfnis einer weiteren Absicherung ergibt sich in der Praxis aufgrund der behäbigen Abwicklung von Versicherungsfällen.
Einer der Beendigungsgründe in der Krankentagegeldversicherung ist der Eintritt der Berufsunfähigkeit. Eine Lücke sollte es nicht geben, vielmehr sollte an dieser Stelle die Berufsunfähigkeitsversicherung eintreten. Die Grenzen zwischen Arbeitsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit sind, sehr zum Leidwesen der betroffenen Versicherungsnehmer, jedoch fließend.
Der Versicherungsfall in der Berufsunfähigkeitsversicherung wird in § 172 VVG legal definiert. Nach § 172 VVG liegt Berufsunfähigkeit vor,
„wenn die versicherte Person ihren zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann.“
Eine gesetzliche Definition für die Arbeitsunfähigkeit gibt es nicht. Eine Definition von Arbeitsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit findet sich auch in den üblichen Versicherungsverträgen. Eine übliche Klausel zur Definition der Arbeitsunfähigkeit, zum Beispiel in § 1 Abs. 3 MB/KT 94, lautet:
„Arbeitsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgeht. …“
Prognose
Das hervorstechende Merkmal zur Unterscheidung von Arbeitsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit ist insbesondere die ärztliche Prognose zur Dauer. Das Merkmal der Dauerhaftigkeit fehlt bei der Arbeitsunfähigkeit. Berufsunfähigkeit ist voraussichtlich dauerhafte Arbeitsunfähigkeit.
Lückenlose Absicherung?
Eine lückenlose Absicherung sollte damit gegeben sein – meint man. Lücken ergeben sich in der Praxis durch die langen „Wartezeiten“, wenn der Berufsunfähigkeitsversicherer mit der Prüfung und Ermittlung zum Versicherungsfall beschäftigt ist und nicht mit Sicherheit festgestellt ist, dass Berufsunfähigkeit im Sinne der Bedingungen vorliegt. Besondere Härtefälle sind aus der Praxis bekannt, in denen der Krankenversicherer durch ärztliches Gutachten festgestellt hat, dass Berufsunfähigkeit vorliegt und der Berufsunfähigkeitsversicherer sich im Rahmen seiner eigenen Ermittlungen an diese ärztliche Feststellung nicht gebunden fühlt.
Das bedeutet, dass der Versicherungsnehmer an dieser Stelle zunächst ohne Sicherung seiner Einkünfte und auch ohne Absicherung seines und des Unterhaltes seiner Familie bleibt. Der Versicherungsnehmer kann somit „zwischen den Stühlen“ stehen und muss – im besten Falle – warten.
Vereinbarung einer „AU-Klausel“
Als die Wartezeit verkürzende Entscheidungshilfe für den Versicherer soll nun die Vereinbarung einer „AU-Klausel“ dienen. „AU-Klauseln“ beziehungsweise auch sogenannte „Gelbe-Schein-Regelungen“ finden sich in Berufsunfähigkeitsversicherungsverträgen schon seit einigen Jahren auf dem Markt.
Eine typische Klausel mit einer Arbeitsunfähigkeitsabsicherung lautet:
„Wird die versicherte Person während der Versicherungsdauer arbeitsunfähig … erbringen wir folgende Leistungen: Wir zahlen eine Arbeitsunfähigkeitsrente in Höhe der vereinbarten Berufsunfähigkeitsrente, insgesamt maximal … Monatsrenten. …“
„Arbeitsunfähigkeit liegt von Beginn der ersten Krankschreibung vor, wenn die versicherte Person mindestens … Monate ununterbrochen vollständig arbeitsunfähig krankgeschrieben ist.“
Danach werden schon für den Fall der Arbeitsunfähigkeit Versicherungsleistungen aus dem Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag erbracht. In einigen Versicherungsbedingungen genügt schon ein Nachweis durch Krankschreibung, der sogenannte „gelbe Schein“.
Eine Abgrenzung zwischen Berufsunfähigkeit und Arbeitsunfähigkeit ist in einem solchen Vertrag zunächst nicht nötig. Damit gewinnt der Versicherungsnehmer Zeit. Ein Nachweis ist schnell erbracht – jedenfalls für einen Arbeitnehmer, der diesen Nachweis ohnehin für den Arbeitgeber bekommt.
Bei Selbstständigen kann sich schon mal die Frage stellen, ob der Nachweis auch anders geführt werden kann, wenn der Versicherungsvertrag ausdrücklich den „gelben Schein“ verlangt, den der Selbstständige vom Arzt nicht bekommt. In anderen „AU-Klauseln“ findet sich hingegen keine Regelung dazu, wie der Nachweis erbracht werden soll. Dann wäre eine Bescheinigung des behandelnden Arztes gegebenenfalls als ausreichend anzusehen.
Letztlich dürfte eine sogenannte „AU-Klausel“ Erleichterungen bei der Geltendmachung des Versicherungsanspruches bringen und zur Beschleunigung der Prüfung der Ansprüche und dem Erhalt der Leistungen führen.
Fazit
Schon bei Abschluss des Vertrages werden wichtige Weichen für die spätere Abwicklung des Leistungsfalles gestellt.
Ein Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag mit einer „AU-Klausel“ ist in den weit überwiegenden Fällen deutlich vorteilhaft für den Versicherungsnehmer.
Versicherungsmakler sollten diese Möglichkeit kennen und schon bei ihren Produktempfehlungen berücksichtigen.
Bei der Vermittlung von Verträgen und bei der Abwicklung von Leistungsfällen in der Berufsunfähigkeitsversicherung sind viele Haftungsfallen verborgen und zu beachten. Der Pflichtenkreis des Versicherungsmaklers ist weit, wie der BGH schon 1985 in seinem Sachwalterurteil festgestellt hat.
Der Pflichtenkreis umfasst nun auch grundsätzlich die Hilfestellung bei der Regulierung eines Versicherungsschadens, wie der BGH in seinem Urteil vom 30.11.2017 (Az.: I ZR 143/16) entschieden hat. In dieser weiteren außergewöhnlichen Entscheidung stellt der BGH fest, dass der Versicherungsmakler seinem Versicherungsnehmer die Unterstützung im Schadensfall schuldet. Dies gilt auch bei der Abwicklung des Leistungsfalles in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Dafür kann auch qualifizierte anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden.
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